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  • 01.11.2011

PJ-Umfrage 2011: Das praktische Jahr unter der Lupe

Seit 2003 führt Via medici traditionell alle 2 Jahre die PJ-Umfrage durch. Darin befragen wir Studienabsolventen, wie sie während dieser Zeit betreut wurden, wie die Unterstützungsleistungen der Lehrkliniken aussahen – und inwieweit das Praktische Jahr Auswirkungen auf ihre Zukunftspläne hat. Dieses Jahr haben 259 Studenten an der Umfrage teilgenommen.

Raus aus der Uni, rein in die Klinik

Der Traum vom Arzt-Sein beginnt mit dem Studium. Und wenn die Mediziner nach jahrelangem Pauken und Prüfungs-Bestehen mit dem theoretischen Teil fertig sind, geht's in die Praxis: Im PJ stehen die Ärzte in spe vor einer ersten Bewährungsprobe.

Jetzt können sie zeigen, was sie gelernt haben, und vor allen Dingen wie sie es auch an echten Patienten anwenden. Wir fragten die Teilnehmer, wie gut sie das Studium auf ihr PJ vorbereitet hat. Etwa 30% der Mediziner sagten, sie fühlten sich gut bis mäßig vorbereitet. Besonders für das Chirurgie-Tertial scheint das Studium nur begrenzt auszureichen, um die PJler in der Praxis anzuleiten: knapp 29% fühlten sich schlecht auf dieses Tertial vorbereitet. Über das Innere-Tertial sagten das nur 18% der Befragten, für das Wahlfach schätzen nur knapp 14% der Teilnehmer die Vorbereitung durch das Studium als schlecht ein.

Bei der Wahl des PJ-Krankenhauses spielt nicht nur die Überlegung ob Lehr- oder Unikrankenhaus eine Rolle, sondern auch die Lokalität der Kliniken. 2011 versuchte jeder Fünfte im Ausland sein PJ-Glück, 2009 war es noch jeder Vierte. Der Trend geht also zum Dableiben. Dasselbe gilt auch für Studenten, die ihr PJ beendet haben und ihre Facharztausbildung antreten. Nur etwa 18% der Absolventen können sich vorstellen, für die nächsten fünf bis sechs Jahre ins Ausland zu gehen. Im Jahr 2009 waren das noch 20%. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass sich die Rahmenbedingungen im PJ gebessert haben. Besonders beliebt bei den PJ-Auswanderern war die Schweiz, für das Innere-Tertial zogen 46% davon ins Nachbarland, für die Chirurgie traten 42% den Weg in die Alpen an, und im Wahlfach war die Schweiz ebenfalls für 60% der Abwanderer attraktiv.

 

Hohe Erwartungen - zum Teil enttäuscht

Noch bevor die PJler sich für ein Klinikum entschieden hatten und ihren Dienst dort antraten, war die Motivationslage hoch. Immerhin 56% der Befragten gaben auf einer Motivationsskala von 1-10 ihre Motivation mit 8-10 an. Nach Beginn der Pflichtfächer fühlten sich weniger Studenten so hoch motiviert, nach dem Innere-Tertial stuften nur noch 43% der Befragten ihre Motivation zwischen 8-10 ein.

Nach der Chirurgie waren es sogar nur noch 39% der PJler. Zu diesem Zeitpunkt ordneten sich etwa 8% der Studenten in den Pflichtfächern zwischen 0-2 ein. Erst als die Studenten das Wahlfach-Tertial absolvierten, kam auch die Arbeitsfreude zurück: Bei 55% aller PJler erreichte der Spaß am Arzt-Sein wieder seinen Höhepunkt. Offensichtlich erlebten viele Mediziner ihr Wahlfach als besonders motivierend. Grund dafür könnte der von 36% der Studenten als sehr gut eingeschätzte Lerneffekt im Fach ihrer Wahl sein.

 

 

Defizite in der Ausbildung

Bei der Frage nach der Qualität der Betreuung gaben viele Teilnehmer an, dass sich die Assistenzärzte im Vergleich zu den Oberärzten und Chefärzten durchschnittlich am meisten Zeit für den Wissensdurst der PJler genommen haben. Im Innere-Tertial gaben 76% der Befragten an, hauptsächlich durch den Assistenzarzt betreut worden zu sein. Tendenziell weniger Zeit hatten die Oberärzte. In den Wahlfächern kamen nur 52% der PJler in den Genuss ihrer Erklärungen. In der Chirurgie war die fachärztliche Frage-Antwort-Zeit am knappsten bemessen: Nur bei knapp 43% der Studenten nahmen sich die Oberärzte die Geduld für ihre Fragen. Entsprechend fühlten sich 11% der PJler in den Pflichtfächern richtig schlecht betreut.

 

 

Ein weiteres Thema, das allen PJlern unter den Nägeln brennt, ist die Wertschätzung ihrer selbst und ihrer Arbeit. Das alte Bild des Hakenhalters trifft heute zum Glück nicht mehr so flächendeckend zu. Das Gefühl, ständig als Blutabnehmer und Aktenbesorger eingesetzt zu werden, hatten nur noch 15% aller PJler in den Pflichtfächern, bei der Umfrage 2009 waren das noch 19%. Nur manchmal fühlten sich etwa 27% der Befragten in der Chirurgie und dem Wahlfach als billige Arbeitskraft, im Innere-Tertial waren das immerhin noch 36% aller Studenten.

Ein weiterer großer Kritikpunkt am PJ ist die mangelnde oder nicht-existente finanzielle Entschädigung. Im Jahr 2009 bekamen nur knapp 28% aller Umfrageteilnehmer ein Gehalt von durchschnittlich 359 Euro. 2011 bezogen immerhin schon 47% der Pflichtfach-PJler und 41% der Wahlfach-Studenten ein Gehalt, allerdings waren es dieses Jahr durchschnittlich nur noch knapp 349 Euro.

Relativ häufig wurde den Studenten die Verpflegung gestellt, immerhin 60% der Befragten in der Inneren freuten sich über kostenloses Essen in den Kliniken, bei den Chirurgen durften 51% umsonst in der Kantine essen, und im Wahlfach konnten noch 46% vom kostenlosen Essensangebot der Häuser profitieren. Die zweithäufigste Zusatzleistung für Studenten war die kostenlose Teilnahme an einem Studientag, der 56% der Wahlfach- und Chirurgie-PJler angeboten wurde, den Innere-Studenten wurde sogar zu 64% ein solches Angebot gemacht.

 

 

Zu guter Letzt

Insgesamt führte das PJ zu einem Wandel in den beruflichen Vorstellungen. Während etwa 35% der Befragten von einer Karriere in der Inneren Medizin träumten, noch bevor sie das PJ antraten, wollten nach dem PJ nur noch 28% der Befragten in die Innere. Auch für die Chirurgie begeisterten sich vor PJ-Beginn über 18% der Teilnehmer, nach dem PJ schrumpfte dieser Prozentsatz auf 16%. Auch die Gynäkologie erfuhr Beliebtheitseinbuße: von 10% aller Befragten vor den Tertialen wähnten nach dem Praktischen Jahr nur noch knapp 5% der Teilnehmer den Frauenfacharzt als erstrebenswert.

Dagegen stieg das Interesse der Studenten nach dem PJ an alternativen medizinischen Berufsfeldern. Vor dem PJ konnten sich 7% der Befragten eine Zukunft in der Pharmabranche, im Verlag oder gar als Berater vorstellen, nach dem PJ stieg dieser Satz auf 9%. Manche entschieden sich nach dem PJ sogar, dem ärztlichen Berufsfeld komplett abzusagen. Vor den Tertialen waren das 3% der Befragten, nach dem PJ waren es 5% der Studenten.

Bei der Benotung schnitt das PJ dieses Jahr besser ab als noch 2009. Insgesamt bewerten die PJler ihr Innere Tertial mit der Note 2,5, das Chirurgie-Tertial mit 2,7 und das Wahlfach sogar mit durchschnittlich 1,9, Gesamtnote 2,4. Im Jahr 2009 sah die Benotung noch schlechter aus. Dort bewerteten die PJler das Innere-Tertial mit der Note 2,6, das Chirurgie-Tertial mt 3,0 und das Wahlfach schnitt mit 2,1 am besten ab. Gesamtnote des Jahres 2009 für das PJ war eine 2,6.

 

 

 

Die Steigerung in der Benotung und die häufigere Zahlung eines Mindestgehalts gibt vielen Studenten Hoffnung, auch in Zukunft besser behandelt, betreut und wertgeschätzt zu werden. Das bliebe auch zu wünschen, schließlich sollen künftige Ärzte während dem PJ so gut wie möglich auf ihr späteres Berufsleben vorbereitet werden. Das sollte auch im Interesse jedes Verantwortlichen liegen - schließlich wird jeder irgendwann mal Patient.

 

Vertiefte Analyse und Kommentare von Teilnehmern

Weitere Auswertungen

Je nach Tertial bevorzugten die PJler verschiedene Kliniken und Standorte. Für das Innere-Tertial gingen knapp 67% der PJler in Lehrkrankenhäuser, nur 20% absolvierten es in der Uniklinik. Ins Ausland gingen 13% der Studenten, weitere 7% bevorzugten den Weg in die Schweiz. Ähnliche Prozentzahlen ergaben sich für das Chirurgie-Tertial, für das Wahlfach allerdings gingen mit 42% deutlich mehr PJler an eine Uniklinik. Mit 47% bevorzugten aber auch hier etwas mehr Studenten die Lehrkrankenhäuser.

 

 

Je nachdem, ob die PJler an einer Uni-Klinik oder einem Lehrkrankenhaus arbeiteten, fiel die Bezahlung auch unterschiedlich aus. Dabei zahlten die Unikliniken generell am wenigsten, durchschnittlich 247 Euro. Spendabler waren dagegen die Lehrkrankenhäuser, sie zahlten etwa 368 Euro an ihre PJler. Unübertroffen war die Schweiz: Die Helvetier investierten im Schnitt 791 Euro in den Medizinernachwuchs.

 

 

Postiv fällt auf, dass der Einsatz der PJler als Hakenhalter oder Blutabnahmemaschine nicht mehr allzu häufig zum Arbeitsalltag gehört. Im Schnitt 12% der PJler fühlten sich zwar immer als billige Arbeitskraft eingesetzt, etwa 20% der Teilnehmer fühlten sich oft als Mittel zum Zweck. Dagegen klagten knapp 1/3 aller PJler nur noch manchmal über unnötige Arbeit. Das große Los zogen die PJler, die ihre Tertiale im Ausland absolvierten: Hier wurde knapp die Hälfte aller Teilnehmer niemals für niedere Arbeiten eingesetzt.

 

 

 

Die bessere Betreuung seitens der Ärzte hatte auch Auswirkungen auf den Lerneffekt – dieser wurde überwiegend positiv bewertet. Besonders viel lernten die PJler dabei im Ausland: 29% schätzen ihren Lerneffekt aus ihren dortigen Tertialen als sehr gut ein, knapp 42% als gut. Über ähnlich gute Einschätzungen kann sich die Schweiz freuen: hier sagten etwa 36% der Studenten, dass der Lerneffekt gut bis sehr gut sei. Über einen schlechten Lerneffekt klagten dagegen die PJler an den Uni-Kliniken: Jeder Siebte hatte sich von dieser Lehrstätte wohl mehr erhofft.

 

 

Umfrageteilnehmer übers PJ

-Es ist schade, dass sich oft keiner der Ärzte dafür zuständig fühlt, den PJlern etwas beizubringen. Selbstständigkeit wird nur bedingt gefördert und meist ist man kostenlose Arbeitskraft, ohne die der Arbeitsaufwand nicht zu bewältigen wäre.

-Mein PJ hat mir Spaß gemacht, mich persönlich und fachlich weitergebracht und ist sehr schnell vergangen. Man weiß nach dem PJ zumindest, worauf man sich einlässt. Natürlich hatte ich auch manchmal keine Lust (Haken halten), aber das gehört dazu.

-Ich bin bisher recht zufrieden. Nur schade, dass im oft hektischen Alltag sehr wenig Zeit für Fragen und ausführliche Erklärungen bleibt...

-Die Ausbildung im PJ hat sich verbessert, jetzt muss die universitäre Ausbildung nachziehen. Diese ist einfach nur schlecht und bereitet in keiner Weise auf die Praxis vor.

-Eigeninitiative ist alles!

-In der Chirurgie gilt: Haken halten, Fresse halten. Lernen tut man nichts. Es interessiert keinen, wer man ist, der Uni ist es vollkommen egal ob ein Lehrkrankenhaus seinem Lehrauftrag gerecht wird. PJler werden vollkommen ungenügend für den Arztberuf ausgebildet. Es fehlt ein einheitlicher Ausbildungsstandard, der von jeder Klinik eingehalten werden sollte. Im Falle des Nicht-Einhaltens sollte der Status "akademisches Lehrkrankenhaus" entzogen werden.

-Sollte man einen Hauptpunkt nennen, der dem deutschen PJ negativ zusetzt, so ist es die breit verankerte Einstellung "das ist ja nur ein Student". "Der Student" wird oftmals als lästiges Anhängsel gesehen oder billige Arbeitskraft (Hakenhalten Chirurgie). In der Schweiz läuft die Ausbildung des "Arztes in Ausbildung", "jungen Kollegen" viel mehr automatisch, nebenbei. Die kleinen Wertschätzungen dort, und sei es nur das Gefühl, als angehender Kollege ernst genommen zu werden, erzeugt eine enorme Lernmotivation, was sich auch wieder positiv auf die Lehrmotivation auswirkt.

-Insgesamt bin ich mit meinem PJ zufrieden, häufig durfte ich recht selbstständig arbeiten. Die Lehre war immer stark abhängig von den zuständigen Kollegen, hätte mich aber insgesamt mehr fordern können. Die Kollegialität hat mir aber insgesamt viel Lust auf meine kommende Tätigkeit gemacht.

-Viel Zeit für wenig Lerneffekt verballert. Knecht vom Dienst. Selten so ausgenutzt gefühlt. Steinzeitliche Mitarbeiterführung/Hierarchie. Dauerhafter Klinikjob scheidet daher aus.

 

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