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  • Roxana Schuh
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  • 02.08.2018

1200 Jahre Hallenser Geschichte

Woher hat die Stadt ihren Namen? Was für eine Geschichte steckt hinter diesem oder jenem Haus? Ein Stadtrundgang führt dich durch die Geschichte der Stadt Halle und erzählt von Gebäuden, Gründervätern, Söhnen und Töchtern der Stadt.

Burg Giebichenstein. © Roxana Schuh

Seit dem ersten schriftlichen Zeugnis zur Existenz der Stadt Halle im Jahre 806 ist viel Wasser die Saale hinunter geflossen. Im Mittelalter wurden hier weißes Gold gewonnen und Burgen gebaut, zu DDR-Zeiten wurde ein wichtiger Industriestandort errichtet. Wir starten unsere Tour am Franckeplatz, wo uns unter der Hochstraße hindurch auf der anderen Seite hinter einer Rasenfläche eine Ansammlung weißer Gebäude erwartet.

Die Bewerbung zur Aufnahme ins UNESCO-Weltkulturerbe wurde leider abgewiesen, dennoch sind die Gebäude der Franckeschen Stiftungen und die dahinterstehende Geschichte einen Blick wert. August Hermann Francke ging nach seiner Vertreibung aus Erfurt nach Halle. Dort arbeitete er als Lehrer und im Pastorat der St. Georgenkirche zu Glaucha. Bei seiner Arbeit wird er mit der Armut und deren Folgen für das Leben der Menschen konfrontiert, woraufhin er 1695 mit dem Aufbau seines Stiftungswerkes beginnt und damit den Grundstein für die sozial-humanistische Bildung in Deutschland legt. 

Die Stiftungen beherbergen ein Waisenhaus, Schule, Bibliothek, Naturaliensammlung und weitere gemeinnützige Einrichtungen, die heute als Museum und Ausstellungsräume zu besichtigen sind. Im 18.Jahrhundert wurde hier eine Zeit lang sogar Seide produziert. Dafür wurde ein Plantage von Maulbeerbäumen aus der Lombardei angelegt, die eine Produktion von 50 kg pro Jahr ermöglichte.Von den Stiftungen windet sich die Rannische Straße am Alten Markt zwischen den Häusern hindurch zum Marktplatz. Die verwinkelten Straßenzüge der Altstadt sind auf das Mittelalter zurückzuführen, wodurch man sich eine bessere Verteidigung gegen feindliche Truppen erhoffte.

Von seinem Podest aus lässt Georg Friedrich Händel seinen Blick auf dem Markt ruhen. Der berühmteste Sohn der Stadt wurde am 23.02.1685 gleich in der Nähe des Marktplatzes im heutigen Händelhaus geboren. Der deutsch-englische Komponist des Barocks gilt als einer der einflussreichsten Musiker überhaupt. Sein Werk umfasst 46 Opern und 25 Oratorien, darunter der „Messias“ oder die Oper „Rinaldo“ und wird seit mehr als 250 Jahren ununterbrochen aufgeführt. Händel reiste viel, darunter nach Italien, wo er als „Il Sassone“ (der Sachse) bekannt war, bevor er seine zweite Heimat in London fand. Dort verstarb er, erblindet, aber in der Woche vor seinem Tod noch Orgel spielend und komponierend, am 14.04.1759. Zu den jährlich stattfindenden Händel-Festspielen in Halle kommen Besucher aus aller Welt.

Gegenüber von Händel steht der Rote Turm, gebaut von 1418 bis 1506 und der einzige freistehende Glockenturm Deutschlands. Das Glockenspiel ist das zweitgrößte der Welt, und sein Spiel wurde aus Händels „Messias“ entlehnt. Übrigens, im Big Ben in London erklingt die gleiche Melodie. Hinter dem Roten Turm wachsen noch vier weitere Türme in den Himmel, die der Marktkirche „Unser Lieben Frau“. Gemeinsam bilden sie ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt. Für Lyonel Feininger waren sie Inspiration: Er verewigte die Türme in vielen expressionistischen Werken, von denen einige auch im Kunstmuseum der Moritzburg zu sehen sind.

Vom Markt führen Treppen hinunter zum Hallmarkt, der erste Produktionsort zur Salzgewinnung in Halle und dabei gleichzeitig der Geburtsort des Stadtnamens: Halla bedeutet „Ort der Salzgewinnung“. Damit wurde die Stadt im Mittelalter zum wichtigen Handelsort. Die Gewinnung von Salz aus der Sole, also dem Salzwasser, wurde schon seit der Jungsteinzeit mithilfe der „Briquetage“-Technik betrieben. Dazu stellte man eine aus Ton gefertigte Pfanne zwischen zwei zylindrische Sockel. Die Pfanne wurde mit der Sole befüllt. Darunter zündete man ein Feuer an und musste nur noch warten, bis das Wasser ganz verdunstet war. Das nun kristallisierte Salz wurde in genormten Bechern transportiert und gehandelt, die so auch als Währung dienten. 

Weitere Informationen bietet das Salinemuseum, in dem immer noch produziert wird: „Hallore-Siedesalz – rein – bekömmlich – leicht löslich“, wie ein Werbespruch aus den 70er Jahren tönt, kann im Museum oder Tourismusshop erworben werden. Durch die Salzgewinnung gelangten die Produzenten und Händler zu Reichtum und Macht und es bildete sich eine starke Pfänneraristokratie. Mithilfe ihres Reichtums konnten sie sich Privilegien von dem Landesherrn, dem Erzbischof von Magdeburg, erkaufen, und so für Halle 1263 politische Autonomie erreichen.

Aus den anderen Handwerksinnungen bildete sich im 15. Jahrhundert eine Opposition, die nach einer Stimme in dem von den Pfännern beherrschten Rat strebte. Als ihnen diese verwehrt blieb, verbündeten sie sich mit dem Landesherrn, dessen Truppen sie 1479 die Stadttore öffneten. Der erst 14-jährige Erzbischof Ernst von Wettin zog in die Stadt ein. Die Regimentsordnung des Calber Landtags besiegelte dann das Schicksal der Stadt: „… sondern Verzug bei oder in Halle ein festes Schloss zu erbauen, um die Stadt besser in Gehorsam, Unterwürfigkeit und Ruhe zu erhalten.“

1484 wurde damit der Grundstein der Moritzburg gelegt. Der Bau dauerte bis 1503, und diente dann für viele Jahre den Magdeburger Erzbischöfen als Sitz. Im Jahr 1904 zieht das Kunstmuseum „Stiftung Moritzburg“ ein und in den 1970er Jahren wird der Club „Turm“ in dem ausgebauten Turm der Nordostseite eingeweiht.

Ein Stück flussabwärts steht auf einem Felsen die älteste Burg an der Saale: Burg Giebichenstein, errichtet im Jahre 926. Auch sie diente einige Jahrhunderte als Sitz der Magdeburger Erzbischöfe, bis sie im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden niedergebrannt wurde. Eine alte Sage erzählt die Geschichte von Ludwig, der demnach den Beinamen „der Springer“ erhielt. Als Landgraf von Thüringen verliebte er sich unsterblich in Adelheid, die Gemahlin des Pfalzgrafen Friedrich von Sachsen. Ludwig versteckte sich im Wald und tötete den Pfalzgrafen auf einem Jagdzug. Danach umwarb und heiratete er Adelheid.

 Doch sein Geheimnis kam ans Licht und die Verwandten des Pfalzgrafen verlangten Genugtuung, und Kaiser Heinrich der IV. setzte Ludwig auf dem Giebichenstein gefangen. Nach drei Jahren sollte er schließlich hingerichtet werden. Da fasste sich Ludwig ein Herz und befreite sich aus der Gefangenschaft durch einen kühnen Sprung vom Burgturm in die Saale. Später wurde er allerdings wieder eingefangen.
Letztlich gelangte er jedoch in Freiheit und sühnte seine Tat durch fromme Stiftungen wie die Gründung des Klosters Reinhardsbrunn. Heute ist in der Burg immer noch ein großer Teil des Fachbereichs Kunst der Kunsthochschule „Burg Giebichenstein“ untergebracht.

Wir beschließen unsere Tour mit einem Blick von den Klausbergen. Im Tal fließt die Saale, darüber thront die Burg Giebichenstein. Doch ich lasse lieber Joseph Freiherr von Eichendorff erzählen:

„Da steht eine Burg überm Tale
Und schaut in den Strom hinein,
Das ist die fröhliche Saale
Das ist der Giebichenstein.
Da hab ich so oft gestanden,
Es blühten Täler und Höhn,
Und seitdem in allen Landen
Sah ich nimmer die Welt so schön!“

Was Eichendorff nicht mehr zu sehen bekam, sind die Plattenbauten und Schlote, die sich jetzt hinter der Saale und am Horizont erheben. Am 2.Juli 1945 übernimmt die Sowjetische Kommandatur die Macht in der Stadt. Durch den Ausbau der Chemiewerke Buna und Leuna ziehen immer mehr Arbeiter in die Umgebung, sodass sich die Führung der DDR zum Bau der Chemiearbeiterstadt Halle-West, der späteren Halle-Neustadt entschließt. Um das Gebiet westlich der Saale baulich nutzen zu können, muss der Wasserspiegel mithilfe von 47 Pumpen herabgesetzt werden, die bis heute im Einsatz sind.

Seit Beginn der Arbeiten 1964 ist viel geschaffen worden. So lebten bis 1970, also sechs Jahre nach Baubeginn, bereits 39.000 Menschen in den Plattenbauten, es wurden 13.600 Wohnungen gebaut, 7.500 Plätze in Ober- und Berufsschulen, 2.792 Kindergarten- und 1.322 Kinderkrippenplätze bereit gestellt. 1990 schließlich wurden die beiden Städte zusammengelegt und Halle damit zur viertgrößten Stadt der neuen Bundesländer.

Heute ist Halle mit 236.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt der neuen Bundesländer, in direkter Nachbarschaft zu Leipzig und Teil der Metropolregion Mitteldeutschland. Und vor allem Heimat für mehr als 20.000 Studenten und Studentinnen der MLU und der Kunsthochschule Burg Giebichenstein.

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