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  • Melanie Poloczek
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  • 15.05.2017

Medizin studieren mit dem iPad – Münster macht’s möglich

Haufenweise Praktikumsskripte, diverse Seminarunterlagen und Regale voller Lehrbücher – das war gestern. Wer Medizin in Münster studiert, muss sich schon lange keine Anatomieatlanten mehr unter den Arm klemmen. Hier wird mit dem iPad gelernt.

 

Würde jemand im Hörsaal das Licht ausmachen, dann würde fast jedes Gesicht vom hellen Bildschirm eines iPads angeleuchtet werden. Studenten, die Vorlesungsfolien noch ausgedruckt vor sich liegen haben, sind in Münster eine Rarität, fast schon vom Aussterben bedroht. Immer mehr Mediziner greifen zum elektronischen Alleskönner, immer weniger Mediziner klagen über viel zu kleine Hörsaaltische und viel zu schwere Taschen. iPads sind klein, leicht, handlich – kein Wunder also, dass diese schon fast so obligat sind wie der eigene Kittel oder das eigene Stethoskop. Doch wie geht so etwas – wie studiert man Medizin auf 60 Quadratzentimetern?

„Easystudium“ nennt sich das Projekt, das die Medizinische Fakultät der Uni Münster ins Leben gerufen hat. Hier versucht man, mit der Zeit zu gehen und sich die Innovationen von heute zu Nutze zu machen, damit das Staatsexamen von morgen ein Kinderspiel wird. Human- und Zahnmediziner, die nicht ohnehin schon ein Tablet besitzen, können sich ab dem 2. Semester bis zum Physikum kostenlos ein iPad der Universität ausleihen, um die zahlreichen elektronischen Lernangebote zu nutzen.

Lehrbücher können von Medizinstudenten kostenlos als eBooks heruntergeladen werden, darunter die gängigsten Anatomieatlanten, Kurzlehrbücher und Standardwerke. Jeder Student kann jederzeit jedes Buch nutzen, die Situation „alle Exemplare sind bereits vergriffen“ gibt es nicht mehr. Der Gang in die Bibliothek ist also gar nicht nötig, genauso wenig wie der Gang ins Möbelhaus – das eigene Bücherregal besteht nicht mehr aus Holz, sondern aus Speicherplatz.

Diverse Apps können in Vollversion heruntergeladen werden, dabei sind vor allem die Anatomie-Apps sehr beliebt. Ein eigenes, lebensgroßes Skelett neben dem Schreibtisch ist – falls überhaupt vorhanden – bei vielen zum Accessoire geworden: Wer sich den Humerus oder die knöcherne Orbita in ihren Einzelheiten ansehen will, öffnet einfach die entsprechende App, dreht und wendet den Knochen in 3D-Ansicht und bereitet sich so auf anstehende Testate vor. Auch Muskeln, Nerven und Gefäße können aus allen Winkeln betrachtet werden, andere Apps bieten Lernkarten und Module zum Kreuzen.

Sehr beliebt ist auch das „Kittelduell“, das Quizduell der Mediziner in Münster. Teilnehmende Dozenten können hier Altklausurfragen hochladen, welche die Studenten dann in Duellen gegen ihre Kommilitonen beantworten. Sogar ein Programm, das Anatomie, Biochemie & Co durch Malen und Zeichnen statt Lesen und Markieren vermittelt, ist vorhanden.

Wo der Haken an der Sache ist, kann man sich fragen. Ich habe noch keinen gefunden. Die Teilnahme am Projekt kostet uns Medizinstudenten keinen Cent, dafür aber weniger Nerven und weniger Rückenschmerzen. Vielleicht ist eben genau das der Weg, wie gute Lehre und gutes Lernen aussehen können. Ein Weg, auf dem Aberhunderte von Vorlesungsunterlagen nicht ausgedruckt werden müssen, sondern mit elektronischem Stift direkt auf dem Gerät beschrieben werden können. Ein Weg, auf dem sich das eigene Vermögen nicht in Form von dutzenden Büchern im Regal ansammelt, von denen die meisten letztendlich verstauben, da sie ja doch keine Verwendung finden. Ein Weg, von dem ich mir wünsche, dass er zugunsten aller Mediziner in Zukunft auch an anderen Universitäten gegangen wird.

Für den papierliebenden Medizinstudenten gibt es dennoch einen Trost: Sämtliche Lehrwerke kann man natürlich auch selbst kaufen oder in der Medizinerbibliothek in Buchform ausleihen – ganz ohne Ladekabel und Apple-Zeichen.

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