- Artikel
- |
- Annika Simon
- |
- 04.11.2016
Halloween mit Nebenwirkungen: Was Horrorclowns mit unserem Körper anstellen können
Sie turnen derzeit in vielen Ländern durch die Schlagzeilen: Die sogenannten Horrorclowns sind los und erschrecken Ahnungslose fast zu Tode. Neben körperlichen Schäden durch direkte Angriffe oder bei der Flucht, können Betroffene schwere Angststörungen entwickeln.
Eigentlich lustig
Besonders in der Kindheit spielen Clowns eine Rolle. Ob als großes Event auf einer Geburtstagparty oder zur Aufmunterung kleiner Patienten in Krankenhäusern. Clowns sollten die Kinder zum Lachen bringen und in schweren Zeiten für eine heitere Stimmung sorgen. So gibt es beispielsweise mit den Clinic Clowns der Medizinischen Hochschule Hannover sogar einen eigenen Verein, in dem sich die meist ehrenamtlich engagierten Clowns organisieren. Klingt dies zunächst völlig positiv, gibt es noch eine andere Sorte Clowns, die derzeit in der Presse für ordentliche Schlagzeilen sorgen.
Wie im Alptraum
Diese auch als „Horrorclowns“ bekannt gewordenen Gestalten nutzen die gruselige Grundstimmung von Halloween aus und gehen dabei am ehestens auf Romanfiguren von Stephen King oder auch einen Rivalen von Batman – den Joker – zurück. Die geschminkte Fratze ist dabei alles andere als fröhlich: Sie zeigt vielmehr üble Grimassen mit laufendem Blut und fiesen Blicken. Teils bewaffnet springen sie unvermittelt am hellen Tage aus einem Gebüsch, jagen mit schwingenden Äxten wehrlose Passanten durch die Straßen und erschrecken sie dabei fast zu Tode. Sorge diese neue „Clownsbewegung“ zunächst in den USA für Schlagzeilen, gibt es mittlerweile auch in Deutschland und anderen europäischen Staaten gruselige Nachahmer. Ihre Opfer erleiden bei so einer Jagd nicht nur körperliche Verletzungen durch Stürze bei der Flucht oder offene Wunden durch Waffen, sondern erleben auf psychischer Ebene einen totalen Alptraum, der manchmal schwere Folgen haben kann.
Angst als natürliche Schutzreaktion
Was passiert mit uns, wenn wir plötzlich von einem bewaffneten „Joker“ durch die Straßen einer Kleinstadt gejagt werden? Ganz klar: Wir haben erstmal Angst und versuchen zu flüchten. Diese Angst ist eine physiologische Schutzreaktion, die schon in der Steinzeit maßgeblich an der Erhaltung unserer Art beteiligt war. Stand ein Neandertaler Aug in Aug mit einem Säbelzahntiger hatte er genau zwei Reaktionsmöglichkeiten: Kämpfen oder Flüchten, im Englischen unter dem eingänglichen Slogan „fight or flight“ bekannt. Egal welche Wahl er traf, für beide Reaktionsformen brauchte er Power. Entweder für einen schnellen Sprint in die nächste Hölle oder für einen harten Kampf um Leben und Tod für beide Parteien. Diese Power entsteht durch körperliche Kettenreaktionen, die mit der Wahrnehmung der Situation und ihrer Bewertung als bedrohlich beginnen und mit der Ausschüttung von Botenstoffen wie Adrenalin und der Bereitstellung von Energie enden.
Vom Schrecken bis zur Störung
Für die Arterhaltung durchaus nützlich, haben Ängste unter bestimmten Umständen auch krasse Nebenwirkungen. So können sich schwere posttraumatische Belastungsstörungen oder spezifische Phobien – auch eine Clownphobie ist schon beschrieben – entwickeln. Betroffene leiden unter Alpträumen und trauen sich bisweilen nicht mehr auf die Straße. Dazu kommen manchmal auch starke vegetative Reaktionen wie beispielsweise Schlafstörungen, Herzrasen oder Schweißausbrüche. Diese Symptomatik wird über Konditionierungsprozesse mit der Clown-Figur verknüpft, sodass der bloße Anblick eines Clowns diese immer wieder aktivieren. Sowohl eine Clownphobie als auch eine posttraumatische Belastungsstörung werden heute erfolgreich mit psychotherapeutischer Verhaltenstherapie behandelt. Die Patienten lernen Verhaltensstrategien, um ihre Ängste kontrollieren zu können. Bleibt der Leidensdruck dauerhaft bestehen, besteht auch die Möglichkeit einer Expositionstherapie: Die Patienten werden dabei mit dem gefürchteten Reiz – hier mit einem Clown – konfrontiert und erleben dann, wie die vegetativen Symptome ganz natürlich nach einigen Minuten abklingen. Es gibt folglich Behandlungsansätze. Dennoch wäre es viel einfacher, wenn die Horrorclowns wieder verschwinden würden. Denn Angststörungen aufgrund von aggressiven Witzfiguren sind mehr als überflüssig!
Können vielleicht einige Passanten noch über die Angriffe der Horrorclowns lachen, werden andere – wie zum Beispiel Kinder – ihres Lebens nicht mehr froh. Der aktuelle Trend des Schreckens auf deutschen Straßen ist also alles andere als lustig, und hat hoffentlich auch bald ein Ende. Schließlich ist Halloween bald um die Ecke und die Clowns haben einen neuen mächtigen Konkurrenten: Den Weihnachtsmann!