- Artikel
- |
- Text und Foto Beyza Saritas
- |
- 10.01.2025
Drittes Staatsexamen: Alle guten Dinge sind drei
Beyza hat vor kurzem ihr drittes Staatsexamen bestanden und ist jetzt Ärztin. In diesem Artikel schildert sie den Ablauf ihrer letzten Prüfung im Medizinstudium.
M3 – die dritte und letzte ärztliche Prüfung des Medizinstudiums. Vor knapp einem Monat habe ich diese Prüfung bestanden und bin jetzt offiziell Ärztin. Das M3 besteht aus zwei Prüfungstagen, einem eher praktisch orientierten und einem eher theoretisch orientierten Prüfungstag. Ich wurde an einem, für die meisten Menschen stinknormalen, Mittwoch und Donnerstag im November geprüft. Doch wie läuft die Prüfung genau ab?
Zunächst muss man sagen, dass das Wahlfach eine entscheidende Rolle für die Prüfung spielt. In der Regel wird euch am ersten Prüfungstag ein Patient oder eine Patientin aus eurem Wahlfach zugewiesen. Das Wahlfach spielt auch dahingehend eine Rolle, dass euer Vorsitz, welcher das letzte Wort in der Prüfung hat, aus diesem Fachbereich kommt. Mein Wahlfach war die Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Insofern man sein Wahlfach an einem Lehrkrankenhaus der Heimatuniversität belegt, wird man auch an diesem Krankenhaus geprüft, ansonsten findet die Prüfung am Uniklinikum der Heimatuniversität statt.
Etwa zwei Wochen vor meinem dritten Staatsexamen erhielt ich meine Ladung für die Prüfung. Hieraus gehen eure vier Prüfungsfächer (Innere Medizin, Chirurgie, Wahlfach, Losfach) und Prüfer*innen hervor. Über ihre Universität erhalten die meisten Studierenden jedoch inoffiziell einige Wochen vorher Informationen über das Prüfungskommitee und Prüfungsdatum. Der Prüfungstermin verändert sich zwar nicht, jedoch kann es sogar am Prüfungstag noch zu einem Prüfer*innenwechsel kommen, daher macht es Sinn, sich auf alles vorzubereiten.
Abgesehen vom Losfach weiß jeder Studierende, in welchen drei Fächern man geprüft wird. Das Losfach ergibt sich erst durch Information von der Uni oder durch die Prüfungsladung, sodass erst ab diesem Zeitpunkt mit der Vorbereitung des entsprechenden Fachs begonnen werden kann. An manchen Unis gibt es auch vorbekannte Fachkombinationen, d.h. je nach Wahlfach weiß man, welches Losfach man erhält. Ich hatte dahingehend etwas Unglück (im Nachhinein vielleicht doch Glück) und habe als Losfach Neurologie zugeteilt bekommen, das als ziemlich umfangreich bekannt ist. Rückblickend muss ich sagen, dass ich das Fach gar nicht so schlimm fand: Ja, man musste viel lernen, aber ich hatte wirklich einen tollen Prüfer und hätte mein Losfach auch nicht gerne gegen ein nicht-klinisches Losfach wie z.B. Pathologie getauscht.
Nachdem ihr Informationen über eure Prüfer*innen erhalten habt, könnt ihr diese für Vorgespräche kontaktieren. Wenn ihr Glück habt, wird in diesen Gesprächen mal mehr, mal weniger eingegrenzt, welche Bereiche des jeweiligen Faches geprüft werden. Zudem könnt ihr euch auf die Suche nach prüferspezifischen Protokollen machen. Diese gibt es zwar nicht immer, aber wenn, helfen sie einem enorm im Hinblick auf die Prüfung. Umso mehr Protokolle es gibt, desto mehr Einblick erhält man in die Schwerpunkte und den Prüfungsstil des Prüfers oder der Prüferin. Man kann aber wie ich auch gar keine Protokolle haben. Daher schreibt bitte nach eurer Prüfung nieder, was ihr geprüft worden seid, und stellt es nachfolgenden Prüflingen zur Verfügung.
Tag 1
Am ersten Tag der Prüfung sollte ich um 08:30 Uhr am Arztzimmer der Dermatologie sein, in der ich mein Wahlfach absolviert habe. Hier wurde mir mein Prüfungspatient zugewiesen, der aufgrund einer Exazerbation seiner Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte) stationär war. Zudem habe ich einen Untersuchungsraum zugewiesen bekommen, in dem ich den Patienten in Ruhe ausführlichst anamnestizieren und untersuchen konnte. Insbesondere die Untersuchung war in diesem Rahmen wichtig, da es sein konnte, dass hierzu einiges am Nachmittag gefragt wird. Wer seinen Patienten also schon im vornhinein ordentlich untersucht, kann hiervon nur profitieren. Die Anamnese und Untersuchung haben mich letzten Endes auch mehr Zeit gekostet, als ich erwartet hätte, aber ich habe den Patienten internistisch, chirurgisch, dermatologisch und neurologisch auf den Kopf gestellt.
Meinen Patienten konnte ich danach erstmal entlassen und mich an den Arztbrief setzen, der ebenfalls als Prüfungsleistung zu erbringen war. Es macht Sinn, sich vor der Prüfung schon einmal anzuschauen, wie man einen vollständigen Arztbrief verfasst – idealerweise habt ihr sogar Arztbriefe in eurem PJ geschrieben und wisst, worauf man achten sollte. Gegen 12:30 Uhr war ich fertig mit dem Arztbrief und musste diesen bei meiner Vorsitzenden abgeben. Danach hatte ich noch eine halbe Stunde zum Verschnaufen, bevor die Prüfung auch schon losging.
Als erstes habe ich in einem ca. 5-minütigen Monolog meinen Patienten vorgestellt, da niemand außer meiner Vorsitzenden diesen kannte. Danach wurde ich reihum in jedem Fach ca. 15-20 Minuten geprüft. Am ersten Prüfungstag sind die Fragen oft praktisch orientiert und auf den Patienten bezogen, der ebenfalls zu meiner Prüfung anwesend war. So musste ich z.B. für die Dermatologie ein Hautkrebsscreening durchführen und für die Innere Medizin die Lungengrenzen bestimmen. Aufbauend auf diesen praktischen Skills werden weitere, theoretische Fragen gestellt. Da ich ziemlich aufgeregt war, ging die Prüfung deutlich schneller um, als ich erwartet habe. Während die ersten Schneeflocken des Winters fielen, waren bereits 50% des dritten Staatsexamens geschafft. Erschöpft vom ersten Tag ging es dann nach Hause, wo ich nochmals einige Themen rekapituliert und mich mental auf den zweiten Prüfungstag vorbereitet habe.
Tag 2
Am zweiten Tag ging es dann, in Anzug und Bluse, erneut Richtung Krankenhaus. Diesmal wurde ich mittags geprüft. Erneut wurden mir in ca. 15-20 Minuten pro Fach Patientenfälle vorgestellt; ich musste dermatologisch beschreiben, EKGs und Röntgenbilder auswerten und die Fragen meiner Prüfer und Prüferinnen beantworten. Danach wurde ich für einige Minuten hinausgebeten, damit die Prüfer und Prüferinnen sich hinsichtlich der Note beraten konnten. Schon nach gefühlt zwei Minuten wurde ich erneut hineingebeten, ich wurde beglückwünscht und mir wurde meine Note mitgeteilt.
Auch, wenn ich jahrelang auf diesen Moment hingearbeitet habe, ist es doch ein ziemlich überwältigendes Gefühl, plötzlich Ärztin zu sein. An einem ganz normalen Donnerstagnachmittag im November war mein Medizinstudium plötzlich vorbei. Schon auf dem Weg zu meiner Familie und meinen Freunden konnte ich die Tränen der Freude kaum zurückhalten. Mehr als sechs Jahre meiner Lebenszeit habe ich in dieses Studium investiert, dessen Samen ich bereits 2018 gesät habe. Nun durfte ich die ersten Früchte ernten.
Es war wahrlich nicht immer so leicht, wie es vielleicht aussah. Und dabei rede ich gar nicht über die Komplexität des Lernstoffes, denn die macht das Studium gar nicht so schwer. Aber die schlaflosen Nächte, die Verabredungen, die man aufgrund von universitären Verpflichtungen ausschlagen musste, die Sommer, die ich wegen der Staatsexamina verloren habe, die verlorene Lebenszeit als Pendlerin am Bahnhof. Das Medizinstudium ist auch ein Studium der Stressresistenz, ein Studium der Aufopferung und des Verzichts.
Mittlerweile ist bereits ein Monat vergangen, seitdem ich offiziell Ärztin bin. Und diese Zeilen zu schreiben, fühlt sich immer noch so surreal an. Das nächste Mal im Krankenhaus werde ich mich als Ärztin vorstellen, nicht mehr als Pflegepraktikantin, Famulantin oder PJ-lerin. Das nächste Mal im Krankenhaus werde ich Verantwortung tragen für meine Handlungen und noch wichtiger meine Patienten und Patientinnen. Das nächste Mal im Krankenhaus wird ein neuer Lebensabschnitt sein, eine ganz neue, leere Seite.