- Bericht
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- Jana Schmidt
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- 13.08.2024
Wie ist die Vorklinik an der LMU aufgebaut?
Vorklinik ist gleich Vorklinik. Denkste! Lange Zeit war ich auch der Meinung, dass alle Medizinstudierenden an deutschen Unis grundlegend die gleiche Ausbildung durchlaufen. Das ist auch nicht ganz falsch, aber eben auch nicht ganz richtig.
Für das Medizinstudium geben verschiedene Gesetze und Verordnungen Rahmenbedingungen und Inhalte vor, zum Beispiel die Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) oder die Gegenstandskataloge des Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP). Am Ende kochen aber alle Unis doch ein bisschen ihr eigenes Süppchen.
Allgemeiner Aufbau der Vorklinik
Generell ist das Medizinstudium in Deutschland im Regelstudiengang dreigeteilt:
• Vorklinik
• Klinik
• Praktisches Jahr (PJ)
Das gilt auch für die LMU/TUM. Man beginnt also mit vier Semestern vorklinischem Studienabschnitt, die mit dem 1. Staatsexamen (auch M1, 1. ärztliche Prüfung oder Physikum) abschließen. Es folgen sechs Semester klinischer Studienabschnitt, auf die das 2. Staatsexamen (M2) folgt. Im Anschluss absolviert man noch einen circa einjährigen praktischen Teil und das 3. und letzte Staatsexamen, das M3, bevor man sich Arzt oder Ärztin nennen darf.
Die Bezeichnung dieser Studienabschnitte hat weniger damit zu tun, wie viel Zeit ihr im Krankenhaus verbringt, sondern mehr damit, mit welchen Inhalten ihr euch auseinandersetzt. Während der Klinik beschäftigt ihr euch hauptsächlich mit „klinischen“ Fächern, also solchen, die ihr beispielsweise auch später als Fachrichtungen wählen könnt, zum Beispiel Neurologie, Chirurgie, Pathologie, und so weiter. Davor, also in der Vorklinik, geht es um die Grundlagenfächer, zum Beispiel Biologie und Chemie. Natürlich könnt ihr auch Facharzt oder Fachärztin in manchen Grundlagenfächern wie beispielsweise Anatomie werden.
Vorklinische Fächer
An der LMU beinhaltet die Vorklinik folgende Fächer:
Berufsfelderkundung, Terminologie, Makroskopische Anatomie, Mikroskopische Anatomie (Histologie), Neuroanatomie, Vegetative Physiologie, Neurophysiologie, Chemie, Biologie, Physik, Biochemie, Organzentriertes Seminar, Medizinische Psychologie und Soziologie, Anamnesekurs, Untersuchungskurs und eine ergänzende Vorlesung im Rahmen des Longitudinalcurriculums.
Damit sind alle Inhalte für das Physikum abgedeckt. Es kann sein, dass der Stundenplan an anderen Unis etwas abweicht, weil die Reihenfolge nicht vorgeschrieben ist und die Unis ihre Fächer oft in unterschiedliche „Unterfächer“ aufteilen.
Einige der oben genannten Kurse sind in mehrere Abschnitte geteilt, weshalb ihr beispielsweise auch Biochemie 1 und 2 in euren Stundenplänen findet. Oftmals werden diese Veranstaltungen dann auch von verschiedenen Lehrstühlen durchgeführt.
Allgemein werden die Fächer eher als große Blöcke von mehreren Monaten abgearbeitet. Meistens hat man ein oder zwei Semester lang ein Fach, die Fachschaft der LMU hat dazu eine sehr gute Übersicht erstellt.
Ersti-Woche
Vor Beginn des eigentlichen ersten Semesters gibt es noch die „Ersti-Woche“. Dabei handelt es sich um eine tolle Initiative der Fachschaft, bei der ihr eure Kommilitonen und Kommilitoninnen kennenlernen könnt und bei entspannter Atmosphäre die Uni gezeigt bekommt. Entgegen der gerne mal ausbrechenden Panik ist es aber wichtig zu betonen: Die Ersti-Woche ist KEIN offizieller Teil des Semesters und somit KEINE Pflichtveranstaltung. Die Anwesenheit ist komplett freiwillig und wenn ihr zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht könnt, ist das absolut nicht schlimm und euch entstehen daraus keinerlei Nachteile.
Allgemeines zur Vorklinik an der LMU
Anders als an vielen anderen Unis gibt es an der LMU zwei sehr große Vorteile: Einerseits haben wir für alle Klausuren vier Versuche, anstatt nur drei, und andererseits müssen wir keine bestimmten Kurse oder Klausuren bestehen, um an anderen teilnehmen zu dürfen. Ihr müsst also zum Beispiel keine Chemie-Klausur bestehen, um am Biochemie-Kurs teilnehmen zu dürfen, was tatsächlich an manchen Unis der Fall ist. Da das Studium in München nur zum Wintersemester startet und die Kurse somit auch nur einmal im Jahr angeboten werden, würde euch das sonst immer um ein ganzes Jahr zurückwerfen.
Dafür ist sonst alles recht strikt vorgegeben. Ihr könnt eure Stundenplan also nicht frei wählen. Selten gibt es mal die Option Kurse zu tauschen oder zu wählen, ob ihr lieber online oder in Präsenz an einer Veranstaltung teilnehmen wollt, meistens werdet ihr Kursen aber einfach fest zugeteilt ohne darauf Einfluss nehmen zu können. Als zahlenmäßig größte Medizineruni Deutschlands ist das organisatorisch mit fast 1000 Studierenden pro Jahrgang kaum anders lösbar. Dafür müsst ihr euch um fast nichts kümmern. Flexibilität wiederum gibt es kaum, zudem recht viele Pflichtveranstaltungen. Ob das jetzt ein Vor- oder Nachteil ist, darüber lässt sich streiten. Außerdem gibt es seit der Corona-Pandemie relativ viele Online-Angebote, die auch weiterhin bestehen, was insbesondere für Studierende mit weitem Anfahrtswege oder beispielsweise Eltern wirklich sehr praktisch sein kann.
Freiwillige Lehre
Zusätzlich zum regulären Unterricht gibt es diverse (freiwillige) Lehr- und Lernangebote. Es gibt mehrere Mentoring- , aber auch Peerteachingprogramme, vorrangig in Form von Tutorien. Viele davon finden online statt, sodass ihr euch zumindest weite Wege sparen könnt. Außerdem bietet die LMU über die die genutzten Plattformen Moodle und VHB ein wirklich breites Angebot von e-Learning-Einheiten in verschiedensten Fächern an, worüber man wirklich sehr gut individuell Lücken schließen kann. Dabei greift man nicht nur auf Uni-eigene Inhalte zurück, sondern nutzt auch die Ressourcen anderer Universitäten.
Prüfungen
Das Medizinstudium ist ja dafür bekannt, dass man angeblich nur „kreuzt“, also während des ganzen Studiums nur Multiple bzw. Single Choice Fragen beantworten muss. Das mag an manchen Hochschulen der Fall sein, für die LMU, zumindest in der Vorklinik, gilt das allerdings nicht. Gerade im ersten Semester sind die Prüfungen überwiegend mündlich. Berufsfelderkundung hat in der Regel keine Prüfung, Terminologie schließt mit einer Online-Klausur ab, Makroskopische Anatomie 1 und 2 und Mikroskopische Anatomie 1 (Histologie) sind jedoch mündliche Testate. Die erste „klassische Kreuzklausur“ ist dann Mikroskopische Anatomie 2. In den folgenden Semestern gibt es aber noch weitere mündliche Testate, z.B. Anatomie 3 und Neuroanatomie. Je weiter das Studium fortschreitet, desto „schriftlicher“ wird es. Prüfungsleistungen sind dann eher klassische Kreuzklausuren, außerdem erfolgreich absolvierte Praktika, Referate, Online-Lehreinheiten auf Moodle oder VHB und ähnliches, sowie natürlich ganz allgemein eine Mindestanwesenheit. Die meisten schriftlichen Klausuren sind dann auch Multiple bzw. Single Choice Klausuren, einige wenige enthalten aber auch freie Fragen, z.B. vegetative Physiologie oder Biochemie 1. Davor müsst ihr aber wirklich keine Angst haben, diese Fragen kann man gut üben und sie sind in der Regel fair gestellt.
Das Physikum
Nach vier Semestern steht euer erstes von drei Staatsexamen an: das Physikum. Es besteht aus einem mündlichen und einem schriftlichen Teil und prüft quasi alles ab, was ihr zuvor in der Vorklinik gelernt habt. Die Prüfungsfragen für den schrfitlichen Teil, der ebenfalls nur aus Kreuzfragen besteht und bei dem quasi alle Fächer geprüft werden, werden vom IMPP erstellt und sind deutschlandweit gleich. Mündlich werden die „großen“ Fächer, also Anatomie, Physiologie und Biochemie, von den Dozierenden eurer Uni geprüft.
In der zweiten Hälfte des vierten Semesters hat man nur noch das organzentrierte Seminar (OZS), eine Pflichtveranstaltung ohne Prüfung, die thematisch und organisatorisch bereits auf das Physikum vorbereiten soll. Im Anschluss ist veranstaltungsfreie Zeit, die zum Lernen bleibt.
Um überhaupt zugelassen zu werden, müsst ihr zuvor alle Prüfungsleistungen erfolgreich absolviert haben. Bescheinigt wird euch das mit 16 Leistungsnachweisen. Umgangssprachlich nennt man diese „Scheine“, da es früher tatsächliche Papierscheine waren, die man gesammelt hat. Heute werden sie digital eingetragen und ihr könnt sie jederzeit einsehen. Wenn ihr alle habt, seid ihr „scheinfrei“ und könnt euch für das Examen anmelden. Lasst euch aber nicht von den 16 Scheinen verwirren, denn es sind mehr als 16 Prüfungsleistungen, die ihr dafür erbringen müsst. Einige werde dann allerdings zu einem Schein zusammengefasst, manche Prüfungsleistungen fließen auch in mehrere Scheine ein. Das ist leider relativ undurchsichtig und gefühlt benötigt man ein eigenes Studium, um das wirklich gänzlich zu verstehen.
Was kommt danach?
Da es am Studienort München die Besonderheit gibt, dass ihr während der Vorklinik doppelt immatrikuliert seid, ihr also sowohl bei der LMU, als auch bei der TUM eingeschrieben seid, müsst ihr euch nach dem Physikum entscheiden, an welcher Uni ihr weiterstudieren wollt. Die LMU kennt ihr bis dahin schon ganz gut, da fast alle Veranstaltungen der Vorklinik von und an der LMU durchgeführt werden, weshalb sich die meisten bis dahin eher als „LMU-Studis“ verstehen. Auf die Entscheidung, an welcher der beiden Universitäten ihr den klinischen Studienabschnitt absolviert, habt ihr allerdings auch nur bedingt Einfluss, da hier ein Losverfahren mit Einfluss nimmt.