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- Anne Schneider
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- 08.07.2016
Eine spannende Reise durch die Geschichte der Medizin
Lokalredakteurin Anne hat das Medizinhistorische Museum an ihrer Uni genauer unter die Lupe genommen. Folge ihr hier auf eine Reise in die Vergangenheit der Medizin.
Das Medizinstudium ansich ist ja schon ziemlich lernintensiv. Verständlich also, dass es für den ein oder anderen komisch klingen mag, seine spärliche Freizeit freiwillig in einem Museum zu verbringen. Zugegeben, für mich tat es das auch. Wenn ich mich für einen Museumsbesuch entscheide, dann eher im Urlaub und meist in einer fremden Stadt – nicht an einem Wochenende auf dem Campus meiner Uni, wo ich ohnehin schon die meiste Zeit verbringe.
Außerdem mag ich Museen, in denen es Ausstellungsstücke zum Ansehen, Anhören und Anfassen gibt und nicht nur Informationen, die in kleinen Buchstaben auf großen Tafeln stehen. Und siehe da: Im Medizinhistorischen Museum wurde ich fündig.
Fahrradergometer aus dem Jahr 1962
Es ist ein warmer Sommertag, an dem ich die kühle Empfangshalle im alten, eindrucksvollen Gebäude N30 betrete. Sofort werde ich freundlich empfangen und mir wird erklärt, dass ich am besten mit den sieben thematisch sortierten Ausstellungsräumen beginne. Als ich im Flur stehe, bin ich zunächst etwas ernüchtert. Hier soll ich also gleich etwas Interessantes entdecken? Dennoch gehe ich weiter in den ersten Raum, der mich wider Erwarten sofort fesselt.
Genau passend zu meiner Situation finde ich ein Zimmer über die Geschichte des Medizinstudiums vor. Ehrlich gesagt lese ich mir hier nicht jeden einzelnen Text durch. Trotzdem fasziniert mich z.B., dass früher menschliche Knochen für den Studentenunterricht verwendet wurden. Und zwar nicht im Präpariersaal, sondern generell! Heute ist das kaum mehr vorstellbar. Interessant finde ich auch eine Darstellung, die zeigt, wie stark der Anteil an Studentinnen und Ärztinnen gestiegen ist.
Neugeboreneninkubator
Der nächste Raum ist voll mit Technik: Licht- und Elektronenmikroskope und Färbemittel sind ausgestellt und mit Erklärungen untermauert. Für mich persönlich nicht das Highlight meines Besuches, aber auch recht interessant. Staunen lässt mich das nächste Zimmer. Hier dreht sich zwar auch alles um medizinische Technik, aber viel praxisorientierter.
Beispielsweise sieht man einen Neugeborenen-Inkubator, ein Gerät zur Elektroenzephalografie (EEG) und einen Röntgenapparat, mit dem bis in die 70-er Jahre Kunden in Schuhgeschäften ihre Füße „durchleuchten“ lassen konnten, um an sie angepasste Schuhe zu finden. Heutzutage wäre das undenkbar - angesichts der unnötigen und schädlichen Strahlenbelastung.
Röntgengerät zur „Durchleuchtung“ der Füße
Als Nächstes schaue ich mir anhand von Wachsmodellen dargestellte Hautkrankheiten an, die durch Syphilis verursacht werden können. Die Bilder sind teilweise erschreckend und zeigen, wie vor ungefähr 200 Jahren mit der Krankheit umgegangen wurde und wie man aufgeklärt und therapiert hat.
Besonders bewegend für mich ist einer der nächsten Räume, in dem die vermeintliche Euthanasie, sprich die „Sterbehilfe“ im Nationalsozialismus, thematisiert wird. Es ist furchtbar, wie viele Morde unter medizinischem Vorwand an jüdischen Kindern begangen wurden. Ein im Museum beschriebenes Einzelschicksal einer Familie verdeutlicht, wie grauenvoll und dennoch selbstverständlich die sogenannte „Rassenhygiene“ war.
Nach weiteren eindrucksvollen Räumen gehe ich ein Stockwerk höher, wo mich die Sonderausstellung „Verschluckt“ erwartet. Hier sind unter anderem zahlreiche Gegenstände ausgestellt, die über 80 Jahre hinweg von Kindern verschluckt und am UKE wieder entfernt wurden. Von Perlen über Spielzeug bis hin zu Schlüsseln ist einiges dabei.
Verschlucktes Spielzeug
Zusätzlich ist seit 2010 der frühere Sektionssaal des UKE für Museumsbesucher geöffnet. Vor der Restaurierung wurden dort auf acht steinernen Sektionstischen Leichen untersucht. Im Nebenraum ist außerdem ein ehemaliger Hörsaal. Heute dient der lichtdurchflutete Saal sogar von Zeit zu Zeit als Drehort für Filme.
Früherer Sektionssaal des UKE
Ich kann nur jedem empfehlen, an einem freien Wochenende vier Euro und eine Stunde Zeit zu investieren, um in die Geschichte der Medizin einzutauchen. Dadurch, dass die Informationen vielseitig präsentiert und mit Fotos und Gegenständen veranschaulicht werden, hatte ich nicht das Gefühl, klassisch zu „pauken“, sondern habe viel mehr einige wertvolle Eindrücke auffangen können.
alle Bilder: © Anne Schneider