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  • Julia Hadala
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  • 22.12.2024

Das große Finale

Nach 5 Jahren Medizinstudium geht es endlich in das PJ. Julia ist nun fertig und berichtet, wie sie das Jahr erlebt hat und was sie daraus lernen konnte.

Hätte ich vor 7 Jahren mein Erstsemester-Ich gefragt, wie ich mir das Ende meines Studiums vorstelle, hätte ich wahrscheinlich mit fester Überzeugung gesagt, dass ich mich nach meinem PJ und meinem Staatsexamen für den Arztberuf bestens vorbereitet fühle und mit Sicherheit in dieses neue Kapitel gehe. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt aber auch daran festgehalten, ohne Zweifel in die Chirurgie zu gehen und nicht die wohl zur Chirurgie am weitesten entfernte Facharztrichtung wählen würde und meine berufliche Laufbahn als Ärztin in Weiterbildung für Psychiatrie zu beginnen. 

Das PJ stellt ein gewaltiges Kapitel für Medizinstudierende dar – und das nicht ohne Grund! Nach zahllosen Famulaturen und Blockpraktika, unzähligen Vorlesungen, Seminaren, Prüfungen und den beiden Staatsexamina führt der Weg schließlich direkt in das Krankenhaus, wo die letzten 12 Monate des Studiums beginnen. Das man sich an dieser Stelle ein wenig überfordert fühlt, ist völlig selbstverständlich – und gerade dieses Gefühl ist ein gutes Zeichen. Niemand erwartet, dass man während des PJs wie ein eigenständiger Arzt agiert. Doch was zu Beginn kaum vorstellbar scheint, wird am Ende der Reise zur überraschenden Erkenntnis: man fühlt sich bereit, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. 

Als ich mein erstes Tertial auf einer Station der Inneren Medizin begann und acht Wochen später als PJlerin in der Notaufnahme landete, war die Überraschung groß: Ein völlig anderes Setting, eine völlig andere Arbeitsweise. Statt seitenlanger Arztbriefe standen nun kurze Übergaben zwischen den Patient*innen auf der Tagesordnung. Wenig, Zeit, viele Patient*innen und eine Fülle von Krankheitsbildern, die auf keiner Station zu finden sind – und zugleich eine der lehrreichsten Phasen meines PJs. Unter Supervision erfahrener Ärzte und Ärztinnen durfte ich eigenständig Untersuchungen durchführen, Verdachtsdiagnosen formulieren und, nach fundierter Begründung, weiterführende Diagnostik anfordern. Es war ein Moment, in dem mir bewusst wurde, dass man nach all den Jahren des Studiums endlich in der Lage war, das Wissen anzuwenden – und ich Tag für Tag immer sicherer wurde. 

Für das zweite Tertial ging es in die Schweiz, in die malerische Stadt Bern, an einem Krankenhaus der Maximalversorgung – direkt in die OP-Säle der Unfallchirurgie. Jeder Tag brachte neue Herausforderungen: Unfälle, die schwer vorstellbar waren und eine Therapie, die oft wie ein anspruchsvolles Puzzle mit einem Funken kreativer Bastelei wirkte. Eine Zeit, in der mir noch klarer wurde, dass die Chirurgie zwar ein wundervolles Fach ist, aber einfach nicht mein Fach ist. 

Mein letztes Tertial verbrachte ich in einer kleinen allgemeinmedizinischen Hausarztpraxis in einer beschaulichen Kleinstadt nahe meiner Universitätsstadt. Auch hier traf ich auf ein völlig anderes, aber ebenso facettenreiches Patientenklientel, bei dem ich mich oft auch in der psychiatrischen Betreuung ausprobieren durfte. Als die 12 Monate schließlich verstrichen waren, konnte ich es kaum fassen. Noch kürzlich hatte ich meiner Familie erzählt, dass morgen endlich das PJ beginne und ich unglaublich aufgeregt sei – und nun war ich bereits beim letzten Arbeitstag des Praktischen Jahres. Die Erlebnisse und Eindrücke dieser Zeit lassen sich nicht in einen einzigen Artikel fassen – vermutlich würden nicht einmal mehrere Artikel ausreichen, um all die großen und kleinen Momente, die uns prägen, zu beschreiben. Oft erkennt man den wahren Wert dieser Erlebnisse auch erst im Rückblick. Mittlerweile bin ich approbierte Ärztin, und auch wenn es mir vor einem Jahr noch unvorstellbar schien, ist das Medizinstudium nun abgeschlossen. Eine neue Phase als Assistenzärztin beginnt, auf die ich mich von Herzen freue. Ich hoffe, ebenso viel, wenn nicht mehr, zu lernen als in den Jahren des Studiums.

 

Foto: Julia Hadala /privat

 

An dieser Stelle möchte ich meinen Artikel mit einem Ratschlag an all jene Medizinstudierenden beenden, die sich vielleicht noch unsicher sind, wohin der Weg sie führen soll, ob das PJ machbar ist und ob diese 12 Monate wirklich so herausfordernd sind: Das PJ ist eine Zeit, in der ihr unermesslich viel lernen werdet. An manchen Tagen werdet ihr euch über eure Patient*innen freuen, und ja, an anderen auch über sie ärgern. Ihr werdet die Chance haben, Fachbereiche zu entdecken, an die ihr zuvor vielleicht nie gedacht habt, und euch in eurem Wunschfachgebiet weiter zu festigen. Und obwohl diese 12 Monate anfangs unendlich lang erscheinen mögen, wird die Zeit schneller vergehen, als ihr glaubt. Nutzt diese 12 Monate noch einmal als eine Gelegenheit, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen, euch in der selbstständigen Patientenaufnahme zu üben, viel zu untersuchen und stets motiviert zu bleiben. Dann wird auch das dritte Staatsexamen keine Herausforderung mehr für euch darstellen! 

Und schließlich, nehmt euch die Zeit, das letzte Studienjahr in vollen Zügen zu genießen. Lasst euch nicht von der Hektik und dem Druck des Abschlusses erdrücken, sondern schätzt die letzten Momente dieser Reise. Denn auch wenn der Blick schon auf das Ziel gerichtet ist, birgt jedes noch so kleine Erlebnis, jede Begegnung und jede Herausforderung im letzten Jahr einen wertvollen Schatz. Nutzt diese Zeit, um euch an den kleinen Freuden des Studiums zu erfreuen, denn sie sind es, die euch letztlich begleiten werden, lange nachdem der letzte Prüfungstag vorüber ist. Und am Ende ist es ja auch nicht das Ende, sondern der Anfang.
 

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