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- Anna Wötzel
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- 30.01.2024
Pflegepraktikum in der Schweiz
Spital statt Krankenhaus, Ovomaltine statt Kakao – im Arbeitsalltag und auch in der Sprache gibt es Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz. Welche weiteren Besonderheiten ihr während des Pflegepraktikums in Luzern aufgefallen sind, berichtet Lokalredakteurin Anna.
Unweit vom Ufer des Sempacher Sees befindet sich das Luzerner Kantonspital sowie die beiden dazugehörigen Personalwohnhäuser.
Im Krankenhaus Betten beziehen und Pflegewagen durch die Gänge schieben, während draußen die Sommersonne scheint. Meine ersten Semesterferien nach einem Jahr Medizinstudium hatte ich mir anders vorgestellt. Doch für mich stand das Pflegepraktikum an. Umso glücklicher war ich, als ich von der Option erfuhr, den Krankenpflegedienst im Ausland zu machen – eine Möglichkeit, Fernweh und Pflicht zu verbinden. Acht Monate später saß ich im ICE Richtung Basel. Einen Monat meines Pflegepraktikums wollte ich in der Schweiz verbringen. Um genau zu sein, im Luzerner Kantonspital in Sursee, einem kleinen Spital direkt am Sempacher See.
An meinem ersten Tag erhielten alle neuen Mitarbeitenden inklusive mir eine Führung durch das Haus. Besonders der Blick hinter die Kulissen der Großküche blieb mir in Erinnerung. Mit mir begannen viele junge Schweizerinnen ihre Arbeit am Spital. Unter anderem mit dem Wunsch, die Ausbildung zur FaGe zu absolvieren. Die Fachkraft Gesundheit (FaGe) steht in der Schweiz mit ihren Kompetenzen zwischen der deutschen Pflegeassistenz und der Pflegefachkraft. Sie hilft in der Grundpflege, bereitet aber auch Infusionen und Medikamente vor.
Schnell fiel mir auf, dass auch, wenn in der Schweiz Deutsch gesprochen wird, eine Sprachbarriere besteht. Ich brauchte einen Augenblick, um mich an Zimmernummern wie nüüni, zähni und elfi zu gewöhnen. Ich kochte Schale statt Milchkaffee, putzte die Zimmer nach Austritten statt Entlassungen und musste oft nachfragen, weil ich etwas nicht verstand. Doch auch wenn Hochdeutsch für Schweizer wie eine Fremdsprache ist, waren meine Kolleginnen und Kollegen glücklicherweise immer dazu bereit, sie mit mir zu sprechen.
Der Frühdienst fing in Sursee um 7 Uhr morgens an. Von meinem Zimmer im hauseigenen Personalwohnhaus dauerte mein Arbeitsweg nur wenige Gehminuten. Anders als in meinem deutschen Pflegepraktikum konnte ich quasi ausschlafen. Meine Aufgaben ähnelten denen, die ich schon aus meinem Praktikum in der Heimat kannte. Ich kümmerte ich mich um die Mahlzeiten auf Station, bereitete die Zimmer für Zugänge vor und sorgte dafür, dass Wäschesäcke immer leer und Pflegeschränke immer voll waren. Wenn geklingelt wurde, war ich meist als Erste im Zimmer.
Dadurch, dass ich in der Schweiz auf einer Privatstation arbeitete, kamen noch Tätigkeiten hinzu. So polierte ich nach dem "Zmittag" (Mittagessen) Serviettenringe und ging auf Häppli-Runde, um süße Teilchen und Obst zu verteilen. Vorausgesetzt, die Ernährungspläne der Patientinnen und Patienten ließen das zu. Morgens brachte ich die Zeitung und nachmittags frische "Tuechli" (Handtücher) in die Zimmer.
„Machst Du hier dein Häfeli-Praktikum?“ Diese Frage bekam ich oft zu hören. Denn auch Schweizer Medizinstudierende müssen in der Pflege anpacken. Ihr sogenanntes Häfeli-Praktikum dauert allerdings nur einen statt drei Monate. Insgesamt empfand ich meine Arbeit als Praktikantin als sehr gut organisiert. Den Dienstplan erhielt ich per Mail einen Monat im Voraus. Die ersten Tage waren mir feste Personen zum Einarbeiten zugeteilt. Immer wenn meine Kolleginnen und Kollegen mir eine bestimmte Aufgabe erklärt hatten, konnten sie diese in meiner Kompetenzliste abhaken. Auch war klar kommuniziert, was meine Tätigkeiten als Praktikantin waren.
Meinen Dienst konnte ich also täglich nach dem Schema der gleichen Checkliste angehen. Natürlich nicht ohne immer wieder die atemberaubende Kulisse des Sees und der Berglandschaft zu bestaunen. Ich bin mir sicher, dass die Aussicht aus den Patientenzimmern ihren Beitrag zur Genesung leistete.
Neben der Anwesenheit vieler laminierter Checklisten fiel mir die Abwesenheit des Personalmangels, wie ich ihn in Deutschland erlebt hatte, und folglich eine angenehme Arbeitsatmosphäre, auf. Meine Kolleginnen und Kollegen wirkten selten gestresst. Die Stimmung im Team war gut. Die Pausen, auf deren ausreichende Dauer genau geachtet wurde, verbrachten wir zusammen in der Kantine. Ausnahme waren Sonntage, an denen sich das Team meiner Station zum gemeinsamen "Znüni" (spätes Frühstück) mit frischen Weggli (Milchbrötchen) und Gipfeli (Croissants) im Stationszimmer versammelte.
Auch in der Schweiz schienen warme Sonnenstrahlen durch die Fenster, während ich ein Bett nach dem anderen durch die Gänge schob. Und mancher Frühdienst fühlte sich früher an als andere. Doch die Berge am Horizont zu sehen, immer wieder schweizerdeutsche Wörter und ihre Bedeutung zu entdecken und eine andere Arbeitskultur kennenzulernen, machte das Praktikum für mich zu einer besonderen Erfahrung. Und ja, auch der Lohn, den ich als Praktikantin im Folgemonat auf meinem Konto erwarten durfte, spricht für einen Krankenpflegedienst in der Schweiz.