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- Vanessa Napierski
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- 10.04.2014
Die Geschichte der Herztransplantation
Das Herz ist unser wichtigstes Organ. Dieses auszutauschen ist riskant, aber für manche lebensrettend. Über die spannende Geschichte und die Anfänge der Herztransplantation.
Universitätsklinikum Hamburg. "Wenn Sie das zum ersten Mal machen, werden sie sich ja auch besondere Mühe geben". Mit diesem Satz kommentierte die Patientin 1984 den Vorschlag, ihr ein fremdes Herz einzupflanzen. Obwohl die Ärzte noch nie zuvor ein Herz transplantiert hatten.
Am 10. Februar 1984 war es soweit: Unter der Leitung von Prof. Niels Bleese wurde die erste Herztransplantation am Hamburger Universitätsklinikum durchgeführt. Die Eppendorfer entschieden sich als dritte Klinik in Deutschland für die riskante Operation; nach dem Deutschen Herzzentrum in München und der Medizinischen Hochschule Hannover. Der Eingriff ging als Meilenstein in die Geschichte des UKE ein. Für die Patientin indes war die Operation lebensrettend. Die 51-Jährige stand nach einem schweren Herzinfarkt seit sechs Monaten auf der Warteliste für ein Spenderorgan.
Wie alles began
Die Erfolgsgeschichte der Herztransplantation beginnt vor fast 50 Jahren. Die Ärzte waren lange davor zurückgeschreckt, ein geschädigtes Herz durch das Organ eines verstorbenen Spenders zu ersetzen. Moralisch-ethische Bedenken und fehlende juristische Regelungen waren die Gründe.
Die erste Herztransplantation wurde im Jahr 1967 in Kapstadt durchgeführt. Sie ging als Sensation in die Geschichte ein. Am OP-Tisch stand der Südafrikaner Christiaan Barnard, der bis heute als Begründer der Herztransplantation gilt. Doch seine Premiere war alles andere als ein Erfolg. Der Patient überlebte zwar die Operation, starb aber nur 18 Tage später an einer Lungenentzündung.
In Deutschland hießen die Pioniere der Herzchirurgie Zenker und Sebening. Sie führten die Operation im Jahr 1968 am Deutschen Herzzentrum in München durch. Viele Kollegen folgten ihrem Beispiel. Doch die meisten Patienten verstarben innerhalb weniger Wochen; entweder an einer Transplantatabstoßung oder an schweren Infektionen.
Die Hamburger Patientin hatte Glück. Die Operation war erfolgreich. Nach dem Eingriff erholte sich die dreifache Mutter so schnell, dass es fast an ein medizinisches Wunder grenzte. Die gefürchtete Transplantatabstoßung trat bei ihr nicht auf.
Die Problematik
Trotz aller medizinischen Fortschritte ist es bis heute nicht gelungen, das körpereigene Immunsystem vollständig „zu überlisten“. Nach einer Transplantation muss der Empfänger lebenslang Medikamente einnehmen, die eine Abstoßungsreaktion des Körpers gegen das fremde Gewebe verhindern.
Vor 50 Jahren gab es kaum geeignete Medikamente, die eine Transplantatabstoßung verhindern konnten. Versuche, das Immunsystem mit Steroiden und Azathioprin „in Schach“ zu halten, schlugen meist fehl. Erst mit der Entdeckung des Immunsuppressivums Cyclosporin A im Jahr 1981 wurde es möglich, die Abstoßungsgefahr ohne ein inakzeptabel hohes Infektionsrisiko zu behandeln.Barnard erntete deshalb damals dementsprechend viel Kritik für seinen riskanten Eingriff.
Seine Operation am Groote Schuur Hospital machte zwar Schlagzeilen, der eigentliche Ruhm gebührte aber dem Amerikaner Norman Shumway. Seine Forschungsarbeiten hatten die Entwicklung der Herztransplantation wesentlich vorangebracht. Shumway war es auch, der die erste erfolgreiche Herztransplantation durchführte. Nur wenige Wochen nach Barnards Pioniertat.
Der Hamburger Chirurg Niels Bleese konnte während eines Forschungssemesters in Stanford von Shumways Erfahrung profitieren. In Hamburg arbeitete er weiter an der Transplantationstechnik und konnte den Eingriff 1984 erfolgreich durchführen.
Transplantation heute
Mittlerweile gehört die Herztransplantation zu den Standard-Operationsverfahren in der Herzchirurgie. Der technische Aspekt des Eingriffs ist – verglichen mit anderen Operationsverfahren – eher einfach. Das kranke Herz wird an den Vorhofgrenzen herausgeschnitten und das Spenderherz mit den Vorhöfen im Körper des Empfängers vernäht. Anschließend werden die großen Arterien miteinander verbunden. Die Herz-Lungen-Maschine übernimmt vorübergehend die Funktion des Herzens.
Seit Bleeses Premiere im Jahr 1984 wurden in Eppendorf insgesamt 353 Herztransplantationen durchgeführt; jedes Jahr kommen zehn bis fünfzehn neue Herzen dazu. In Deutschland bekommen jährlich etwa 370 Menschen ein neues Herz. Mehr als doppelt so viele Patienten stehen auf der Warteliste. Doch bis ein geeignetes Spenderorgan gefunden wird, vergehen oftmals acht bis vierundzwanzig Monate.
Zu den häufigsten Gründen für den Eingriff zählen die Koronare Herzerkrankung und die Dilatative Kardiomyopathie. Voraussetzung für eine Transplantation ist, dass die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz ausgereizt ist und chirurgische Eingriffe wie Herzklappen- oder Bypassoperationen keinen Erfolg versprechen.
Die Entscheidung über die Organvergabe erfolgt nach rein medizinischen Kriterien und ist nicht beeinflussbar. Die Zuteilung wird durch EUROTRANSPLANT organisiert – nach dem Gebot der größtmöglichen Gerechtigkeit. Zu den Vergabekriterien gehört neben der Blutgruppenkompatibilität vor allem die Dringlichkeit. Auch die Zeit auf der Warteliste und die Konservierungszeit des Spenderorgans spielen eine Rolle.
Die Prognose
Die individuelle Prognose nach einer Herztransplantation ist von vielen Faktoren abhängig. Neben der akuten Abstoßungsreaktion und der Gefahr von Infektionen kann es als Langzeitkomplikation zur gefürchteten „Transplantat-Vaskulopathie“ kommen.
Trotz aller Komplikationen, die auftreten können, führt die Operation meistens zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate nach einer Herztransplantation beträgt mittlerweile 80 %. Nach 10 Jahren lebt noch die Hälfte der einst schwer herzkranken Patienten.
Durch die Verbesserung der medikamentösen Therapie und der Weiterentwicklung von alternativen Operationsverfahren sind immer weniger Patienten auf ein neues Herz angewiesen. Die technische Weiterentwicklung im Bereich der Kunstherzen lässt hoffen, dass es in Zukunft dauerhafte Alternativen zur Herztransplantation geben wird.