• Bericht
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  • Kirstin Ludwig
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  • 04.06.2013

Praktikum im Intensiv-Pflegedienst

Ein Praktikum in der Pflege, das nicht verpflichtend ist – warum sollte ich das machen? Was kann ich dabei lernen? Ist das für Medizinstudenten relevant? Warum es sich für mich gelohnt hat, einen Monat lang in die Arbeit eines Kinder-Intensiv-Pflegedienstes hinein zu schnuppern.

 

Keine Alternative zum Pflegepraktikum

Jeder Medizinstudent muss mindestens drei Monate Pflegepraktikum in einem Krankenhaus machen. Ein Praktikum in der ambulanten Pflege kann auf diese Zeit nicht angerechnet werden. Somit eignet sich ein solches Praktikum nur für diejenigen, die ihr Pflegepraktikum schon hinter sich gebracht haben. Hier hat man die Chance, einen ganz anderen Eindruck von Pflege zu bekommen.  

 

Patienten

Die jüngsten Patienten des Pflegedienstes sind Frühgeborene, die ältesten sind fast schon erwachsen. Auch die Krankheitsbilder und Behinderungen sind heterogen. Einige Beispiele: Wachkoma-Patienten, die zum Teil beatmet werden müssen, Kinder mit künstlichem Darmausgang, Kinder mit Mukoviszidose ...  

 

Betreuungsverhältnis 1:1

Anders als im Krankenhaus ist hier für jeden Patienten eine examinierte Pflegekraft im Einsatz. Diese kann sich dann voll auf den Patienten konzentrieren und wird nie mitten in Pflegehandlungen beispielsweise durch die Patientenklingel unterbrochen. Auch als Praktikant ist man direkt einem Patienten und einer Pflegekraft zugeteilt. Somit lernt man nicht alle Patienten und Krankheitsbilder kennen, aber eines intensiv. Durch die direkte Betreuung einer Pflegekraft kann man sehr viel über Pflege lernen. Es ist Zeit komplizierte Pflegehandlungen zu sehen, zu verstehen und selbst durchzuführen. Man lernt den gesamten Ablauf der Pflege kennen.  

 

Pflegekräfte haben Zeit

Im Pflegepraktikum merkt man es schnell – Pflegekräfte bräuchten immer mehr Zeit als sie haben. Im starken Gegensatz dazu läuft die Pflege im Intensivpflegedienst. Die Abrechnung mit der Krankenkasse erfolgt nach Stunden (Behandlungspflege). Deshalb können die Pflegekräfte hier auch einen Schwerpunkt auf Prophylaxe und  pflegerische Therapie legen.  

 

Waschen ist waschen?

Im Krankenhaus haben Praktikanten oft den Eindruck, dass Pflege vor allem Körperpflege bedeutet. Im Pflegedienst geht es nicht nur darum, saubere Kinder zu haben. Körperpflege ist mehr als Waschen. Während die Pflegekraft erklärt, was sie wie und warum tut, merke ich, dass ich ganz neue Aspekte der Pflege kennen lerne.

Bobath-Konzept, Kinästhetik und basale Stimulation sind Konzepte, nach denen die Patienten gepflegt werden. Während die Pflegekraft mir die Grundzüge erklärt, merke ich, wie ich Pflege ganz anders wahrnehme.  

 

Zu Hause zu Gast

Die Pflege findet zu Hause statt. Ich lerne die Patienten in ihrem Umfeld kennen, sehe ihr Zimmer und ihre Familie. Die Pflegekräfte betreuen die Patienten oft schon sehr lange, sodass ein sehr vertrauensvoller Umgang mit den Familienmitgliedern herrscht. Durch diese Situation fällt es mir sehr leicht, den Patienten nicht als Patient zu sehen, sondern als Mensch, dem durch die Arbeit der Therapeuten ein gutes Leben ermöglicht wird.  

 

Andere Länder – andere Sitten

Ich verbringe einen großen Teil meines Tages in einer fremden Familie. Unweigerlich lerne ich dabei deren Leben kennen. Ich werde zum türkischen Essen eingeladen, da es für die Familie zur Gastfreundschaft gehört. Besonders interessant war die Verwandlung einer zu Hause recht europäisch gekleideten Frau in eine Burka-Trägerin. Auf der Straße wäre ich wohl nie mit dieser Frau ins Gespräch gekommen – als Mitarbeiterin des Pflegedienstes schon.  

 

Beraten und Anleiten

Die Pflegeausbildung wurde reformiert und der Aspekt Anleitung hat einen höheren Stellenwert gefunden. Hier merke ich, dass das auch notwendig ist. Ein großer Teil der Arbeit ist die sogenannte Rückzugspflege. Die Pflegekräfte leiten die Eltern an, die dann Woche für Woche mehr Aufgaben selbstständig übernehmen. Die Beratung ist aber nur eine Beratung. Wenn Eltern nicht auf die Vorschläge des Pflegepersonals eingehen möchten, müssen sie das auch nicht.  

 

Lernen von anderen

Da die Patienten die ganze Zeit von der Pflege betreut werden müssen, bin ich auch bei der Therapie dabei. Ich lerne das Arbeitsfeld der Ergotherapie kennen und sehe, wo deren Schwerpunkte liegen. Die Logopädin zeigt mir, dass ich ein kleines Kind dazu bringe zu Schlucken, wenn ich es anpuste. In der Physiotherapie merke ich, was mit Gelenken passiert, wenn sie nicht benutzt werden und wie dem vorgebeugt wird. Alle Therapeuten nehmen sich Zeit und erklären mir den Schwerpunkt ihres Berufes.  

 

Fazit

Dieses Praktikum eignet sich sehr gut für Medizinstudenten, die mehr wissen möchten als im Pflegepraktikum vermittelt werden kann. Man lernt viele medizinische Assistenzberufe  und ihre Arbeitsweise kennen. Auch das eigene Patientenbild ändert sich, wenn man den Patienten in seinem Umfeld erlebt – er wird vom Patienten zum Menschen.

 

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