• Umfrage
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  • Ines Elsenhans
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  • 18.03.2014

PJ-Umfrage 2014: Tolle Ausbildung oder schnöde Ausbeutung?

Das Praktische Jahr (PJ) soll Medizinstudierende auf die selbstständige ärztliche Tätigkeit vorbereiten. Erfüllt es diesen Sinn? Seit 2003 haken wir mit unseren PJ-Umfragen nach. So auch dieses Jahr!

 

Mediziner - Foto: shutterstock

 

Am Ende des Medizinstudiums steht das Praktische Jahr. Anstatt in den Hörsaal, geht es für die Medizinstudierenden auf Station und in den OP. Dort sollen sie Aufgaben wie Blutabnehmen, Nadeln legen, Verbandswechsel und Anamnesen üben, Erfahrungen im OP sammeln und lernen, unter Aufsicht eigenverantwortlich zu arbeiten. Endlich mal austesten, was über die Jahre in den rauchenden Köpfen hängengeblieben ist. Mit wehenden Kitteln dürfen die angehenden Doktoren vorerst für ein Jahr in die Klinik einziehen und ihre praktischen Mediziner-Skills an „richtigen Patienten“ unter Beweis stellen.

 

Doch entspricht das der Realität? Wie stark ist der Lerneffekt im PJ wirklich? Wie gut ist die Betreuung? Seit 2003 rufen wir Medizinstudenten zur Bewertung ihrer Erfahrungen im praktischen Jahr auf. Unter anderem geht es um Arbeitsbedingungen in den Kliniken, die ärztliche Betreuung im Inland verglichen mit dem Ausland und nicht zuletzt um finanzielle Aspekte. Dieses Jahr haben sich 119 Studenten an unserer PJ-Umfrage beteiligt.

 

Chirurgietertial – Ende mit Schrecken?

Die Mehrheit der jungen Mediziner hatte zum Zeitpunkt der Befragung bereits 2 Tertiale, also mindestens 8 Monate praktischen Schaffens hinter sich gebracht. Auffällig ist auch dieses Jahr wieder die scheinbar proportional zur Dauer des PJs sinkende Motivation für den zukünftigen Arztberuf. Was die abschreckende Wirkung angeht, hat das Chirurgietertial nach wie vor die Nase vorn. Vor dem PJ lag die durchschnittliche Motivation als Arzt zu arbeiten, angegeben auf einer Skala von 1-10, bei 7,4 Punkten.

 

Nach 4 Monaten bei den chirurgischen Kollegen, lag die Motivation für die spätere klinische Tätigkeit nur noch bei 5,5 Punkten. Das ist auch ein deutlicher Abfall gegenüber dem Jahr 2011 – da waren es noch 6,4 Punkte. Gründe für die Ernüchterung dürften die wohl anhaltend schlechten Arbeitsbedingungen mit stundenlangem Haken halten, ausgeprägten Hierarchiestrukturen, Überstunden und einer schlechten Betreuung seitens der ärztlichen Kollegen sein. Doch auch die Innere Medizin wird verglichen mit den Vorjahren zunehmend unbeliebter bei den PJ-Studenten. Nach dem Innere-Tertial bewerteten die Medizinstudenten ihre Motivation für den späteren Arztberuf mit 5,9 Punkten, 2011 waren es noch 6,4 Punkte.

 

Anders verhält es sich im Wahlfach, nach dem die Studenten ihre Motivationslage mit 7,2 Punkten einstuften (vgl. 7,7 Punkte in 2011). Ein großes Interesse für das Fach, bessere Arbeitsbedingungen als in den Pflichtfächern Chirurgie und Innere und ein höherer Lerneffekt, könnten dieses Ergebnis begründen. Im Ausland ist das chirurgische Tertial dem hiesigen überlegen, was an der besseren Betreuung, sprich klaren Ausbildungsstrukturen mit regelmäßigen Weiterbildungen und motivierten Ansprechpartnern liegen könnte. Auch die meist höhere Bezahlung der PJler im Ausland dürfte Laune und Motivation der angehenden Doktoren nachhaltig positiv beeinflussen.

 

Spätestens also im Chirurgietertial wird die euphorische Stimmung beim ein oder anderen kräftig gedämpft. Bei nicht wenigen führt das sogar zur Umorientierung auf ein anderes Fach. Vor Beginn des PJs sahen sich 13% der Medizinstudenten im chirurgischen Bereich. Nach Abschluss des praktischen Jahres waren nur noch 8% motiviert, das Skalpell zu schwingen. Für die Innere Medizin entscheiden sich nach dem PJ noch 17% gegenüber 19% vor Antritt. Die Allgemeinmedizin erhält sogar einen Zuwachs von 2%. Während vor dem Einstieg ins PJ nur 8% der PJler eine Karriere als Allgemeinmediziner in Betracht zogen, waren es nach Absolvieren aller Tertiale 10%. Fächer wie Anästhesie oder Pädiatrie bleiben auch nach dem Praxistest weiterhin interessante Optionen für die Facharztwahl.

 

 

 

Back to the roots

Knapp 91% der Studenten absolvierten das PJ an einer deutschen Uni oder einem Lehrkrankenhaus. Lediglich 9% entschieden sich, die heimischen Gefilde zu verlassen und grenzübergreifend Klinikluft zu schnuppern. Schon in den Vorjahren war die PJler-Abwanderungsrate ins Ausland rückläufig. Vergleicht man die Umfragen aus dem Jahren 2011, wo noch 15% der Studenten einen Teil ihres PJs im Ausland verbrachten, ergibt dies einen Verlust von 36%. Zu hoffen wäre, dass diesem Ergebnis ein Zuwachs an Qualität der Ausbildung hierzulande zugrunde liegt.

 

 

Doch ist dem tatsächlich so? Insgesamt wird die Betreuung der Ausbildung im PJ seitens der ärztlichen Ansprechpartner von 26% der Studenten als sehr gut eingeschätzt. Im Ausland fühlten sich allerdings doppelt so viele Studenten gut betreut wie in Deutschland. Wahrscheinlich ist es also eher die zunehmend eingeführte Vergütung des PJs an deutschen Krankenhäusern, die angehende Ärzte veranlasst, nicht mit dem Einläuten des PJs das Weite zu suchen (s.u.).

 

Was die Länderwahl betrifft, ist die Schweiz noch immer hoch im Kurs und belegt Platz 1. England und die USA teilen sich Platz 2 auf der Beliebtheitsskala. Die überwiegende Mehrheit der Studenten (75%) kann sich darüber hinaus nicht vorstellen, einen Teil der Facharztausbildung im Ausland zu verbringen. Im Jahr 2011 waren es mit 68 % etwas weniger Medizinstudenten, die ihren Facharzt ausschließlich in Deutschland machen wollten.
Die Wahl der Klinik für das PJ im Inland wird vor allem durch den Ruf einer guten Ausbildung beeinflusst. Für 63% der jungen Mediziner war der ausschlaggebende Grund, sich für eine bestimmte Klinik zu entscheiden, eine gute Lehre. Eine kleinere Rolle spielt daneben die Lage der Klinik und nur im Wahlfach gibt eine kleine Anzahl Studenten gute Karrierechancen als Grund für die Wahl einer bestimmten Klinik an. Was die berufliche Zukunft als Arzt betrifft, sind eine gute Arbeitsatmosphäre (60%) und geregelte Arbeitszeiten (19%) die Hauptgründe für angehende Ärzte, sich gezielt für ein bestimmtes Fach an einer ausgesuchten Klinik zu bewerben. 

 

Betreuung und Bedingungen

Die meiste Zeit für Fragen der PJ-Studenten hat mit großem Abstand der betreuende Assistenzarzt übrig (52%). Im Wahlfach sind es allenfalls noch Fach- und Oberärzte, die die Fragen der wissbegierigen jungen Kollegen beantworten (31%). Das Schlusslicht bildet der Chefarzt, der sich laut der aktuellen Umfrage nur wenig bis gar nicht am eigentlich ihm obliegenden Ausbildungsauftrag beteiligt. Erschreckend auch das Ergebnis im Fach Chirurgie: fast 13% der Studenten fanden für ihre Fragen überhaupt keinen Ansprechpartner.

 

 

Im Wahlfach hingegen scheint es besser um die Betreuung der Studenten bestellt zu sein. Verglichen mit dem Fach Chirurgie bewerteten vier Mal so viele Studenten das Wahlfachtertial mit der Note „sehr gut“ (43%). Schaut man auf die Ergebnisse der Auswertung im Jahr 2011 zurück, ergibt sich für das Wahlfach sogar noch ein leichter Zuwachs an Beliebtheit (40%). Die Chirurgie hat im Vergleich zu den Vorjahren eine deutliche Verschlechterung der Betreuungsqualität zu verzeichnen. (2011: 17%; 2014: 11%)

 

 

So wundert es nicht, dass der Lerneffekt im Wahlfach am größten ist und in der Chirurgie weitestgehend auf der Strecke bleibt. 17% berichten über einen guten Lernerfolg im Chirurgietertial, während 20% diesen als schlecht einstufen. Der Lerneffekt im Innere-Tertial wurde von 20% der Teilnehmer als sehr gut eingeordnet. Im Wahlfach schätzten 34% den Lerneffekt als sehr gut ein. In der Chirurgie hatten 27% der PJler häufig das Gefühl, nur als billige Arbeitskraft missbraucht zu werden, die Blutentnahmen am Fließband erledigt und im OP Haken und Klappe hält. Auch im Innere-Tertial fühlten sich 17% der Studenten oft ausgebeutet. Dort scheint jedoch Besserung in Sicht, denn 2011gaben doppelt so viele (36%) der Befragten an, während des Tertials ausgenutzt worden zu sein.

 

Immerhin kam über die Hälfte der Studenten in den Genuss von Vergünstigungen (52%) oder Studientagen (55%). Das ist auch das Mindeste, da ein PJler in Deutschland im Schnitt nur 383 Euro pro Monat verdient. Wenn er überhaupt etwas verdient – 32% der Studenten bekommen im PJ nämlich gar nichts. Im Ausland sieht es da schon rosiger aus, im Mittel verdient man dort mit 730 Euro fast das Doppelte. So müssen sich 36% der Umfrageteilnehmer ihr Studium und ihren Lebensunterhalt durch einen Job neben dem Studium teilweise selbst verdienen, weitere 21% arbeiten für ein Zubrot wie Urlaub oder ein eigenes Auto. 35% der PJler erhalten anderweitig finanzielle Unterstützung.

 

Gesamtwertung

Betrachtet man die Mittelwerte der Noten auf einer Skala von 1-6, schneidet die Chirurgie mit einer 3,1 am schlechtesten ab. Das Innere-Tertial wird mit einer 2,7 immerhin fast eine halbe Note besser bewertet. Für das Wahlfach wurde dieses Jahr im Schnitt die Note 2,2 vergeben, 34% bewerteten ihr Wahlfach sogar mit der Note 1. In Chirurgie waren nur 10% aller Teilnehmer so begeistert, dass es für die 1 reichte. Hier ist also auch noch Luft nach oben. Unterm Strich erhielt das PJ 2014 die Gesamtnote 2,7. Das ist eine Verschlechterung um 0,3 Punkte im Vergleich zu 2011.

 

Tabelle 1: Gesamtbewertung PJ auf Notenskala 1-6

 

Die meisten Studenten fühlen sich durch das Studium mäßig bis gut für das PJ gewappnet. Im Vergleich zu den Vorjahren zeigt sich jedoch eine Verbesserung, was die Vorbereitung für die praktische Tätigkeit im Krankenhaus angeht. Spannend wird zu beobachten, welche Veränderungen sich durch die neue Regelung des schriftlichen Examens vor dem PJ ergeben. Vermutlich wird der Wissenszuwachs durch das Büffeln der einzelnen Fächer den Studenten vor Beginn des PJs eine gewisse Sicherheit verleiht. Davon können die jungen Kliniker beim Einstieg ins Krankenhaus profitieren und über das Jahr hinweg einen größeren Lerneffekt erzielen.

 

Vorbereitung auf das PJ durch Studium

 

 

Laut einer Roland-Berger-Studie aus dem Jahr 2013 fehlen bis zum Jahr 2015 im Gesundheitswesen 175.000 Ärzte und Pflegekräfte. Unter den Niedergelassenen gehen bis 2015 42.000 Mediziner, darunter 21.000 Fachärzte in Rente. Diesen Zahlen stehen die insgesamt 86.367 Medizinstudenten gegenüber, die im Wintersemester 2013/14 an deutschen Universitäten eingeschrieben waren. 10.000 von ihnen schließen ihr Studium jedes Jahr ab.

 

Konsequenz aus diesen sich abzeichnenden Personalengpässen müsste sein, dass man diese Studienabgänger durch eine gute Ausbildung bestmöglich auf den Arztberuf vorbereitet und motiviert. Zumindest im PJ gelingt das offenbar nach wie vor aber nur suboptimal.

 

 

 

 

 

 

 

 

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