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- Melanie Poloczek
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- 24.08.2017
Medizin studieren mit dem iPad
iPad statt Collegeblock, Bluetooth-Stift statt Kugelschreiber – ein Medizinstudium ohne digitales Lernen ist heute kaum noch vorstellbar. Doch wie genau lernt man eigentlich mit einem iPad? Ein Beispiel.
Lernmethode
Wie man mit einem iPad lernt, hängt gewiss vom eigenen Lerntypen ab. Ich selbst fertige mir vor Prüfungen mehr oder weniger ausführliche Zusammenfassungen an. Das ist natürlich eine aufwendige Methode – viel zeitintensiver als das bloße Durchlesen von Texten. Allerdings hat sich der Lerneffekt bei mir als äußerst groß erwiesen und auch für spätere Wiederholungen vor der eigentlichen Prüfung ist eine eigene Zusammenfassung Gold wert. Und noch eine gute Nachricht: Dank iPad ist das Zusammenfassen gar nicht mal so mühevoll wie von Hand.
Ausstattung
Am Anfang steht das iPad. Ich verwende ein iPad Pro (9,7 Zoll, 128GB Speicher) mit zugehörigem Apple Pencil. Größe und Speicherplatz sind vollkommen ausreichend, das Schreibgefühl ist sehr angenehm, der Handballen kann problemlos auf dem Display abgelegt werden und auch die Akkulaufzeit ist nicht enttäuschend.
Vom iPad und dem zugehörigen digitalen Stift einmal abgesehen, ist zunächst eine App nötig, mit der man Zusammenfassungen anfertigen kann. Ich habe mich für das Schreibprogramm „GoodNotes“ entschieden, in dem ich auch sämtliche Vorlesungsfolien verwalte und im Hörsaal darauf mitschreibe. Man kann hier etwa zwischen verschiedenen Papierformaten und –typen wählen, Stiftart und Strichstärke einstellen sowie – sehr wichtig – Bilder in das Dokument einfügen. Das Miteinbeziehen von Grafiken ist sicherlich einer der großen Vorteile digitalen Zusammenfassens, denn in eine handschriftliche Zusammenfassung kann man nicht so einfach Bilder aus Lehrbuch oder Internet übernehmen.
Ist die technische Ausstattung vorhanden, wird natürlich auch eine Lehrquelle benötigt, sprich Texte, die durchgelesen und zusammengefasst werden können. Im ersten Semester habe ich dafür über die App „eRef“ auf die eBook-Formate von Lehrbüchern zurückgegriffen. Natürlich kann man auch ein ganz gewöhnliches Buch vor sich legen und den Stoff daraus auf dem iPad zusammenfassen, allerdings haben digitale Bücher den Vorteil, dass man passende Bilder direkt in die eigene Zusammenfassung übernehmen kann. Hinzu kommt, dass man sie auf dem iPad ganz automatisch überall dabei hat und nicht separat herumtragen muss. Übrigens: Auf einem iPad Pro kann man zwei Fenster nebeneinander öffnen, sodass Lehrtext und Schreibprogramm gleichzeitig angezeigt werden und kein ständiger Wechsel zwischen beiden Ansichten nötig ist.
Ich selbst benutze seit einer Weile "via medici" als Text- bzw. Lernquelle. Diese Online-Plattform bietet nicht nur Lehrtexte in Kurz- oder Langfassung, sondern auch Physikumshinweise und zugehörige Fragen, die im Anschluss gekreuzt werden können. Sehr hilfreich finde ich auch die beigefügten Videos. Gerade im Fach Anatomie kann es schwierig sein, die Theorie auf die Praxis – sprich, auf den Körperspender und später dann auf den Patienten – zu übertragen. Arterien sind nicht kirschrot, Venen nicht himmelblau, Nerven nicht sonnengelb, viele Strukturen sind kleiner als erwartet. Vor allem die Präpariervideos, in denen Strukturen am Körperspender gezeigt und verfolgt werden, haben mir beim Lernen zuhause geholfen, um ein realistischeres anatomisches Verständnis aufzubauen. Und auch für das Bestehen der Anatomietestate selbst waren sie gut.
Vorgehensweise
Zunächst einmal rufe ich das gewünschte Kapitel in via medici auf. Jedem Text geht hier ein Steckbrief voran, in dem das Wichtigste zum Thema kurz zusammengefasst ist. Diesen lese ich zum Einstieg durch, um einen Überblick über das zu gewinnen, was mich in den anschließenden Erläuterungen erwartet. Vom Informationsgehalt entspricht der Steckbrief etwa dem Seitenrand der Dualen Reihe.
Erst danach studiere ich den langen Text. Abschnittsweise fasse ich diesen dann auf dem iPad zusammen, ein richtiges Schema habe ich dabei nicht. Ich fasse mich möglichst kurz – Stichpunkte, niemals ganze Sätze – und zeichne bestenfalls kleine Schemata ein, da diese auch rein visuell viel einprägsamer sind. Mein Augenmerk liegt dabei vor allem auf den fett hervorgehobenen Begriffen des Lehrtextes. Welche Inhalte wichtig sind und welche getrost beiseite gelassen werden können, erkennt der geübte Zusammenfasser aber schnell von ganz allein.
Außerdem empfehle ich Eselsbrücken. Mediziner sind mitunter sehr kreative Menschen, weshalb du - auch ohne selbst kreativ zu werden – im Internet bereits diverse Gedächtnisstützen unserer Vorgänger finden kannst. Das Schöne ist, dass du sie – und natürlich das Wissen, das sich dahinter verbirgt – nicht mehr so schnell vergessen wirst.
Wenn ich das gesamte Kapitel durchgearbeitet habe, überfliege ich die beigefügten IMPP-Fakten, welche die besonders prüfungsrelevanten Aussagen noch einmal summieren.
Da ich mein iPad im Unialltag bestenfalls immer dabei habe, folgt mir auch die Zusammenfassung überall mit hin. Dennoch drucke ich ausgewählte Seiten bei Bedarf aus, in den Präpariersaal zum Beispiel nehme ich lieber handfestes Papier mit, um mein iPad getrost im Spind zurücklassen zu können. Die Zusammenfassung gehe ich dann ein paar Tage vor der Prüfung immer wieder durch, nehme sie mit zu letzten Lehrveranstaltungen und Lerngruppentreffen und hefte Ausgedrucktes erst nach der Prüfung zu allen anderen Zusammenfassungen in einen Order – einem ganz persönlichen Lehrbuch sozusagen.
Mittlerweile kann ich mir mein Studium ohne iPad nicht mehr vorstellen. Ich hoffe, ich habe mit diesem Text bei euch auch ein bisschen die Lust aufs digitale Lernen geweckt.