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- Sarah Gruninger
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- 18.03.2019
Das 5. Semester – wo die Freiheit beginnt?
„Nach dem Physikum wird alles besser“, haben alle höheren Semester zu uns gesagt. Voller Vorfreude auf die verheißungsvolle Zeit öffnete ich also Anfang Oktober den Stundenplan für das 5. Semester - und bekam einen Schock ...
Jeden Tag Chirurgie Praktikum bis 16 Uhr, klinische Chemie um 7:30 Uhr und sieben Klausuren warteten Anfang Februar auf uns. „Wie bitte?!?!“, dachte ich, „das ist ja wie im 1. Semester“. Und tatsächlich fühlte ich mich auch wieder ein wenig wie am Anfang meines Studiums. Jetzt wusste ich sehr viel über die Anatomie, Physiologie und Biochemie des Menschen und hatte trotzdem keine Ahnung, was in der Klinik jeden Tag so passierte. Da war ich tatsächlich neidisch auf meine Freunde, die schon eine Ausbildung gemacht und mehr Erfahrung als ein dreimonatiges Pflegepraktikum hatten. Werde ich im Unterricht mitkommen? Reicht mein noch vorhandenes Physikumswissen als Grundlage?
In Marburg werden die Studenten des 5. Semesters in zwei Kohorten aufgeteilt. Die eine Hälfte wird der Inneren Kohorte und die andere der Chirurgie Kohorte zugeteilt, im 6. Semester wird dann getauscht. Grundsätzlich steht bei allen Studierenden Mikrobiologie, Pathologie Teil 1, Pharmakologie Teil 1, Klinische Chemie Teil 1 und Immunologie auf dem Stundenplan. Hier ein paar Worte zu den einzelnen Fächern:
Mikrobiologie
Einmal pro Woche steht das Praktikum an, in dem du Keime unter dem Mikroskop bestimmst, auf Agarplatten anzüchtest, deinen eigenen Urin und Rachenabstrich untersuchst und lernst, Gramfärbungen herzustellen. Auf dem Stundenplan für 1,5 h angedacht, dauert das Praktikum meistens länger, aber du kannst dann auch einfach gehen. 87 Bakterien (ich habe nachgezählt, damit ich wusste, mit wem ich es zu tun hatte) warten darauf, von dir auswendig gelernt zu werden. Bis Dezember ist das Semester entspannt, aber falsch ist es nicht, sich die wichtigsten Fakten zu den einzelnen Bakterien schon einmal aufzuschreiben. Das hilft auch in den Vorlesungen, denn der Prof. geht gerne durch die Reihen und hält dir das Mikrofon vor die Nase. Das ist aber nicht weiter schlimm und die erzählten Geschichten bleiben im Gedächtnis. Geh auf jeden Fall mal hin und schau, ob es dir was bringt. Am Ende des Semesters hast du eine mündliche Prüfung, am Anfang des nächsten Semesters dann eine schriftliche.
Pathologie
Die Pathologie ist in allgemeine, spezielle und Neuropathologie aufgeteilt. Die allgemeine und Neuropathologie-Termine liegen am Anfang des Semesters. Später lernst du dann pro Woche weitere Präparate kennen zu Krankheiten, die Herz, Lunge, Magen-Darm-Trakt, Leber und Niere betreffen. Du hast auch in der Vorklinik in Histologie nicht wirklich geblickt, wie du die Organe unterm Mikroskop erkennst? Mit ein wenig Geschick im Formen merken kommst du ganz gut durch die Klausur. Das freie Mikroskopieren ist aber auch eine gute Option.
Pharmakologie
Einmal pro Woche erzählen dir die Professoren zwei Stunden lang etwas über verschiedene Medikamente in den Anwendungsgebieten Herz, Gefäß- und Kreislaufsystem, cholinerges System, Antidiabetika, Lipidsenker und Diuretika. Die Wirkstoffnamen fühlen sich an wie eine neue Sprache. Für die Klausur heißt es auch hier wieder: Auswendig lernen! Da helfen nur witzige Merksprüche. Aber endlich scheint das Auswendig lernen auch sinnvoll, weil uns die Medikamentennamen im späteren Berufsleben ständig begleiten werden. Tauschen ist hier einfach, weil du zu einem anderen Termin gehen und dich unter die Liste schreiben kannst.
Klinische Chemie
Jede zweite Woche besuchst du das Praktikum. Wie bereits erwähnt beginnt es leider um 7:30 Uhr morgens. Für jeden Termin musst du einen vorher zugeteilten Fall bearbeiten und über Diagnostik, Diagnose und Therapie eine Ausarbeitung schreiben. Im Praktikum besprichst du dann die Fallbeispiele und führst kleinere Versuche durch. Die Klausur wird erst im 6. Semester geschrieben.
Immunologie
Dieses Jahr wurde das erste Mal die Immunologie-Klausur vom 10. ins 5. Semester geschoben. Während des Semesters findet eine Vorlesung dazu statt. Wer noch Wissen zum Immunsystem aus der Vorklinik hat, kann daraus schöpfen und es um ein paar Infos erweitern. Ansonsten wird die Klausur jedoch kein Hindernis für dich sein.
Die weiteren Kurse sind kohortenspezifisch. Im Chirurgie Semester hast du Chirurgie (zusammengesetzt aus Viszeral-, Thorax-, Gefäßchirurgie (VTG), Urologie, Unfallchirurgie, Herzchirurgie und Orthopädie), ein chirurgischer OSCE, Gesundheitsökonomie und Geschichte und Ethik der Medizin. Die Innere Kohorte lernt über Radiologie, muss den Innere OSCE, Biometrie & medizinische Informatik bestehen. Da ich dieses Semester in der Chirurgie-Kohorte eingeteilt war, will ich jetzt vor allem darüber berichten:
Gesundheitsökonomie
Anfangs gibt es dazu eine Vorlesung, über die dann Ende Dezember eine Klausur (das erste Mal eine Klausur mit zwei Freitextaufgaben) geschrieben wird. Nach den Weihnachtsferien musst du ein Referat in einer der drei Seminare halten. Angenehm, dass die Klausur nicht auch noch in der engen Klausurenphase lag.
Geschichte der Medizin
Genau wie in Ethik der Medizin gibt eine Vorlesung pro Woche. Bezüglich der Seminare kannst du zwischen verschiedenen Themen auswählen. Dieses Semester waren das: „Forschung am Menschen im 20. Jahrhundert“, „Medizin im Nationalsozialismus“, „Doping und Enhancement“, „Interkulturelle Medizin“, „Zur Geschichte und Thematik der psychosomatische Medizin“ und „Euthanasie und Sterbehilfe zwischen Selbst- und Fremdbestimmung“. Drei Termine musst du besuchen, am Ende wird ein Essay erwartet.
Chirurgie
Fast jeden Tag steht für dich das chirurgische Praktikum an. Immer von 14:30-16 Uhr besprichst du verschiedene Themen in den unterschiedlichen Fächern. Für VTG, Unfallchirurgie und Orthopädie soll in Zweiergruppen ein Patient vorbereitet und dann im Kurs besprochen werden. Dazu gehst du vor dem Seminar zusammen mit deinem Partner auf die Station, findest im Orbis alles über die Patientengeschichte heraus und führst eine Anamnese und ggf. eine körperliche Untersuchung durch. Das Fach hat mir richtig viel Spaß gemacht, weil es sehr praktisch veranlagt ist. Die Klausur am Ende solltest du nicht unterschätzen, da sie mit 100 Fragen und 2,5 h Stunden die längste ist.
Der chirurgische OSCE
OSCE steht für „objective structured clinical examination“ und es handelt sich um eine praktische Prüfung. In Untersuchungskursen lernst du vorher, wie man Schulter-, Wirbelsäulen-, Hüft-, Knie- und Sprunggelenk, sowie das Abdomen korrekt untersucht. Außerdem lernst du nähen, knoten und dich für das sterile Arbeiten im OP einwaschen. Im chirurgischen OSCE sind dann drei Stationen aufgebaut. In einer wirst du in einem von den letzten vier genannten Tätigkeiten geprüft, die anderen befassen sich mit den Gelenken. Am besten legst du dir einen Ablauf zurecht, mit dem du strukturell untersuchen kannst (zuerst Inspektion, dann Palpation, dann Funktionstests, ...). Dabei ist es sehr wichtig, dass du alles was du machst und siehst auch kommentierst („Keine Rötungen, keine Schwellen, keine Hämatome,...“), weil der Prüfer nur dann weiß, was du siehst und dir Punkte eintragen kann.
Am Tag des OSCE bekommst du eine kurze Einleitung und wirst dann einer der Stationen zugeteilt. Erklingt der Signalton, liest du die Anweisungen an der Tür, trittst ein und deine 6:30 Minuten laufen. Ist alles ausgeführt, verlässt du nach der Händedesinfektion den Raum. Ertönt der Schlusston bevor du fertig bist, musst du trotzdem sofort den Raum verlassen und zur nächsten Station weitergehen. Mir hat das richtig Spaß gemacht, weil die Schauspielpatienten super nett sind und sehr gut mitmachen. Die Diagnose ist meistens auch recht eindeutig, weil die Patienten wissen, bei welchen Tests sie aufschreien müssen.
Fazit
Alles in allem klingt das 5. Semester zunächst zwar so stressig wie die Vorklinik und sieben Klausuren in zwei Wochen sind sicherlich kein Spaß, aber ich hatte doch die ganze Zeit das Gefühl, die Professoren wollen uns in der Klinik nichts Böses mehr. Du hast in fast jedem Fach einen Fehltermin und die Durchfallquoten sind kein Vergleich zur Vorklinik. Da der Lernaufwand für die einzelnen Fächer ebenfalls gesunken ist, wirst du schnell merken, dass in den Fächern teils nur das Grundwissen abgedeckt wird. Es liegt also an dir, das Wissen in den Fächer zu vertiefen, die dich interessieren oder die du wichtig findest. So kannst du deine eigenen Schwerpunkte in der Vorbereitung für die Klausuren legen. Denn ganz ehrlich: Kein Mediziner auf der Welt kann später einmal ein Spezialist in jedem Fach sein.