• Artikel
  • |
  • Annika Simon
  • |
  • 09.11.2016
  • Patient Krankenbett

     

Resterampe Innere: Einweisungsdiagnose AZ-Verschlechterung

Unklarer Infekt, auffällige Nierenwerte, Verschlechterung des Allgemeinzustandes: internistische Kliniken werden schnell zur Resterampe, wenn bei hochbetagten gestürzten Patienten Frakturen und Schlaganfall ausgeschlossen werden konnten. Schnell landen die meist dementen Patienten in der Inneren und halten Ärzte und Pflegepersonal auf Trapp. Aber wie geht es dann weiter? Bei einer kleinen Famulatur konnte ich einige Eindrücke sammeln.

Sturz im Pflegeheim

Montagmorgen, eine neue Patientin in Zimmer 4. Ich hatte nach knapp zwei Stunden alle Blutentnahmen und Viggos erledigt und bekam vom noch schläfrigen Assistenzarzt eine am Wochenende neu aufgenommene Patientin zugewiesen. „Schnapp dir mal die Akte und stell mir die neue Patientin dann nachher bei der Visite vor“, sagte Dr. Heidemann. „Du darfst dann auch den Arztbrief schreiben.“ Meine Begeisterung hielt sich natürlich in Grenzen und so antwortete ich kurz „OK!“ und suchte erstmal die Akte. Die Anamnese war relativ übersichtlich: Patientin kommt aus der unfallchirurgischen Klinik nach nächtlichem Sturz im Pflegeheim. Frakturen konnten röntgentechnisch ausgeschlossen werden. Patientin ist schwer dement, hat eine Herzinsuffizient NYHA IV, eine chronische Niereninsuffizienz, zwei schwere ischämische Schlaganfälle in der Anamnese und Morbus Parkinson. Laut Pflegeheim habe sich der Allgemeinzustand zuletzt verschlechtert. Aufgrund von erhöhten Infektparametern Überweisung an internistische Klinik.

 

Infekt unklarer Genese

Das war ja mal wieder typisch. Die Chirurgen schließen schnell eine Fraktur aus und schieben die Patienten dann gleich in die Innere mit der Begründung erhöhter Infektwerte. Bei älteren Patienten lässt sich eigentlich immer ein pathologischer Laborwert finden und schon werden sie verlegt. Ich suchte mir einen PC und öffnete die aktuellen Laborwerte der Patientin: Natrium zu niedrig, Kalium zu hoch, Nierenwerte die reinste Katastrophe und CRP- also der besagte Infektparameter – über 200. Aber warum? Wo könnte die Ursache für den Infekt liegen? Pneumonie oder Harnwegsinfekt? Ich besorgte mir noch die Ergebnisse der Urindiagnostik und landete zugleich einen Treffer: Nitrit dreifach positiv! Meine Patientin hatte einen schlimmen Harnwegsinfekt. Ich legte ihr einen Zugang, setzte mit Hilfe von Dr. Heidemann ein passendes und Antibiogramm-gerechtes Antibiotikum an und veranlasste eine sonografische Untersuchung der Nieren, um eine Nierenbeckenentzündung oder einen Harnaufstau ausschließen zu können. Zusätzlich bekam meine Patientin Olimel als parenterale Ernährung, reichliche Infusionen mit Ringer. Um den Natriumwert wieder in den Normwertebereich zu kriegen, setzten wir erstmal das Medikament HCT ab und konnten durch all diese Maßnahmen den Allgemeinzustand der Patientin im Verlauf der Woche deutlich verbessern.

 

Return to sender

Die schon chronisch angeschlagenen Nieren waren glücklicherweise vom Infekt nicht betroffen und das Antibiotikum zeigte sofort Wirkung. Nach drei Tagen konnte die Patientin mit Hilfe des Pflegepersonals wieder Apfelmus zu sich nehmen und machte mit unseren Physiotherapeuten Atemgymnastik. Sobald die betagte Frau nicht mehr zwingend auf den venösen Zugang zur Flüssigkeitssubstitution angewiesen war, rief ich in ihrem Heim an und verkündigte die Rückverlegung. Die niedliche Frau war mir schon richtig ans Herz gewachsen und ich war auch ein wenig stolz auf meine Diagnose und den ausgeklügelten Therapievorschlag. Zwar glich mein Arztbrief hinterher einem kleinen Roman, dennoch habe ich eine Menge darüber gelernt, wie man bei dementen betagten Patienten mit sogenannter AZ-Verschlechterung verfahren kann. Ein paar Tage später gab mir der zuständige Assistenzarzt den nächsten Patienten. Ich blätterte in der Akte und musste grinsen: „Patient kommt von unseren unfallchirurgischen Kollegen nach Sturz im Altenheim…“


Weiterführende Links

- Infofilm auf Youtube der Asklepios Gruppe über Geriatrie

- Hörbeitrag von Radio Leineherz über Geriatrie

- Homepage der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie

 

Empfohlene Bücher

Differenzialdiagnose Innerer Krankheiten
Edouard BattegayDifferenzialdiagnose Innerer Krankheiten

Vom Symptom zur Diagnose

EUR [D] 169,99

Checkliste Geriatrie
Martin Conzelmann, Hermann Wolfgang, Albert Wettstein, Matthias Augustin, Osmund BertelCheckliste Geriatrie

. Zus.-Arb.: Herausgegeben von Albert Wettstein, Martin Conzelmann, Hermann Wolfgang Weiß

EUR [D] 49,95

Schlagworte
Mein Studienort

Medizinstudenten berichten aus ihren Unistädten

Werde Lokalredakteur Die Unistädte auf Google Maps
Medizin im Ausland

Erfahrungsberichte und Tipps aus über 100 Ländern

Erfahrungsbericht schreiben Auslands-Infopakete
Cookie-Einstellungen