• Interview
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  • Anika Wolf
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  • 10.07.2014

Preis für exzellente Lehre geht nach Gießen

PD Dr. Michael Knipper ist Medizinhistoriker an der Uni Gießen. Gerade ist er mit dem Ars-legendi-Preis für exzellente Lehre in der Hochschulmedizin ausgezeichnet worden. Anika hat sich mit ihm unterhalten: über die Auszeichnung, die aktuelle Lehrsituation der Uni und seine Vorstellungen von guter Lehre.

PD Dr. Michael Knipper - Foto: Justus-Liebig-Universität Gießen

Der Medizinhistoriker PD Dr. Michael Knipper wurde mit dem
Ars-legendi-Preis für exzellente Lehre in der
Hochschulmedizin ausgezeichnet.

 

> Mal ganz von vorne: Wie kommt man überhaupt von der „klassischen“ Humanmedizin zur Medizinhistorik?

Geplant war das nicht. Ich habe Medizin studiert, weil ich Arzt werden wollte. Ich hatte aber auch schon immer Interesse an Geschichte und Ethnologie. Dann habe ich meine Doktorarbeit in Ecuador gemacht. Es ging dabei um indianische Vorstellungen und Konzepte von Krankheit und wie dies mit der Schulmedizin zusammen passt. Ich habe dazu etwa zwei Jahre im Amazonastiefland von Ecuador gelebt, dort als Arzt gearbeitet und eben Forschung für meine Doktorarbeit betrieben. Das hat mich sehr stark in die kulturwissenschaftliche Richtung gebracht. Vorher hatte ich in Deutschland in einer Kinderklinik gearbeitet und  anschließend noch ein Jahr in der Inneren Medizin und Tropenmedizin. Die Klinik hat mir zwar viel Spaß bereitet, aber die kulturwissenschaftlichen und ethnologischen Fragen haben mich am Ende dann doch mehr interessiert. Irgendwann habe ich die Entscheidung getroffen, mich in diese Richtung zu orientieren.

 

> Wie sind Sie dazu gekommen, ausgerechnet in Ecuador zu arbeiten?

Das war ein lang gehegter Traum von mir. Ich war nach dem Abitur für ein halbes Jahr in Bolivien. Danach wollte ich immer nach Südamerika zurück und dachte, die Doktorarbeit biete eine gute Möglichkeit dafür. So konnte ich den Wunsch, etwas in Lateinamerika zu machen und dort ein Land genauer kennenzulernen mit der Doktorarbeit verbinden. Ich habe dabei viel Unterstützung von Prof. Heinz Schott, dem Leiter der Medizingeschichte in Bonn, bekommen, wo ich studiert und später eine Zeit lang gearbeitet habe. Auch mein jetziger Chef, Prof. Volker Roelke, der damals als Assistent nach Bonn kam, hat mich mit seiner ethnologischen Expertise sehr unterstützt. Nachdem Prof. Schott mir die Zusage gegeben hatte, mich zu unterstützen (das muss so im sechsten Semester gewesen sein), habe ich angefangen, mich darum zu kümmern, viel telefoniert, in Deutschland, in Spanien (Oviedo, wo ich ein Jahr ERAMSUS gemacht habe) und so hat sich alles entwickelt.

 

> Sie haben auch mehrere Projekte zur internationalen Gesundheit in der Lehre aufgebaut, zum Beispiel das Schwerpunktcurriculum „Global Health“ oder das Wahlfach „Medizin und Migration“. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?

Mir ist die Lehre grundsätzlich sehr wichtig. Es macht mir sehr viel Freude und ich finde es extrem spannend, mit Studierenden zusammenzuarbeiten und neue Sachen zu entwickeln. Mir ist außerdem wichtig, dass man im Medizinstudium soziale und kulturwissenschaftliche Themen stärker berücksichtigt. Denn es gehört zum Arztsein dazu, dass man mit den persönlichen, sozialen und kulturellen Hintergründen seiner Patienten umzugehen weiß. Als erstes habe ich 2003 mit Unterstützung von Prof. Roelcke und  den internistischen Kollegen Dr. Ahmed Akinci und Dr. Yasar Bilgin zusammen das Wahlfach „Medizin und Migration“ aufgebaut. Es gab damals durch die neue Approbationsordnung, die auch Wahlfächer beinhaltet, gerade die Chance dazu. Um 2011 herum kam die Idee auf, alles, was in Gießen mit internationaler Gesundheit zu tun hat, in einem Schwerpunktcurriculum (SPC) zu bündeln. Gemeinsam mit Prof. Rolf Korte und Prof. Michael Krawinkel, die schon seit Jahren das Wahlfach „Tropenmedizin und Internationale Gesundheit“ anboten, haben wir verschiedene schon bestehende Lehrangebote zum SPC zusammengefügt. Neben den Wahlfächern  waren das zum Beispiel Themenabende und Kinoabende zur „interkulturellen Medizin“, die wir am Institut bereits seit einigen Jahren als neue Lehrformate etabliert hatten. Das Dekanat fand schließlich die Idee des Schwerpunktcurriculums zu „Global Health“ gut und hat uns sofort sehr unterstützt. Also haben wir angefangen. Wir haben die Gelegenheit genutzt und wurden durch die große Nachfrage der Studierenden und deren positives Feedback bestärkt. Viele Studierende engagieren sich sehr stark in dem Schwerpunktcurriculum und helfen mit, es weiterzuentwickeln. Die Studierenden bringen sehr viele Ideen und Engagement mit ein.

 

> In der Pressemitteilung steht, Sie haben den Preis bekommen, weil Sie die Jury mit Ihrer „innovativen und neuen Orientierung des Arztbildes“ überzeugt haben. Was muss man sich darunter vorstellen?

Das müssten wir eigentlich die Jury fragen! Was ich daran auf jeden Fall schön finde ist, dass es honoriert wird, dass in der heutigen Lehre ein Arztbild vermittelt werden soll, welches nicht rein naturwissenschaftlich orientiert ist. Es geht eben nicht nur darum, dass man Krankheiten lernt, sondern auch den Umgang mit Patienten. Es ist genauso wichtig für einen Arzt, kulturelle, soziale und historische Perspektiven zu erfassen. Vielleicht fand die Jury auch interessant, dass ich die internationale Dimension sehr stark berücksichtige. Globalisierung, internationale Zusammenarbeit, Internationalisierung - das sind alles Stichworte, die zum Alltag gehören. Aber was heißt das genau? Außer, dass man auch mal im Ausland ist oder international arbeitet? Das bleibt oft unklar. Da haben wir jetzt mit dem Schwerpunktcurriculum ein Angebot, um ein bisschen genauer hineinzuschauen.

Aber „neu“ ist das alles eigentlich nicht. Ich habe oft das Gefühl, wir diskutieren gerade Sachen, die zum Beispiel in den 1920er Jahren schon sehr intensiv und differenziert besprochen wurden. Das Verhältnis zwischen naturwissenschaftlichen und sozialen Aspekten von Medizin und ärztlichem Handeln zum Beispiel. Oder die Bedeutung dieser Aspekte im Medizinstudium und für die Sozialisation in den ärztlichen Beruf. Das sind alles keine neuen Themen. Nur haben wir heute 90 Jahre mehr Erfahrung und darum lohnt es sich, die Geschichte der letzten 100 Jahre noch einmal kritisch anzuschauen. Genau das interessiert mich selbst sehr und ich merke, dass es auch die Studierenden interessiert. Nicht nur das Aktuelle zu betrachten, sondern es in größere Zusammenhänge zu stellen. Zu schauen, welche Ideen es früher schon gab und warum sich viele nicht durchsetzen konnten. Das ist auch für mich eine wichtige Frage. Warum wurden zum Beispiel Konzepte, die sich mit diesem breiteren Denken in der Medizin befasst haben, nie zum Mainstream? Sondern warum ist der Mainstream immer der, der sich fast ausschließlich an den Grundlagen wie Naturwissenschaften und Laborforschung orientiert? Sind soziale Aspekte, Empathie, die Arzt-Patient-Beziehung oder Kommunikation wirklich nur die „Sahnehäubchen“ der Medizin, die man im Zweifel auch weglassen kann? Oder warum schaffen wir es nicht, Zugang zur Gesundheitsversorgung „für alle“ herzustellen, auch in armen Ländern des Südens, auch für Flüchtlinge und Papierlose in Deutschland? Warum schaffen wir es nicht, die enormen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Hindernisse für eine gerechte Gesundheitsversorgung weltweit aus dem Weg zu räumen? Die naturwissenschaftlichen Grundlagen und technischen Aspekte der Medizin sind natürlich extrem wichtig, aber sie reichen eben nicht aus. Es gibt einen Spruch aus den Zwanzigerjahren von dem Chirurgen Ferdinand Sauerbruch, der es gut  auf den Punkt bringt. Er sagt sinngemäß: Naturwissenschaften können Krankheiten erfassen, aber nicht den kranken Menschen. Und das ist das Grundproblem. Um den kranken Menschen zu begreifen, müssen wir ihn als Menschen sehen. Und da gehört eben mehr zu, als nur der Körper. Um zu begreifen, warum Menschen krank werden und wie das verfügbare medizinische Wissen, die Medikamente und Techniken die wir haben, zu den Menschen kommen und ihnen helfen kann, müssen wir uns auch mit den relevanten sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Aspekten befassen. Und die Gegenwart begreifen wir nur, wenn wir auch die Geschichte berücksichtigen. Es freut mich außerordentlich, dass die Jury das gut fand. Ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass solche Ansätze zwar immer gerne gelobt werden, aber so richtig ernst genommen werden sie nicht.  Geld fließt meistens in andere Projekte. Weil „richtige“ Medizin  eben das ist, was in Labor und Operationssaal stattfindet. Und jetzt hat die Jury etwas anderes gesagt. Das freut mich natürlich.

       

> Wie sind Sie mit der aktuellen medizinischen Lehre und Ausbildung an der Uni Gießen zufrieden? Was bewerten Sie als besonders gut oder schlecht?

Dieser Preis wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht so ein offenes und konstruktives Klima am Fachbereich hätten. Besonders auch im Studiendekanat sind alle sehr, sehr offen für Innovationen und neue Projekte. Alle unterstützen einen und helfen, wo sie können. Sie stellen gute Fragen, um einen weiter zu bringen. Dort habe ich immer enormen Rückenwind erfahren. Das ist an anderen Unis, glaube ich, nicht ganz so. Außerdem erlebe ich die Gießener Studierenden als sehr offen und kreativ. Kollegen von anderen Unis können sich oft gar nicht vorstellen, dass man mit Studierenden so kreativ arbeiten kann, wie das für mich normal ist. Sie staunen immer darüber, was wir hier auf die Beine stellen. Und dazu arbeiten wir alle zusammen: Dozenten, Studierende und das Studiendekanat.

Schwierig ist natürlich die finanzielle Situation des Fachbereichs. Man kann gute Ideen haben, schafft es aber aufgrund der finanziellen Lage nicht, sie umzusetzen. Der aktuelle Sparzwang mit der erst vor kurzem aufgehobenen Haushaltssperre ist schon sehr demotivierend. An anderen deutschen Unis kann zum Beispiel für ein Wahlfach schon eine halbe Wissenschaftlerstelle eingerichtet werden. Wir machen hier ein komplettes Schwerpunktcurriculum sozusagen in der Freizeit. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht irgendwann größere Probleme bekommen.  Solche aufwändigen Programme kann man nicht auf Dauer nebenher machen.

       

> Studenten scheinen sich also durchaus zu engagieren für Fächer, die Ihnen wichtig sind. Aber  zum Beispiel die Vorlesungen sind oft relativ schlecht besucht. Was glauben Sie, woran das liegt?

Ich beobachte auch, dass manche Vorlesungen schlecht besucht sind. Wenn man eine Vorlesung hält, muss man sich natürlich fragen, ob die Qualität so ist, dass es sich für die Studierenden lohnt zu kommen. Die erste Frage geht also immer an einen selbst als Dozent. Es ist aber an jeder Uni so, dass es eine Gruppe von engagierten und motivierten Studierenden gibt. Andere machen nur das, was unbedingt nötig ist und interessieren sich nur für das, was möglicherweise prüfungsrelevant ist. Aber ich glaube, es gibt hier in Gießen eine große Gruppe von interessierten Leuten, die zu den Vorlesungen kommen. Sie denken auch mit und stellen gute Fragen. Das macht dann schon sehr viel Freude.

 

> Denken Sie, dass es sinnvoll und möglich ist, die Wünsche der Studenten noch besser in die Lehre zu integrieren?

Natürlich! Im Schwerpunktcurriculum gibt es zum Beispiel ein sehr großes Engagement der Studierenden. Wir haben extra einen Studentischen Beirat als Bindeglied zwischen Dozenten und Studierenden eingerichtet. Er hilft mit, Evaluationen auszuwerten und Studierende bringen ihre eigenen Gedanken mit ein. Die Studierenden stehen mit mir auch in einem regelmäßigen und direkten Austausch. Das finde ich sehr gut.

Andererseits kann man als Dozent den Studierenden aber auch nicht einfach alle Wünsche erfüllen. Man hat Lernziele, die man laut Approbationsordnung vermitteln soll oder die sich zum Beispiel aus der entsprechenden wissenschaftlichen Literatur ergeben. Es geht ja nicht nur darum, die Leute zu unterhalten. Aber natürlich muss man die Anliegen der Studierenden sehr ernst nehmen. Bei den Evaluationen würde ich mir allerdings auch wünschen, dass sie von studentischer Seite etwas ernsthafter gemacht würden. Manchmal werden auch offensichtlich unüberlegte, flapsige oder unrealistische Einschätzungen gegeben und das ärgert einen dann schon etwas. Die Kritik der Studenten ist sehr willkommen, sollte aber konstruktiv sein. Außerdem kann jeder Studierende schauen, was er selbst beitragen und verbessern kann.

Als Dozent lernt man außerdem, dass man es sowieso nicht immer allen recht machen kann. Man muss aber begründen und möglichst transparent darlegen, warum eine Entscheidung so getroffen wurde und nicht anders, warum eine Lehrveranstaltung so und nicht anders organisiert wird oder werden kann. Wenn Studierende es gerne anders hätten, dürfen sie natürlich ihre Kompetenzen und Vorschläge einbringen. Denn die Experten für studentisches Leben und studentische Arbeitsmöglichkeiten sind nun einmal die Studierenden. Deshalb ist es gut, wenn sie sich einbringen und zum Beispiel sagen: „In der Zeit können wir nichts machen, da haben wir Prüfungen. Können wir das auf einen anderen Zeitpunkt legen?“ Es ist super, wenn das von den Studierenden kommt, denn das kann ich ja nicht wissen.

 

> Man hat bei den Evaluationen als Student häufig das Gefühl, dass sich sowieso nichts verändert. Es werden seit Jahren immer wieder die gleichen Fächer schlecht bewertet und trotzdem tut sich dort nichts.

Dann muss man in diesen Fächern gezielt auf die Verantwortlichen zugehen. Es ist im Endeffekt eine Frage der Kommunikation und dabei müssen beide mitarbeiten. Wenn einer blockiert und Anregungen überhaupt nicht aufnimmt, dann muss man vielleicht auch etwas energischer nachfragen. Bei uns im Institut wird das sehr ernst genommen, wir schauen uns die Evaluationen sehr genau an. Oft sind allerdings die Beteiligungsraten der Studierenden bei den Evaluationen nicht so gut. Vielleicht auch aus dem Grund, dass man das Gefühl hat, es ändere sich nichts. Aber nur, wenn sich sehr viele Studenten an der Evaluation beteiligen, hat zum Beispiel die Fachschaft auch wirklich Argumente gegenüber dem Dekanat und den einzelnen Kliniken. Letztlich ist alles eine Frage des Engagements und der Kommunikation zwischen Dozenten und Studierenden. Am besten wäre natürlich ein kontinuierlicher Kommunikationsprozess. Den haben wir, glaube ich, im Schwerpunktcurriculum und im Institut für Geschichte der Medizin ganz gut erreicht, ohne dass wir uns nur nach studentischen Interessen richten würden oder können.

> Die Besonderheit im Medizinstudium ist, dass Patientenversorgung und Lehre unter einen Hut gebracht werden müssen. Als Student hat man das Gefühl, dass dabei oft die Lehre hinten ansteht. So kommt es vor, dass während Vorlesungen ständig das Telefon des Dozenten klingelt oder das Vorlesungen oder Seminare ausfallen, weil sie niemand halten kann. Was sagen Sie dazu?

Ich kann das natürlich nur von außen betrachten, da ich selbst nicht mehr in der Klinik tätig bin. Aber wenn man als Arzt in einer Uniklinik tätig ist, Patienten hat und damit auch Verantwortung für Patienten, dann ist das natürlich immer die Priorität. So wird das auch jeder Studierende sehen. Andererseits ist die Lehre auch sehr, sehr wichtig. Es ist meiner Meinung nach die Verantwortung der Klinikleiter und Professoren, dafür zu sorgen, dass die Lehre gut organisiert wird. Es sollte selbstverständlich sein, dass die Dozenten freigestellt werden und den Raum und die Zeit haben, sich auf die Lehre zu konzentrieren. Wenn man aber mit Kollegen spricht, die sich für die Lehre interessieren, hat man manchmal den Eindruck, dass das in manchen Kliniken und Instituten nicht besonders hoch angesehen wird. Das scheint oft das schwächste Glied in der Kette zu sein.

Sie haben als Studierende aber ein Recht darauf, gut ausgebildet zu werden. Und auch für die Kliniken ist es wichtig, gut ausgebildetes Personal zu bekommen. Man könnte die Sache ja auch positiv sehen: durch gute Lehre können die Kliniken Nachwuchs werben. Studierende merken, „in dieser Klinik findet Ausbildung statt, dann findet dort wahrscheinlich auch Weiterbildung statt. Dort sind Ärzte, die zufrieden sind und Zeit für Lehre haben“. Dort bewirbt man sich doch auch gerne, oder? Solche Kliniken werden sicher kein Problem haben, Assistenzärzte zu finden und ihre Stellen zu besetzen. Die Kliniken schneiden sich also ins eigene Fleisch, wenn sie schon in der studentischen Lehre zeigen, dass die Ausbildung möglicherweise nicht den Stellenwert hat, den sie haben müsste. Aber grundsätzlich gilt: sie haben als Studierende das Recht auf eine Ausbildung. Da sollten sie auch schon mal energisch nachfragen und dokumentieren, was nicht funktioniert, um ihrem Recht Geltung zu verschaffen.

> Glauben Sie, dass die Lehrenden gut genug für die Lehre ausgebildet werden?

Ich denke, dass sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass man für gute Lehre auch didaktisch gut ausgebildet sein muss. Dass Kompetenz für die Lehre keine natürliche Begabung ist, sondern etwas, das auch gelernt werden kann. Das wird in unserem Fachbereich, wie überall in Deutschland, sehr unterschiedlich gehandhabt. Es gibt einige Kliniken und Institute, die sich sehr dafür interessieren und engagieren, andere weniger. Ich denke, dass da sicher noch mehr unternommen werden kann. Es sollte nicht dem Zufall überlassen werden, ob gute Lehre stattfindet. Man kann etwas dafür tun, indem man eine gute Ausbildung und gute Arbeitsbedingungen für das in der Lehre engagierte Personal schafft. Und das ist die Verantwortung der Instituts- und Klinikleiter.

Bei uns in Gießen tut sich da erfreulicherweise einiges, was auch bei dem Festakt in Frankfurt sichtbar war: Neben dem Ars-legendi-Preis wurden auch die Abschlusszertifikate des international sehr angesehenen Masterstudiengangs „Master of Medical Education“ verliehen und einer der wenigen erfolgreichen Absolventen war Dr. Alin Schaumberg aus der Gießener Anästhesie. Gießen war damit die einzige Uni, die bei diesem Festakt zwei Mal vertreten war.

 

> Wir haben nun schon ein paar Mal über das Thema „gute Lehre“ gesprochen. Was macht für Sie eine gute Lehre aus?

Wichtig ist natürlich, dass man die Fachkompetenz für den Bereich hat. Man muss wissen, was man lehren möchte und was die Lernziele sind. Nachdem man das für sich selbst geklärt hat, natürlich entsprechend der Approbations- und Studienordnung, gilt es, sich zu überlegen, wie sich das am besten erreichen lässt. So, dass inhaltlich die richtigen Dinge und Kompetenzen vermittelt werden. So, dass die Studierenden es nicht einfach nur nett finden und gut unterhalten werden, sondern auch die Lernziele erreicht werden. Dazu muss man sich ein didaktisches Konzept überlegen, welches am besten verschiedene Elemente integriert. Ich finde wichtig, dass auch Studierende die Möglichkeit haben, sich zu artikulieren, zu diskutieren, Sachen durchzusprechen und nicht nur alles auswendig zu lernen. Gerade in einem Fach wie Geschichte und Ethik ist es enorm wichtig, dass Studierende ins Nachdenken und Diskutieren kommen. Dass sie gemeinsam beginnen, kritische Fragen zu stellen und Dinge von vielen Seiten zu beleuchten und zu reflektieren. Auch moderne Technik wie zum Beispiel Videos oder eLearning sind natürlich hilfreich. Aber auch hier gilt, genau wie für den Einsatz von Technik in medizinischer Diagnostik und Therapie: Technik ist kein Selbstzweck, wichtiger sind gute und klare Ideen, Konzepte und Kompetenzen.

> Was sind Ihre persönlichen Zukunftspläne für die Lehre?

Mein Traum ist, ein interdisziplinäres Lehrprojekt aufzubauen mit Kollegen aus den Fachbereichen Rechtswissenschaften, Kulturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Germanistik. Es soll die Themen Global Health, Medizingeschichte, Ethnologie und Menschenrechte beinhalten. Toll wäre ein Masterstudiengang in Global Health.

Insgesamt schwebt mir ein abgestuftes Angebot zu interkulturellen und internationalen Aspekten der Medizin  für alle Studierenden vor, welches je nach Interesse belegt werden kann. Zum einen ein allgemeines Projekt, das neben dem üblichen Angebot in Geschichte und Ethik auch interkulturelle Kompetenz für alle Studierenden beinhaltet. Außerdem ein Angebot für alle Studierenden zur Vor- und Nachbereitung von studienbezogenen Auslandsaufenthalten. Dann etwas für Leute mit besonderem Interesse an Themen der internationalen Medizin wie zum Beispiel das Schwerpunktcurriculum, wo viele Themen vertieft werden können. Und darüber dann einen Masterstudiengang für Absolventen verschiedener Fachrichtungen, die wissenschaftlich arbeiten und/oder eine berufliche Perspektive in diesem Bereich entwickeln möchten.
und Wahlpflichtbereich) mit interdisziplinären Angeboten wie einem Masterstudiengang und eventuell einem Promotionsprogramm kombiniert. 

Wir haben inzwischen viel Erfahrung in Gießen, die man  bündeln könnte: Kinoabende, Literaturprojekte, wir haben versucht, Studierende mit künstlerischen Methoden zur Reflexion über Medizin und das Arztwerden anzuregen. Das Studiendekanat würde sich auch über ein größeres Projekt freuen und unterstützt unsere Ideen, aber wir brauchen einfach die Mittel dazu. Einfach so lässt sich das neben der kompletten Pflichtlehre nicht halten. Außerdem würde ich selbst gerne wieder mehr wissenschaftlich arbeiten. Aber das braucht Zeit. Genauso wie die Doktorandenbetreuung, das geht auch nicht nebenher. Das sind meine Idealvorstellungen. Mal sehen, was sich in den nächsten Jahren entwickelt.

 

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