• Info
  • |
  • Anne-Sophie Mehdorn
  • |
  • 06.06.2011

Instant Aging-Kurs der Uni Würzburg

Im "Instant Aging"-Kurs lernen die Würzburger 9. Semestler im Rahmen des Geriatriekurses praxisnah typische Alltagsprobleme älterer Menschen kennen.

Plötzlich fühlte ich mich alt. Das lag nicht daran, dass es Samstagmorgen um neun Uhr war und ich in der Uni saß. Es lag vielmehr daran, dass ich plötzlich eine Brille auf der Nase trug, durch die ich sehr wenig bis gar nichts sehen konnte und außerdem Bandagen an den Händen und Armen hatte sowie Ohrstöpsel in den Ohren. Diese Ausrüstung war Teil des "Instant Aging"-Kurses, den im 9. Semester jeder Würzburger Medizinstudent durchlaufen muss, um seinen Geriatrieschein zu bekommen.

Anstatt ausgiebig über die Theorie zu informieren, startete der Kurs sofort mit praktischen Stationen:

 

Einarmiger Student

1. Station: Der hemiplegische Arm. Oder: Was ist das an meiner Seite?

Bei dieser Station ging es darum, mit einer Hand ein Brötchen zu schneiden und anschließend mit Nutella zu bestreichen. Hört sich nicht sonderlich kompliziert an, war es für mich aber, da ich fast nichts gesehen habe, einen schweren, leblosen weil fixierten Arm an einer Seite hatte und die Brötchen nicht mehr so frisch waren. Bei einem Schlaganfallpatient müsste zudem noch bedacht werden, dass er wahrscheinlich im anderen Arm nicht mehr über seine komplette Kraft verfügt.

 

Einarmig Brötchen schmieren - Foto: A. Mehdorn

 

Nach dieser Anstrengung schmeckte mir das Nutellabrötchen am Ende gleich doppelt so gut.

Kleingeld und andere Schwierigkeiten

2. Station: Rheumatoide Arthritis. Oder: Bezahlen und Tabletten entblistern!

Zur Brille kamen nun noch Bandagen an Armen und Händen hinzu. Hätte ich vor Anlegen der Bandagen vergessen, die Brille aufzuziehen, hätte mir bereits diese Kleinigkeit zum Verhängnis werden können, da ich aufgrund der Bandagen weder die Arme noch die Finger ordentlich beugen konnte. Anschließend sollte ich 1,37 € abzählen. Allerdings hatten sich Fremdwährungen und sehr viel Kleingeld in meinen Geldbeutel eingeschlichen und zusätzlich wurde "von hinten" gedrängelt.

 

Kleingeldausmusterung - Foto: A Mehdorn

 

Im zweiten Teil dieser Station hatte ich dann mit denselben Bandagen gegen winzige Tabletten zu kämpfen. Die Schwierigkeiten fingen aber bereits beim Lesen des Rezepts an. Nachdem ich endlich entziffert hatte, wie viele Tabletten ich einnehmen muss, war die nächste Herausforderung die richtigen Tabletten zu finden und sogar noch in die Tablettenschale zu entblistern. Alles nicht so einfach, wenn man die Hände und Arme nicht wie gewohnt benutzen kann.

 

Kampf mit den Tabletten - Foto: A. Mehdorn

 

 

Trockenübungen mit Taucherbrille

3. Station: Kyphose und Gonarthrose. Oder: Jetzt bin ich wirklich alt!

Zu guter Letzt war Station 3 an der Reihe, bei der ich fast komplett bandagiert wurde und zusätzlich noch eine Art Taucherbrille aufsetzten musste, die mein Gesichtsfeld sehr stark einschränkte. Die Bandagen imitierten zum einen eine Kyphose der Wirbelsäule, die auch gleichzeitig die Lungen in ihrem Bewegungsausmaß einschränkte, zum anderen wurden so Gonarthrosen der Ellenbogen und Kniegelenke sowie Ödeme an den Unterschenkeln simuliert.

Mit einem Stock bewaffnet ging ich dann hoch in den ersten Stock. Kein leichtes Unterfangen, da ich die Treppenstufen nicht gut sehen konnte und sie daher erahnen oder ertasten musste. Besonders knifflig wurde es beim Herabsteigen der Treppe, da hier zusätzlich die Angst zu fallen hinzukam. Erleichtert konnte ich am Treppenende die Bandagen wieder ablegen und stellte fest, wie viel angenehmer es doch ist, sich frei bewegen zu können.
"Ich bin froh, dass ich nicht zusätzlich noch Schmerzen hatte", bemerkte einer der Teilnehmer sehr zutreffend.

 

Treppensteigen - Foto: A. Mehdorn

Angst vor dem Alter

Insgesamt kann ich feststellen, dass es trotz der frühen Stunde und eines weiteren Samstags in der Uni, ein wirklich sehr kurzweiliges Praktikum war, bei dem wir sehr anschaulich und realitätsnah an die Probleme der Menschen im dritten oder vierten Lebensabschnitt herangeführt worden sind.

Alle Teilnehmer waren am Ende des Kurses sehr froh, dass sie ‚noch nicht' so alt und gebrechlich sind. Nach diesem Tag graust es uns allen noch ein bisschen mehr vor dem Alter. Auf jeden Fall werden wir wohl in Zukunft etwas geduldiger sein, wenn ein älterer Mensch mal wieder etwas länger braucht.

 

 

Mein Studienort

Medizinstudenten berichten aus ihren Unistädten

Werde Lokalredakteur Die Unistädte auf Google Maps
Medizin im Ausland

Erfahrungsberichte und Tipps aus über 100 Ländern

Erfahrungsbericht schreiben Auslands-Infopakete
Cookie-Einstellungen