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  • Julia Hadala
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  • 03.07.2020

Physikum nicht bestanden – na und?!

Julia ist durchs schriftliche Physikum gefallen – und lässt sich trotzdem nicht unterkriegen.

 

Ich habe mir den April 2020 anders vorgestellt. Ich habe mir erhofft, dass das schlechte Bauchgefühl nach dem schriftlichen Physikum trügt und der ankommende Brief mir zeigen wird, dass alles so kam, wie ich es mir vorgestellt habe. Und dann kam er, zitternde Hände, ein böses Gefühl und das, was ich mir nach dem bestandenen mündlichen Physikum kaum vorstellen konnte: „Schriftliche Prüfung: Durchgefallen“.
Irgendwie halb erwartet, irgendwie geschockt – habe ich nicht nach den etlichen Zweitwiederholungen gelernt, Fehlschläge mit einem Lächeln aufzunehmen und mir zu denken „Dann das nächste Mal“? Nein, wahrscheinlich ist es unmöglich, ein Durchfallen beim Staatsexamen einfach zu belächeln – eben weil es das Staatsexamen ist. Weil immer noch in allen Köpfen der Medizinstudierenden das Gesetz gilt „Durchfallen bedeutet nicht für das Studium gemacht zu sein.“ Weil ein guter Arzt nicht durchfällt und man im schriftlichen Staatsexamen gar nicht durchfallen kann – so leicht wie das ist.
Weil sich Menschen, die im schriftlichen Staatsexamen durchgefallen sind, schämen, das zuzugeben und dann lieber mit einem Wink das Thema wechseln.
Weil ein Durchfallen im Staatsexamen ein Tabuthema ist.

Das schriftliche Physikum war und ist nie die Kindersache gewesen, wie allgemein erzählt wird. Aber genau dieses Gerücht führt dazu, dass über das Durchfallen nictht geredet oder geschrieben wird, weil etwas „so Leichtes“ nicht zu bestehen bedeutet: das Studium ist vielleicht doch zu hart für dich.
Was ich mit diesem Artikel erreichen möchte? Ich möchte keinen der Physikumskandidaten Angst machen, im Gegenteil; ich möchte nur den Druck nehmen. Durchzufallen kann jedem passieren und macht aus Niemanden den Versager, den sich Menschen in ihren Köpfen kreieren, sobald sie fehlschlagen. Ehrlich gesagt habe ich bei Medizinstudierenden das entdeckt, was ich mir in diesem Studium eigentlich nicht vorstellen konnte. Gerade im Medizinstudium habe ich Menschen gesehen, die sich durch kleine Fehltritte hart verurteilen, sich einreden „dumm“ und „nicht stark genug“ zu sein und Selbstzweifel nähren, als wäre es jedem vergönnt mal durchzufallen, nur den Medizinstudierenden nicht.

Und gleichzeitig habe ich dank des Medizinstudiums Ärzte kennengelernt, die lachend darüber berichten, wie sie selbst durch das Physikum durchgefallen sind und fast darüber verwundert sind, dass sich in den letzten Jahrzehnten anscheinend nichts an dem Tabuthema „Durchfallen“ geändert hat. Doch woran liegt das?
Keine Ahnung, aber vielleicht ist darüber zu schreiben ein guter Schritt in die Richtung, das Tabuthema zu enttabuisieren und darüber zu reden, dass Medizinstudierende auch nur Studierende sind; Studierende, die sich stressen, Nächte durchlernen, Nächte durchfeiern, Klausuren bestehen, bei Fragen raten und auch mal durchfallen können.

Physikum Nummer 2 also; mit 2 durchgekauten Lernplänen, etlichen Zusammenfassungen, Tage und Nächte voller Kreuzen und der Tageszähler, der mir jeden Morgen die verbleibenden Tage bis zum Physikum nennt. Mit dem größten Dank an meine Freunde, die verstehen, wenn ich mich mit Büchern isoliere und mir sagen, dass es okay ist, wenn ich jetzt alleine sein will – ich aber wissen soll, dass ich nie ganz alleine bin und sie immer für mich da sind.
Mit dem größten Dank, an die Liebe, die mir hilft, dass meine Gedanken auch einmal schweigen, wenn sie sich in einem Karussell drehen und ich keinen Weg finde, Ruhe zu finden. Die Liebe, die es irgendwie schafft, mich in den Momenten zu beruhigen, in der nichts anderes mich beruhigen kann und die mir sagt, ich muss das nicht alleine schaffen, weil man zu zweit leichter durch das Leben geht.
Mit dem größten Dank, an meine zwei größten Vorbilder der Welt, an meine Mutter und meinen Vater, die mir mit jedem Besuch ein Stück Kraft schenken. Die mich nicht dafür verurteilen, weil ich durchgefallen bin – und mir mit jedem Moment die Vorfreude dafür geben, ein wenig den Vorgeschmack zu kriegen, worauf ich mich wohl am meisten freue, wenn ich sagen kann „Physikum 2020 check - Vorklinik ade!“ .

Das schriftliche Physikum steht nun in ca. 6 Wochen an. Ob ich aufgeregt bin? Ich glaube, ich bin genauso aufgeregt wie alle anderen Kandidaten es sind – vielleicht einen Tick mehr.

Ich hoffe, dass mit Artikeln wie diesem der Gedanke „Oh sie musste das Physikum wiederholen/ Oh eine Repetentin“ langsam seine Existenz veliert. Eher sollte man sich fragen, wieso Menschen durch Klausuren und Prüfungen fallen.
Ganz einfach - weil es menschlich ist.

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