• Artikel
  • |
  • Lea Charlotte Bauer
  • |
  • 24.11.2021

Der Präparierkurs - von lateralen Bauchmuskeln und blanken Nerven

Aufregung, Sorgen und Vorfreude: Kaum ein Fach im Medizinstudium ruft so gemischte Gefühle hervor wie Anatomie mit dem obligatorischen Präparierkurs. Werde ich umkippen? Was, wenn ich die Testate nicht schaffe? Lea berichtet, wie sie den Kurs erlebt hat.

 

 

Präparierkurs. Sobald im ersten Semester das Fach Anatomie ansteht, hängt das Wort in der Luft und schwirrt den Studierenden im Kopf herum. Sorgen, Ängste, Spannung und Vorfreude vermischen sich zu einem dumpfen Gefühl im Magen.

Schon in der Einführungswoche wurden wir zum ersten Mal durch den Präpariersaal geführt. Keiner wusste, was einen wirklich erwartet. Hinein trat man in einen Saal, der dem im Tatort nicht unähnlich war. Nur ein einziger Körperspender lag abgedeckt auf dem Tisch. Dieser wurde von einem Professor langsam aufgedeckt, während die Gruppe aus Studierenden einen Kreis um den Tisch formte. Ich stand ganz hinten und wollte die Sache ehrlich gesagt etwas langsamer angehen. Ein paar wenige Blicke konnte ich erhaschen, bevor es auch schon zum nächsten Programmpunkt ging und die Türen sich für die folgenden sechs Wochen allgemeine Anatomie wieder schlossen.  

Je näher der erste Termin für den wöchentliche Präparierkurs rückte, desto mehr begann ich zu grübeln: „Hoffentlich macht mein Kreislauf mit.“, „Und wenn ich mich übergeben muss?“ und „Ich hoffe, ich falle nicht durchs Testat.“. Etliche Google Suchen und Erfahrungsberichte später waren die Sorgen immer noch nicht ganz aus meinem Kopf verschwunden.

Natürlich blieb die Zeit nicht stehen und somit stand schließlich an einem grauen Novembermorgen der erste Präparierkurs an. Meinen weißen Kittel in die Tasche gestopft radelte ich zur Uni. Schon während des Vormittags konnte ich kaum mehr den anderen Vorlesungen folgen, so nervös war ich. Nach dem Mensamittagessen, das ich mehr auf dem Teller herumgeschoben hatte, brachen meine Freunde und ich in einem kleinen Grüppchen in Richtung Anatomiegebäude auf. Tür auf, Treppe runter, Spind auf, Kittel an, Spind zu. Eine Horde nervöse und viel zu schnell redende Studierende stieg die Treppen hinauf ins Anatomiemuseum. Dort wartete die Masse, bis die großen Türen zum Saal zum ersten Mal aufgingen. 

Meine Nerven lagen blank. Das konnte man mir scheinbar ansehen, denn prompt fragte mich ein Kommilitone, ob es mir denn gut ginge. Wenn der wüsste. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre wieder gegangen. Ein großer, gefliester Raum mit 13 Metalltischen, darauf die Körperspender, abgedeckt mit einem grünblauen OP-Tuch. Der Geruch von Alkohol steigt in die Nase. Es beißt ein bisschen, aber man hat sich schnell daran gewöhnt. Jetzt nur noch den zugeteilten Tisch finden und einen Stuhl sichern, damit der Kreislauf ja nicht wegklappt. Das wurde später zu einem Ritual, obwohl ich den Stuhl nur in der ersten Stunde brauchte. Handschuhe an. Langsam wurde dann mit Hilfe des Tutors der Körperspender aufgedeckt, das Gesichts stets durch ein Tuch verborgen. Ich hatte mich am Fußende platziert und mich dort für die Stunde auch nicht mehr wegbewegt, während die anderen die Knochenpunkte im Skript abarbeiteten. Insgeheim war ich froh, dass ich den Kittel bald darauf wieder in den Spind hängen konnte.

Wenige Tage später, nachdem ich meine Nerven ein bisschen beruhigt hatte, bin ich mit Unterstützung erneuert an unseren Körperspender gegangen und habe in Ruhe die Knochenpunkte aus dem Skript ertastet. Sobald man sich traut und den Körper berührt, legt sich die Nervosität und man kann sich ganz darauf konzentrieren, die Anatomie zu entdecken.

Nach den ersten Wochen gewöhnt man sich langsam an den Geruch, an das Gefühl des Körperspenders unter den Fingern, an das fast schon geschäftige Gewusel der Studenten um jeden Tisch und Körper. Eine gewisse Routine stellt sich ein. In den Pausen griff ich ohne groß nachzudenken nach meinem Butterbrot. Der Stuhl neben mir wurde zu einer willkommenen Abwechslung nach mehrstündigem Stehen. Ich freute mich über besonders schön präparierte seitliche Bauchmuskeln oder den Moment, in dem ich das Rückenmark eröffnen durfte. Eindrücklich war es, dünn und klein, und doch hellrosa leuchtend eingebettet in dem sonst eher gräulichen Gewebe liegend. 

Im Endeffekt möchte ich dir hier nur mitgeben: Es ist in Ordnung, den Präparierkurs in deinem eigenen Tempo anzugehen. Nimm dir Zeit und zolle dem Körperspender den Respekt, der ihm gebührt. Aber sei auch mutig und wage den ersten Schritt und Schnitt, denn es gibt vieles Großartiges zu lernen und zu entdecken. Lass dich durch die wöchentlichen Testate nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn dir jedes Mal das Herz in die Hose rutscht. Und sieh den Präparierkurs als ein Geschenk an: Es ist deine Möglichkeit, am, mit und vom Menschen zu lernen. 

Mein Studienort

Medizinstudenten berichten aus ihren Unistädten

Werde Lokalredakteur Die Unistädte auf Google Maps
Medizin im Ausland

Erfahrungsberichte und Tipps aus über 100 Ländern

Erfahrungsbericht schreiben Auslands-Infopakete
Cookie-Einstellungen