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- Alexander Schöllkopf
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- 02.10.2024
Auslandsfamulatur – Rückblick (Teil 2)
Lokalredakteur Alexander hat bereits über die Vorbereitungen auf seine Auslandsfamulatur berichtet. Wohin ihn seine aufregende Reise führte und welche Erfahrungen er dort gemacht hat, erfährst du hier.
Für mich ging es in den Süden von Tansania, genauer gesagt nach Ndanda. Das dortige Krankenhaus wird geleitet von einem deutschen Ordensbruder und bietet ein breites Spektrum medizinischer Leistungen an. Neben der inneren Medizin und Allgemeinchirurgie stellen die Orthopädie – die Anzahl der Motorradunfälle ist erschreckend hoch, die Anzahl der Helmtragenden erschreckend niedrig – und die Gynäkologie die Tätigkeitsschwerpunkte dar. Aber auch eine Augenklinik, wo unter anderem Katarakt-Operationen durchgeführt werden, und sogar eine eigene Zahnklinik sind vor Ort.
Der Besuch deutscher Studierender hat in Ndanda eine gewisse Tradition. Während der Semesterferien werden bis zu 6 Famulaturplätze zeitgleich vergeben, sodass man eigentlich immer in guter Gesellschaft ist. In Absprache mit den anderen verteilt man sich tages- oder wochenweise auf die verschiedenen Stationen und ist bei guter Koordination mit maximal zwei Studierenden in einer Abteilung. In den rund 4 Wochen, in denen ich vor Ort war, kam es allerdings auch immer wieder vor, dass die Zahl von 6 Studierenden überschritten wurde. Dann konnte es in der Klinik auch ein bisschen enger werden.
Der Tagesablauf in Ndanda ist ziemlich durchgetaktet: Frühstück um 07:00 Uhr, Frühbesprechung bzw. Visite um 07:30 Uhr, Mittagessen um 13:00 Uhr und Abendessen um 18:30 Uhr. Vor allem vormittags verbringt man seine Zeit auf Station, in den einzelnen Funktionsbereichen oder im sog. „Theatre“, wo die Operationen stattfinden. Nach dem Mittagessen steht es einem frei zu entscheiden, ob man noch einmal in die Klinik zurückkehren oder lieber Feierabend machen möchte.
Welche Tätigkeiten man in der Klinik übernehmen kann, hängt vor allem davon ab, wie aktiv man sich einbringt. Wer nicht fragt, wird auch nur wenig eingebunden. So erging es auch mir zu Beginn. Nachdem ich aber nicht lockergelassen und es immer wieder eingefordert hatte, wurde ich zunehmend in die normalen Arbeitsabläufe integriert. Sei es die 1. Assistenz bei einer OP oder die Narkoseeinleitung bei einem kleinen Kind inklusive Intubation – dem Aufgabenspektrum waren quasi keine Grenzen mehr gesetzt.
Aber nicht nur deshalb war meine Zeit in Tansania – medizinisch-akademisch betrachtet – so spannend. Weil viele Menschen dort nicht versichert sind und es sich schlichtweg nicht leisten können, in ein Krankenhaus zu gehen, stellen sie sich oftmals viel zu spät ärztlich vor. Ihre Krankheiten sind dementsprechend weit fortgeschritten und zeigen sich in extremen Ausprägungsformen bzw. in ihren Endstadien. Am eindrucksvollsten waren in diesem Zusammenhang sicherlich die operativen Eingriffe zur Entfernung von Tumoren, die zum Zeitpunkt der operativen Entfernung eine schier unvorstellbare Größe erreicht hatten.
So faszinierend diese Eindrücke auch sind, so offenbaren sie gleichzeitig die Schattenseiten des tansanischen Gesundheitssystems, das so oder so ähnlich auch in anderen afrikanischen Ländern existiert. Man könnte meinen, unsere Medizin sei primär an Kostendeckung oder sogar Gewinnmaximierung orientiert. Viel extremer habe ich dies aber in Tansania wahrgenommen. Dort werden schwerkranke und zum Teil lebensbedrohlich erkrankte Menschen nicht behandelt, weil sie oder ihre Familien nicht für den Krankenhausaufenthalt aufkommen können. Ihnen bleibt zwar die Hoffnung, dass der Sozialfonds des Krankenhauses einen Teil der Kosten übernimmt. Aber gerade bei Personen mit schlechter Überlebensprognose folgt dieser einem ganz rationalen Kalkül und verweigert in Einzelfällen eine Therapie, die zwar die Prognose nicht verbessern, dafür aber das Leiden lindern kann.
Auch kann man Kritik an so manchem hygienischen Zustand im Krankenhaus üben, der eher auf die Arbeitsweise des Personals als auf den Mangel an finanziellen Mitteln zurückzuführen ist: Ameisenstraßen, die über Patientenbetten laufen; OP-Wunden, die nicht abgedeckt werden; steriles Material, das verunreinigt ist und trotzdem verwendet wird. Es verwundert also nicht, dass Wundinfektionen und damit verbundene Komplikationen ein enormes Problem darstellen.
Fazit
Trotz all der berechtigten Kritik blicke ich begeistert auf meine Zeit in Tansania zurück. Während meiner Famulatur habe ich viele spannende Fälle gesehen, durfte „selbst Hand anlegen“ und konnte meine eigenen Schwerpunkte setzen. Zudem hatte ich die Gelegenheit, die tansanischen Menschen und ihre Kultur viel besser kennenzulernen, als es eine klassisch-touristische Reise zuließe. Und natürlich bietet das Land mit seiner Natur und Tierwelt, seinen Stränden und insbesondere dem Inselparadies Sansibar alles, was man sich von der Reise in ein exotisches Land erträumt. Alles in allem also eine absolut empfehlenswerte Erfahrung.