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  • Jana Schmidt
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  • 04.06.2025

Learnings aus der Vorklinik

Der Einstieg ins Medizinstudium gilt als eine der härtesten Phasen – vollgepackt mit Fakten, Zweifeln und hohen Erwartungen. Doch du bist nicht allein: Studierende aus ganz Deutschland teilen hier offen ihre Erfahrungen, Rückschläge und Learnings aus der Vorklinik. Ehrlich, ermutigend und genau das, was man hören muss, wenn es mal nicht rund läuft.

 


 

Liebe Studi-Neulinge,

man munkelt, die „finsterste aller Zeiten“ eures Studiums stünde euch unmittelbar bevor: die Vorklinik. Der vorklinische Studienabschnitt – und insbesondere das Physikum als krönender Abschluss – ist für viele das große Schreckgespenst des Medizinstudiums. Vollgepackt mit naturwissenschaftlichen Grundlagenfächern, kann ich persönlich das gut nachvollziehen, denn mir ging es genauso. Ich habe kein besonders gutes Abitur, habe erst zehn Jahre später mit dem Studium begonnen und war insbesondere in Chemie, Mathe und Physik wirklich eine Niete. Für mich war klar: Das kann ich gar nicht schaffen. Und so habe ich mich jahrelang gar nicht erst beworben.

Und nein – leider kann ich jetzt nicht behaupten, dass es ganz anders kam und die Vorklinik ein Spaziergang war. Aber ich habe in dieser Phase sehr viel über mich selbst, meine Fähigkeiten und meine Grenzen gelernt. Eines ist mir dabei aber vor allem im Gedächtnis geblieben: Egal, wie schlimm oder unschaffbar es sich manchmal angefühlt hat – es war immer etwas weniger schlimm, wenn man sich damit nicht so allein gefühlt hat.

Damit ihr euch vielleicht auch etwas weniger allein fühlt, geben euch hier einige Studierende ihre persönlichen „Vorklinik-Learnings“ mit auf den Weg. Den Anfang macht Manuel.
 

Manuel, was hast du in der Vorklinik über dich selbst oder das Studium gelernt?

"Als 'Altstudent', der zehn Jahre nach dem Abitur mit seinem ersten Studium begonnen hat, habe ich viel Bescheidenheit lernen müssen. Während mir auf der Arbeit der Alltag leichtfiel und ich viel Kapazität hatte, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, habe ich mich in das Studium mit der Einstellung gestürzt: 'Ich schaffe das schon alleine. Und alles andere auch.' Nach den ersten verhauenen Klausuren durfte ich dann – Gott sei Dank – auch lernen, wie viel ich von meinen Kommiliton:innen lernen kann und wie wichtig es ist, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen."

• Manuel, Eberhard Karls Universität Tübingen
 

Katharina, was möchtest du anderen über die Vorklinik mitgeben?

"Mein größtes Learning: dass man lernen muss/wird, mit sehr unvollständigem Wissen Prüfungen zu bestehen; dass es meiner Ansicht nach vom System sogar so vorgesehen ist, einen erstmal gnadenlos mit Wissen zu überfordern – und erst mit der Zeit zu verstehen, was man da eigentlich lernt; und dass Prüfungen vor allem auch eine nervliche Probe sind ... und es oft pures Glück braucht!

Meine größte Überraschung: dass es doch einige Prüfungsleistungen gibt, die einem geschenkt werden (…).

Das hat mich am meisten weitergebracht: Tutorien.

Das würde ich Studierenden zum Studienbeginn raten: durchhalten, es geht vorbei. Es wird besser. Du wirst es schaffen."

• Katharina, Technische Universität München
 

Lina, was hast du in der Vorklinik über dich oder das Studium gelernt?

"Die Vorklinik – für viele das Schreckgespenst des Studiums, für einige eine tolle Herausforderung ihres naturwissenschaftlichen Verständnisses – war für mich eine sehr fundamentale Erfahrung. Da ich mein ganzes Leben schon wusste, dass ich Medizin studieren möchte, war an jeder Stelle klar, dass ich das Studium durchziehe, egal wie zäh es wird. Und es wurde zäh!

Ich habe Menschen getroffen, denen es vermeintlich ähnlich geht, die aber immer leicht gute Noten geschrieben haben – wodurch ich mich allein, dumm und zu schlecht für dieses Studium gefühlt habe. Und ich habe Menschen getroffen, denen es ohnehin sehr leichtfällt, stundenlang auf die Biochemie zu schauen und es einfach spannend zu finden, im hundertsten Durchgang durch den Citratzyklus noch ein kleines NADH zu finden.

Gelernt habe ich, dass ich mich am besten auf mich selbst und mein Gefühl verlassen kann; dass das „Außen“ wohldosiert sein muss, damit ich mich nicht vergleiche und unnötig schlecht fühle – und dass jede und jeder dieses Studium schaffen kann."

• Lina, Ludwig-Maximilians-Universität München
 

Elisabeth, was hast du bisher aus dem Studium gelernt?

"Ich würde sagen, aus dem Studium habe ich gelernt: Es ist wichtig, sich nicht von Misserfolgen verunsichern zu lassen – und vor allem auch nicht von inadäquaten Aussagen von Prüferinnen oder Prüfern. Es kann passieren, nicht aufs erste Mal zu bestehen – und das ist absolut nicht schlimm. Wenn man da anfängt, an sich zu zweifeln und sich Aussagen zu sehr zu Herzen nimmt, dann schleift man oft viel zu viel mit in andere Prüfungen und blockiert sich selbst.

Man soll sich absolut nicht vergleichen, sein eigenes Ding machen – egal, wie absurd die Lernmethode auch sein mag. Wenn sie für einen funktioniert, dann dranbleiben und auch nicht schauen, wie schnell, langsam oder vermeintlich easy andere durchkommen – einfach bei sich bleiben.

Frühzeitig (versuchen), Struktur reinzubringen: Pläne schreiben, Stichpunkte, Wochenlernziele, einen Plan mit allen Terminen und was bis wann zu tun ist. Aber nicht zu streng sein – es als groben Überblick sehen und sich grob orientieren, aber nicht panisch daran festhalten. Viel Puffer einbauen.

Was für mich sehr gut funktioniert hat: Lernvideos schauen, mitschreiben, aus dem Gedächtnis schreiben, nur anhören, kontrollieren, Details nachlesen, aus dem Kopf runterschreiben etc.

Gemeinsames Abfragen und Durchgehen, einfach über den Stoff reden – und sich auch einfach mal ein bisschen auskotzen. Man darf auch gemeinsam mal ein bisschen jammern. Lockere Gespräche helfen, den Stoff entspannt zu wiederholen.

Ganz viele Leitungsbahnen malen, auch Organsysteme etc. Aufzeichnen, wo was hingehört – auch fächerübergreifend."

• Elisabeth, Ludwig-Maximilians-Universität München
 

Nadin, was war dein größtes Learning aus der Vorklinik?

"Mein größtes Learning aus der Vorklinik war, wie wichtig ein solides Grundlagenverständnis ist – nicht nur für Prüfungen, sondern um später klinische Zusammenhänge wirklich zu verstehen. Es hat mir gezeigt, dass Fleiß zwar wichtig ist, aber echtes Verstehen nachhaltiger wirkt als Auswendiglernen. Außerdem habe ich gelernt, dass Lernpausen genauso wichtig sind wie das Lernen selbst – sie helfen dabei, den Kopf freizubekommen und neue Energie zu schöpfen."

• Nadin, Ludwig-Maximilians-Universität München
 

Markus, was hast du in der Vorklinik über dich selbst und das Studium gelernt?

"Dank eines vorherigen Studiums konnte ich in der Vorklinik ein paar naturwissenschaftliche Zusammenhänge verstehen, die sich für mich weitreichend und vernetzend angefühlt haben – statt nur von einem Wust unzusammenhängender Fakten und Modelle erschlagen zu werden (das passierte allerdings trotzdem noch oft genug). Nichtsdestotrotz wird mir das bessere Verständnis von Oxidationszahlen und Gibbs-Energie wohl nie im klinischen Alltag helfen – und es bleibt nur die Erkenntnis, dass die Vorklinik hoffnungslos überladen ist und sehr viele Ressourcen verschwendet.

Um trotzdem durch die Prüfungen zu kommen, hat mir Folgendes am meisten geholfen: den tatsächlich abgefragten Stoff vom Lernzielkatalog zu unterscheiden, den eigenen Lerntyp herauszufinden und sich dabei nicht von der Masse an Lernressourcen verunsichern zu lassen – und natürlich Freunde im Studium zu finden. Alles leichter gesagt als getan.

Die Begegnung mit so vielen motivierten und umtriebigen Menschen birgt natürlich auch die Gefahr von FOMO und deprimierenden Vergleichen. Für mich war es hilfreich, Errungenschaften möglichst mit all ihren Voraussetzungen und Konsequenzen zu sehen. Das sortiert vieles aus, was man als Ganzes gar nicht haben wollen würde!"

• Markus, Technische Universität München
 

Khan, was hast du aus der Vorklinik mitgenommen?

„Ich dachte am Anfang, ich müsste alles perfekt können – vor allem in Anatomie. Das hat mich total blockiert. Irgendwann habe ich verstanden: Es geht nicht darum, immer die richtige Antwort zu wissen, sondern darum, dranzubleiben und sich nicht von Rückschlägen entmutigen zu lassen. Ich bin mehrfach durch die Physikums-Probeklausuren gerasselt – und habe das echte Examen dann trotzdem bestanden.

Mein Learning: Scheitern gehört in der Vorklinik dazu. Man ist trotzdem nicht weniger wert oder weniger fähig. Der Vergleich mit anderen ist der größte Energiefresser – besser ist es, mit sich selbst fair zu sein.“

• Khan, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
 

Lisa, was nimmst du aus der Vorklinik mit?

„Was mir am meisten geholfen hat: zu akzeptieren, dass ich nicht alles allein schaffen muss. Am Anfang habe ich versucht, den Stoff komplett alleine zu bewältigen – aus Angst, in Lerngruppen ‚dumm dazustehen‘. Irgendwann war ich völlig überfordert. Dann habe ich mich einer kleinen Lerngruppe angeschlossen. Wir waren ehrlich zueinander, haben auch mal über Blackouts und Tränen geredet.

Mein Learning: Gemeinsam geht’s leichter. Es ist kein Zeichen von Schwäche, um Hilfe zu bitten – sondern ein Zeichen von Intelligenz. Die Vorklinik ist hart, aber sie muss nicht einsam sein.“

• Lisa, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
 

Zuletzt möchte ich euch selbst gerne noch etwas mitgeben.

Ich habe in der Vorklinik aus diversen Gründen wirklich gestruggelt. Ich bin durch Klausuren gefallen, habe andere wie durch ein Wunder (aka Prüferglück) zwar bestanden, aber eigentlich nichts mitgenommen. Am Ende musste ich wegen einer fehlenden Klausur das Physikum um ein Semester schieben. Zunächst war das unfassbar stressig für mich – vor allem auch finanziell – und das möchte ich weiterhin nicht kleinreden. Am Ende war es aber das Beste, was mir hätte passieren können.

Ich hatte ein halbes Jahr Zeit, mich um meine Gesundheit zu kümmern und mich ohne konkreten Druck in meinem eigenen Tempo aufs M1 und die fehlende Klausur vorzubereiten. Das war immer noch stressig, klar, aber man konnte endlich mal durchatmen. Insbesondere bei der längeren Physikumsvorbereitung hatte ich unglaublich viele „Aha“-Momente – sowohl bezüglich des Stoffs als auch bezüglich meines eigenen Lernstils, meiner Organisation, meines Ausgleichs zum Studium und vielem mehr. Plötzlich hat mir das Lernen zum ersten Mal richtig Freude bereitet – und ich war wirklich motiviert, zumindest meistens.

Jetzt sitze ich in der Klinik und komme nicht nur viel besser zurecht (trotz maßlos überladenem Modul 1), sondern bin auch umgeben von lauter anderen Menschen, die ebenfalls nicht in Regelstudienzeit durchgezogen haben – und fühle mich viel verstandener. Obwohl das vielleicht vorher auch schon so war, habe ich es einfach nicht gespürt. Große Jahrgänge wie an der LMU und die damit verbundene Anonymität haben hier sicher auch etwas beigetragen.

Mein größtes Learning war es, zu verstehen, dass meine Sicht beschränkt ist – und unsere Wahrnehmung oft massiv verzerrt. Wen nehme ich in einem Seminar mit 20 anderen Studierenden wahr? Die drei, die sich regelmäßig melden und schlaue Antworten geben – aber sicher nicht die 17 anderen, die genauso still sind wie ich und von denen sich sicher viele ebenfalls denken: „Ohje, wieso weiß ich das nicht?“

Für die Klinik habe ich außerdem beschlossen, dass es mir dringend egaler sein muss, ob andere mich für blöd halten, wenn ich eine falsche Antwort gebe. Ich lerne gut aus Fehlern, mitdenken und verstehen – also mache ich jetzt möglichst viel mit und stelle auch gerne mal scheinbar dämliche Fragen, deren Antwort ich vielleicht wissen sollte, aber es eben einfach nicht tue. Was kann schon passieren – außer dass ich mich selbst dabei blöd fühle? Und das kann ich lernen zu steuern.

Ich hoffe, wir kommen in diesem Studiengang bald an einen Punkt, an dem es viel mehr um Gemeinsamkeiten als um Unterschiede geht – auf allen Ebenen. Ihr könnt dazu beitragen, indem ihr die Gemeinsamkeiten sichtbar macht, auch wenn das manchmal beängstigend wird. Ich wette, ihr werdet meistens (positiv) überrascht!

Viel Erfolg und starke Nerven für eure Vorklinik!

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