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- Thomas Krimmer
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- 12.11.2013
Das Auswahlverfahren in Essen
Die meisten Studienplätze im Fach Humanmedizin werden mittlerweile durch die Unis selbst vergeben. Persönlich punkten kann man also im Auswahlverfahren der Hochschulen. Wird man tatsächlich für ein Gespräch vorgeschlagen - was im Übrigen die ZVS in Ranglisten nach Noten macht - möchte man natürlich wissen, was auf einen zukommt. Hier ein paar Informationen aus erster Hand.
Begrüßung zum Auswahlgespräch - Foto: istockphoto
Seit dem Wintersemester 2005/06 dürfen 60 Prozent der Studienbewerber von den Hochschulen selbst ausgewählt werden. Inwieweit diese Quote ausgeschöpft wird, können die Fakultäten selbst entscheiden. Studieninteressierte können sich für das Auswahlverfahren an maximal sechs Universitäten bewerben. Die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen trifft nach Abschluss ihrer Bewerbungsfrist eine Vorauswahl. Sie entscheidet nach rein formalen Kriterien. Abiturnote, Ortspräferenzen, Wartezeit, etc. werden gewichtet. Danach teilt die Behörde den Universitäten, die Auswahlgespräche führen, die Namen derjenigen mit, die eingeladen werden sollen. Die Einladungen selbst verschickt dann die Hochschule. Aktuelle Informationen zu diesem "Vor-"Verfahren der Auswahlgespräche, sowie zu Bewerbungsfristen und Notengrenzen finden sich direkt auf der Internetseite von Hochschulstart.
Das Auswahlverfahren in Essen
Essen gehört traditionell zu den Fakultäten, die auch tatsächlich zu Gesprächen einladen. In der Vergangenheit lag der Anteil der "Ausgewählten" bei 20 Prozent. Seit dem Wintersemester 2005/06 durften es nach neuer Rechtslage 60 Prozent sein. Diese Quote schöpfte die Universität Duisburg-Essen voll aus. Wie viele Erstsemester genau im nächsten Studienjahr ihre Ausbildung an der Hufelandstraße beginnen können, steht erst nach den Kapazitätsberechnungen fest. Dieses Jahr standen aufgrund des Doppelten Abiturjahrgangs 225 Studienplätze zur Verfügung. Davon werden circa 100 durch das Auswahlverfahren besetzt. Die Fakultät erwartet in diesem Zusammenhang Mehrarbeit in erheblichem Umfang, denn auf 135 Plätze, die im Auswahlverfahren vergeben worden sind, wurden 350 Bewerber eingeladen. Im Wintersemester 2013/14 kamen also auf einen Studienplatz ca. drei Bewerber. Die Bewerber werden auf verschiedene Kommissionen verteilt, die jeweils aus zwei Professoren bestehen. Diese Kommissionen versuchen vor allem Motivation und Eignung für das Studium festzustellen. Das Abiturzeugnis liegt ihnen nicht vor, damit sie möglichst objektiv bleiben. Nach einem Punktesystem werden die Teilnehmer bewertet und anschließend ausgewählt. Punkten lässt sich beispielsweise durch eine begründete Entscheidung für das Medizinstudium, eine gezielte Vorbereitung auf das Studium – durch entsprechende Leistungsfächer und außerschulische Aktivitäten – und realistischen Vorstellungen vom Arztberuf. Unbedingt durchlesen sollte man sich daher die Formalia.
Meine Erfahrung
Ich selbst hatte einen guten NC, der unter Medizinstudenten jedoch schon als schlecht gilt. Meine Nicht-Mediziner-Freunde meinten immer ich wäre verrückt, es trotzdem zu versuchen. Unter anderem daher habe ich gezielt die Universität Essen als erste Option auf meinem Hochschulstart-Bewerbungsantrag angegeben – in der Hoffnung auf eine Chance im Gespräch und einen Platz in NRW. In der Abiturbestenquote habe ich es erst gar nicht versucht, da manche in NRW noch nicht einmal mit 1,0 einen Platz in dieser Quote ergattern konnten.
Tatsächlich kam dann Mitte August eine Einladung von der Fakultät für Medizin. Eingeladen wurde für das WS 13/14 übrigens bis zu einem NC von 1,5. Zuerst sollte ich jedoch einen persönlichen Fragebogen ausfüllen und vor dem angekündigten Termin zuschicken. Die Fragen drehten sich um Dinge wie den schulischen Werdegang, Kurse und AGs an der Schule, besondere schulische Interessen sowie außerschulische Aktivitäten. Außerdem sollten Angaben über eine eventuelle bisherige Berufsausbildung oder -tätigkeit gegeben werden.
Dieser Bogen lag den beiden Professoren vor, die mich empfingen. Natürlich war ich wahnsinnig aufgeregt. Im Dekanat wurde mir dann mitgeteilt, dass ich in die Augenklinik müsste. Dort angekommen musste ich erstmal 45 Minuten warten, bis meine Vorgängerin fertig war, was meinen Nerven natürlich nicht gerade geholfen hat. Macht euch also auf Wartezeiten gefasst.
Diese Nervosität legte sich jedoch schnell dank eines überaus freundliche n Empfangs und dem Angebot eines Stückchen Lindt-Schokolade. Zu Beginn wurde gefragt, warum ich denn Medizin studieren wollte. Meines Erachtens nach eine Schlüsselfrage. Jeder, so erfuhr ich später, musste diese beantworten. Damit sollte sich also jeder vorher ausführlich auseinandergesetzt haben.
Des Weiteren wurde ich zu meinen Interessenschwerpunkten und, bezogen auf den Fragebogen, zu meinem Lebenslauf befragt. Hier ist es sinnvoll, möglichst viel anzuführen, das irgendwie zum Studium passt. Ich wurde gefragt, warum ich nicht was anderes studieren wollte, z.B. meine LK-Fächer Physik oder Mathematik. Auch zur Politik wurde ich intensiv befragt, da mein Auswahlgespräch einen Tag nach der TV-Debatte Merkel-Steinbrück stattgefunden hatte.
Tipps für das Auswahlgespräch
Wichtig sind neben medizinischem und wissenschaftlichem Interesse auch humanitäres Engagement. Wer noch zur Schule geht und mit dem Gedanken spielt Medizin zu studieren, würde ich naturwissenschaftliche LKs ans Herz legen. Sinnvoll sind sicherlich auch abgeleistete Praktika im Krankenhaus, Ersthelfer-Kurse etc. Mit Auslandsaufenthalten oder einer Teilnahme an Wettbewerben wie "Jugend forscht" kann mit Sicherheit auch gepunktet werden. Was euch von anderen abhebt, kann euch positiv hervorheben.
Hilfreich ist außerdem der Kommission das Gefühl zu geben, dass man Allgemeinbildung besitzt und sich auch für was anderes als Medizin interessiert – bei mir war das zum Beispiel mein politisches Interesse. So merkt die Kommission, ob man auch selber ein Gespräch leiten kann und die Initiative ergreift. Wer Auslandsaufenthalte vorweisen kann, zeigt, dass er sich mit verschiedenen Ländern und deren Probleme auseinandersetzen kann und Toleranz anderen Kulturen gegenüber zeigt.
Alles in allem kam mir das ganze wie ein lockeres Gespräch vor, so nett und interessiert wie sich die beiden Profs sich gaben. Dabei ging es um eine Entscheidung über meine Zukunft! Aber geklappt hat es dann ja zum Glück. Sehr zu empfehlen für diejenigen, die dasselbe vor sich haben ist folgende Website: www.auswahlgespraeche.de
Aber auch dieses Forum hat mir sehr weitergeholfen, da ich dort auch auf höhere Semester gestoßen bin, die mir ein paar Tipps gegeben haben.
Schlüsselfragen
Hier ein paar Schlüsselfragen, über die ihr auf jeden Fall mal nachdenken solltet:
· Warum möchte ich Medizin studieren?
· Wie bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, Medizin studieren zu wollen?
· Habe ich bereits etwas dafür getan (z.B. Praktika) ?
· Wie ist das Studium aufgebaut? (Das wurde in manchen Fällen gefragt)
· Warum will ich gerade in Essen Medizin studieren?
· Was sind die Forschungsschwerpunkte des Universitätklinikums?
· Gesundheitspolitik: Was könnte man noch verbessern? Welche Probleme stehen uns als Ärzten bevor (Stichwort: demographischer Wandel)?
· Für die Mädels unter euch: Kann man einen Mittelweg zwischen Familie und Beruf finden? Was tun die Krankenhäuser für die Kolleginnen, damit sie auch während oder nach einer Schwangerschaft weiter als Ärztin tätig sein können?
· Wie stellt ihr euch den Berufsalltag vor?
· Habt ihr sonst noch Fragen, die ihr den Profs stellen wollt? (Diese Frage könnt ihr aber ruhig mit Nein beantworten)
Macht euch bewusst, dass es keinen festen Gesprächsverlauf gibt. Jeder bestimmt in den meisten Fällen selbst, wie das Gespräch verläuft bzw. auch mit welchem Ergebnis. Bereitet euch deshalb gut auf bestimmte Fragen vor.
Ich hoffe ich konnte euch helfen und vielleicht seid ihr ja in den nächsten Wintersemestern unter den Erstis!