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  • Lennart Möller
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  • 27.08.2024

Nur die Nerven behalten - Das zweite Semester in Kiel

Das zweite Semester in Kiel hat einen Neuro-Schwerpunkt und hält jede Menge Lernstoff bereit. Lennart gibt dir im Semesterrücklick hilfreiche Tipps, damit du trotzdem nicht die Nerven verlierst.

 

 

Willkommen im zweiten Semester.  Es beginnt direkt mit einer Altlast aus dem ersten und zwar der Klausur in Chemie. Diese schreibst du in den ersten Tagen des Sommersemesters, da die Klausur mit anderen Fächern (u.a. Agrarökonomie) gemeinsam geschrieben wird. Eine allgemeine Information vorab: Das zweite Semester ist definitiv das anstrengendste Semester in der Vorklinik, aber mit der nötigen Disziplin machbar.


Wie startete das zweite Semester für mich?

Ich kam aus dem Skiurlaub, und begann, für Chemie zu lernen. Zeitgleich erhielt ich eine Zusage für eine Wohnung, ich hatte also endlich eine Unterkunft. Nun musste ich aber parallel noch meinen Umzug vorbereiten. 
Die Chemie-Klausur schrieb ich am Freitag und am Wochenende folgte der Umzug nach Kiel. Ein heilloses Chaos aus Koffern und Kartons, aber dann war es so weit: Ich war endlich ausgezogen und musste nicht mehr die mitunter nervtötende, aber vor allem Kräfte zehrende Pendelei jeden Morgen veranstalten, was ich in den nächsten Wochen noch sehr schätzen lernen würde…

 

Der Tragödie erster Teil - Histo II & Neuroanatomie

Die erste Semesterhälfte hat es durchaus in sich: Neuroanatomie und Histo II. Sehr viel Stoff, aber je nach persönlichem Interessensgebiet auch echt spannend. Fangen wir an mit Neuroanatomie . Die Vorlesung läuft über knapp fünf Wochen jeden Tag. Nach einer kurzen Einführung in die allgemeine Neuroanatomie folgen die Details zu den Hirnregionen, den Hirnnerven, der Blutversorgung etc. Begleitet wurden (und werden) die Vorlesungen durch drei Seminare auf dem Präpariersaal, in denen die Kerninhalte wiederholt und vertieft werden. Der Rest ist dann „nur“ noch Auswendiglernen. Der Stoff ist (leider), im Vergleich zu BewApp (und der restlichen Anatomie), sehr abstrakt, da der Großteil der Strukturen makroskopisch nicht zu sehen ist. Es erfordert also eine gute Lernstrategie (oder ein stark ausgeprägtes abstraktes Denkvermögen).

Mir hat es damals sehr geholfen, die Zusammenhänge und Verbindungen visuell darzustellen, am besten war es, diese auf ein DIN A1-Papier aufzumalen, das ich an meine Zimmerwand gehängt hatte. Sehr zu empfehlen ist zudem das alte Kursscript im OpenOLAT. Auch wenn die Stoffmenge in Neuro zuerst erschreckend wird, sie ist mit Disziplin und einer guten Strategie definitiv machbar, du brauchst also keine Angst vor dem Testat zu haben.


Literaturempfehlung für Neuroanatomie: M. Trepel, Neuroanatomie, 8. Auflage, Elsevier Verlag; M. Schünke et. al, Prometheus Lernatlas der Anatomie, 6. Auflage, Thieme Verlag


Weiter gehts mit Histo II oder genauer gesagt: Organspezifische Histologie, wofür mit Histo I im 1. Semester die Grundlagen gelegt wurden. Die Themenbereiche sind zwar für sich betrachtet etwas weniger umfangreich, dafür aber deutlich zahlreicher. Zudem werden in Histo II auch große Teile der organspezifischen Embryologie gelehrt, die auch gerne in den Testaten geprüft wird. Histo II läuft an sich unabhängig von Neuroanatomie…
Oder doch eher gemeinsam… Die beiden laufen nämlich nicht nur zeitlich parallel: morgens Histo II und im Anschluss Neuroanatomie. Eine fachliche Überschneidung haben die beiden Fächer nämlich auch: Auge und Ohr werden als „Funktionelle Systeme“ zwar in Neuroanatomie gelehrt, aber im Histo-Testat geprüft. Das macht aber für dein Lernen nicht wirklich einen Unterschied.

Also zwei durchaus intensive Vorlesungen hintereinander. Und mit den Vorlesungen ist es nicht getan. Dazu kommen noch die Mikroskopierkurse in Histo II und die bereits oben erwähnten Seminare in Neuroanatomie. Es kann dabei mitunter vorkommen, dass du manchmal Histo-Kurs und anschließend Neuroanatomie-Seminar hast. Das ist dann zwar ein echt undankbarer Tag, ermöglicht aber auch einfachere Tage ohne Nachmittagskurse, die sich sehr effektiv zum Lernen eignen. Denn Zeit zum Lernen ist, für beide Fächer, aufgrund der großen Stoffmenge, extrem wichtig.


Literaturempfehlung: R. Lüllmann-Rauch, Histologie, 6. Auflage, Thieme Verlag (wie Histo I)


Nun lautet die Preisfrage: Wie kriegst du das hin? Es ist, zugegebenermaßen, eine echte Herausforderung, diese Stoffmengen zu meistern, denn in beiden Fächern wird auch viel Wert auf Details und klinische Bezüge gelegt. Zudem liegen die Testate sehr nah beieinander und zwischen den Testaten startet bereits die zweite Semesterhälfte, also wie habe ich das hingekriegt? 

Ich habe es so gemacht, dass ich zu Anfang mit Histo II gestartet, und anschließend den Schwerpunkt auf Neuro gelegt habe, wobei ich zwischendurch immer ein wenig Histo II gemacht habe. Dabei habe ich für Neuro mit ANKI-Karten und Skripten/Visualisierungen gelernt, für Histo lediglich mit meinen Skripten aus Vorlesung und mit dem Buch. Ab der letzten Woche vor dem Neurotestat habe ich dann nur noch Neuro gemacht. Am Sonntag vor dem Testat war ich so aufgeregt wie noch nie vor einer Prüfung, und hatte total Angst, etwas nicht zu wissen.

Dann war es so weit: Ich stand um 9 Uhr in der ersten Prüfungskohorte vor dem Präpsaal und wartete darauf, meinem Prüfer zugeteilt zu werden. Ich wurde ihm zugeteilt und es begannen die 15 Minuten Prüfung. Und dann war es geschafft, die erste Prüfung von zweien war bestanden. Für Ausruhen blieb nicht viel Zeit, lediglich einige wenige Stunden habe ich mir am Montag im Anschluss an die Prüfung genehmigt. Am Abend ging es dann mit einer Freundin in der Bibliothek weiter, um Histo zu lernen, so wie den Rest der Woche. Und dann war es so weit: Histo-Testat. Ich merkte schnell, dass ich durch meinen Neuro-Schwerpunkt in Histo kleinere Lücken hatte, bestand die Prüfung aber trotzdem und damit war die erste Semesterhälfte rum. Gemeinsam mit Kommolitoninnen und Kommilitonen feierte ich das Ende der ersten Semesterhälfte. In der Hoffnung, dass die zweite besser werden würde.

 

Der Tragödie zweiter Teil - Biochemie I & Zell- & Neurophysiologie (+integrative Seminare Anato-mie)

Die erste Semesterhälfte ging fließend in die zweite über, da Biochemie I (BC I) & Physiologie bereits zwischen Neuro- & Histo-Testat starteten, wobei ich außer dem Vorlesungsbesuch bis zum Histo-Testat nichts für beide gemacht habe, dies begann erst ab dem Dienstag nach dem Histo-Testat. Parallel stand für mich ein großes Projekt an: Eine Konzerttournee nach Brasilien mit meinem Hamburger Chor, welche einige Umstrukturierungen erforderte, da ich u.A. einige Pflichttermine verpassen würde. Beide beteiligten Institute legten mir aber dankenswerterweise keine Steine in den Weg und so konnte ich die Tournee antreten. Auch auf Tournee lernte ich weiter in den freien Minuten, häufig zwischen den Proben, aber auch auf den Flügen. Die Tournee hatte dabei einen Nebeneffekt: Der Jetlag führt dazu, dass ich im EEG-Praktikum in Physiologie einschlief und so Delta-Wellen zu sehen waren, die sonst nicht zu sehen gewesen wären.

Das Semester neigte sich allmählich dem Ende zu und während ich mich auf die Physio-Klausuren (für Seminar & Praktikum) vorbereitete und die letzten Praktika absolvierte, waren da noch die integrativen Seminare in Anatomie. In diesen werden Embryologie, das kardiovaskuläre System, die Topographie der Körperoberfläche und das periphere Nervensystem (als hätte man nicht schon genug Neuro dieses Semester gehabt) behandelt. Die Seminare legen die Grundlage für die Eingangsklausur für den Präpkurs im 3. Semester, welche am 1. Semestertag geschrieben wird. Die Nachbereitung bietet sich also für die Semesterferien an, sodass du außer der Präsenz in den Seminaren ganz entspannt ran gehen kannst.  Am Ende des 2. Semesters schrieb ich dann die beiden Physio-Klausuren und dann war es vorbei, mein erstes Studienjahr, die Hälfte der Vorklinik war rum.


Nun mein how to survive zweiter Semesterabschnitt

Biochemie I: fokussiert sich hauptsächlich auf die Stoffwechselwege, also die ganz klassische Biochemie, vor der es vielen Medizinstudis graut. Von Zitronen für Omas im Koma bis hin zur β-Oxidation ist alles dabei, ergänzt werden diese Inhalte noch um Enzymkinetik und Molekulargenetik sowie eine Abschlussvorlesung zur Stoffwechselintegration. Für das Verständnis der Zusammenhänge empfiehlt es sich, sowohl die Grundlagen aus der organischen Chemie zur wiederholen als auch sich ein Plakat zuzulegen, wo sowohl die einzelnen Zwischenschritte als auch die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Wegen dargestellt sind. Auch empfiehlt es sich, die Stoffwechselwege (z.B. mit Lernkarten (bspw. ANKI)) und die wichtigen Strukturformeln (bloß nicht jedes Intermediat!!!) auswendig zu lernen. Mir hat Biochemie (sowohl I als auch II und III) sehr viel Spaß gemacht, was aber fairerweise auch daran lag, dass ich schnell ein gutes System hatte.

Literaturempfehlung: W. Müller-Esterl, Biochemie, 3. Auflage, Springer-Verlag + Plakat (medilearn oder Thieme Endspurt)


Für alle mit wenig Wandplatz gibt es das medilearn-Poster auch unter diesem Link online zum Anschauen: https://www.medi-learn.de/examen/BiochemiePoster/


Zell- & Neurophysiologie: Zugegeben, Physio war nie mein bestes Fach in der Vorklinik, das waren von den drei großen ganz klar Anatomie & Biochemie. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ich bei Physio lange nicht wusste, wie ich am besten dafür lerne. Meiner Erfahrung nach bieten sich insbesondere hier Skripte total an, Lernkarten bringen meiner Erfahrung nach nicht viel, ich fand sie (außer bei einigen Formeln) eher hinderlich. Wichtig ist es vor allem, dass du dir die Zusammenhänge kompakt und übersichtlich darstellst, am besten nur 1 Seite pro Thema, bspw. 1 Seite pro Neurotransmitter mit Rezeptor oder für eine bestimmte Teilfunktion eines Organs. Vor allem regelmäßiges Wiederholen ist hier wichtig.

Die Physiologen bieten im OLAT auch eine thematische Fragensammlung sowie Rechen- & Schlussfolgerungsübungen an, die du dir auf jeden Fall anschauen solltest, da sie eine sehr gute Klausurvorbereitung darstellen. Nebenbei findest du dort auch die offiziellen Altklausuren samt Lösungen. Alles in allem ist die Physiologie gut machbar, vor allem im Praktikum kannst du mit den Antestaten viele Punkte rausholen, daher solltest du dich auf diese auch gut vorbereiten. Die Klausurergebnisse der beiden Semester werden verrechnet, von daher kannst du da ganz entspannt ran gehen.

Literaturempfehlung: S. Silbernagl et al., Physiologie, 10. Auflage, Thieme Verlag
 

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