- Interview
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- Rebecca Freund
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- 16.06.2014
Alles wird gut - Interview mit Anatom Dr. Kurt W. Becker
Dr. Kurt W. Becker, Leiter der Prosektur in Homburg, ist bei den Studenten für sein großes Engagement bekannt. Im Interview erzählt er von seinem Weg zum Medizinstudium und von seinen schönsten und schlimmsten Erlebnissen mit den Studenten in Homburg.
Dr. Kurt W. Becker - Foto: privat
> Herr Dr. Becker, wie sind Sie eigentlich zum Medizinstudium beziehungsweise zum Wunschberuf des Arztes gekommen?
Arzt zu werden war eigentlich zunächst gar nicht mein Wunsch, erst ein Jahr vor dem Abitur, um das Jahr 1971/72, kam mir der Wunsch Medizin zu studieren. Allerdings habe ich nicht sofort einen Studienplatz bekommen. Damals gab es 12 Bewerber auf einen Studienplatz und die Chancen waren gleich Null einen Platz zu bekommen. Um nicht ein paar Jahre warten zu müssen habe ich, wie viele andere auch, versucht einen Platz in Frankreich zu bekommen. Wenn man da ein Jahr studiert hatte, konnte man die Kurse in Deutschland anerkennen lassen und hier weiterstudieren. Allerdings war ich von den 900, die da in Nancy begonnen hatten, nicht bei den Glücklichen, die den Concours bestanden hatten. Von den 900 waren danach noch 100 übrig. Ich hab nicht dazu gehört. Ich hätte zwar die Möglichkeit gehabt, das Jahr nochmal zu machen, aber mir war klar, dass ich das als Nicht-Muttersprachler, mit den Franzosen konkurrierend, nie hätte bestehen können. Ich habe dann einen anderen Weg gewählt: Ich habe eine Krankenpflegeausbildung gemacht und zwei Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Dann endlich habe ich im 10. Ablehnungsverfahren der ZVS – heute hochschulstart.de – und da wiederum im Nachrückverfahren des 10. Verfahrens, ein paar Wochen nachdem das Semester schon begonnen hatte, 1976 hier in Homburg einen Studienplatz bekommen. Ich habe damals in Düsseldorf gearbeitet und natürlich sofort alles abgebrochen und bin dann hierher nach Homburg. Was mir auch sehr entgegengekommen ist, denn ich bin ja überzeugter Saarländer. Und warum Medizin studieren? Dafür gibt es tausend Gründe, aber Medizin schwebte mir halt vor, weil es einfach meinem Naturell entspricht mit Menschen umzugehen.
> Heute sind Sie Leiter der Prosektur Homburg. Wie kam es dazu?
Ich hatte zu Studienzeiten als Moniteur, also als Bremser, im Präparierkurs gearbeitet und zwar sechs Mal. Zu diesem Zeitpunkt habe ich gemerkt, dass das etwas ist, das mir eigentlich ganz gut gefällt. Der Umgang mit den Kommilitonen und die Lehre haben mir Spaß gemacht und ich habe dann auch hier eine Doktorarbeit angefangen. Nach meinem Studium war für mich dann die Frage: Was mache ich jetzt? Mache ich eine Facharztausbildung in einem klinischen Bereich oder bleibe ich hier. Die Entscheidung ist mir relativ schwer gefallen. Eine Option, die ich hatte, weil ich im Studium immer viele Famulaturen in der gynäkologischen Abteilung gemacht habe, war Gynäkologie. Aber wie das Leben so spielt, hatte damals meine Frau, die war früher auch Krankenschwester, begonnen Medizin zu studieren. Wir hatten damals schon zwei Kinder und dann hat sich die Frage gestellt: Wenn meine Frau jetzt Medizin studiert, klappt das dann mit einem Klinikjob? Ich hatte dann das Glück, dass ich hier angefragt wurde, ob ich eine Dauerstelle haben möchte. Das habe ich angenommen. Das heißt ab dann war ich Anatom. Ich hab dann die Facharztausbildung gemacht, was unproblematisch war, denn ich musste keine Prüfung machen, weil ich genug Jahre hatte und alles nachweisen konnte, was man da haben muss. Das heißt, ich habe eine Facharztanerkennung bekommen. Ja und das war dann letztendlich meine Situation: Ich hab mich in der Wissenschaft wohlgefühlt, ich hab mich in der Lehre wohlgefühlt und das war etwas ganz Wichtiges für mich. Mein Großvater hat immer gesagt: Dir wird es später mal gut gehen, wenn du gerne zur Arbeit gehst und gern wieder nach Hause kommst. Und das ist bei mir auch so.
> Sie sind bei den Studenten dafür bekannt, dass Sie sich stets sehr für uns engagieren und immer ein offenes Ohr für Probleme haben. Deshalb wollte ich Sie fragen: Was war Ihr schönstes Erlebnis mit den Studenten hier in Homburg?
Da gibt es einige zu erzählen. Es gibt jeden Tag schöne Erlebnisse, wo ich einfach die Hand gedrückt bekomme und gesagt bekomme "es war schön und toll was Sie hier gemacht haben". Es gibt so schöne Ereignisse. Eines ist mit noch in besonderer Erinnerung. Das ist vielleicht 15 Jahre her, da hatten sich die Studenten am Ende des Präpkurses von mir verabschiedet und gemeint, sie hätten noch eine besondere Überraschung. Da stand eine große Kiste bei mir im Zimmer und ich mache die Kiste auf und was saß da drin? Ein lebendes Ferkel. Das war damals vor Weihnachten und ich hab mich gefragt: Was mach ich da jetzt Heiligabend mit einem Schwein? Die Studenten haben dann gemeint, ich solle mir keine Gedanken machen, sie hätten einen Bauern, der das Schwein großzieht. Das war so etwas. Ach ja, und einmal kam ich in meine Wohnung nach Hause und wer empfing mich da? Meine Studenten! Die haben meine Frau vorher gefragt, ob sie kommen können und dann haben sie einen riesen Weihnachtsbaum bei mir im Wohnzimmer aufgebaut, so groß, dass kaum mehr Platz für was anderes war. Und sich bedankt bei mir. Was mich auch immer freut ist, wenn ein Student, der hier im Präpkurs nicht der Überflieger war und den Kurs vielleicht zwei, dreimal wiederholt hat, später erfolgreicher Chefarzt oder Professor geworden ist. Das sind so retrograde Bestätigungen, dass es einfach gut war, wie ich mit den Studenten umgegangen bin und jedem die Chance gegeben habe, die er verdient hat.
> Und was war Ihr schlimmstes Erlebnis hier?
Da gibt es einige. Das waren vor allem schlimme Krankheiten, die Studenten hier aus dem Kurs gerissen haben. Wir hatten zwei Studenten hier, die Suizid begangen haben, nicht weil sie den Präparierkurs gemacht hatten, sondern weil da ein ganz anderer Hintergrund war. Das hat mich extrem betroffen. Dann natürlich der Tod eines Kollegen, ein ganz lieber, alter Professor, der mein persönlicher Mentor war. Er hat ganz kurze Zeit nach seinem Dienstende einen Schlaganfall bekommen und ist gestorben. Eigentlich wollte er sich - jetzt endlich - noch ganz viel mit seinen Fotos beschäftigen. Das sind so Sachen, aber das ist halt das Leben. Ich kann da wirklich nicht sagen, was am schlimmsten war. Es gibt immer Sachen, die einen in ein kurzfristiges Loch mit viel Überlegen und Nachdenken über den Sinn des Lebens treiben, aber letztendlich bin ich ja ein extrem positiver Mensch. Bei mir ist ein Motiv: Alles wird gut. Das ist schon mal wichtig, dass man einfach positiv denkt. Es war immer schon meine Maxime aus jeder Situation zu versuchen das Beste zu machen.
> Gibt es noch etwas, dass Sie uns Studenten mit auf den Weg geben wollen?
Ja. Ich geb den Studenten immer mit: Das was ihr macht, macht ihr für euch, nicht für die Dozenten. Außerdem, und das klingt jetzt sehr pathetisch: Philanthropie. Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich versuche nach Kriterien zu leben, wo ich abends ins Bett gehen kann und sagen kann: Das war ein guter Tag. Und ich versuche meinen Tag immer so zu regeln, dass ich abends zufrieden einschlafen kann. Das geht manchmal nicht, aber in der Regel ist das ein wichtiges Prinzip.