- Bericht
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- Lisa
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- 11.08.2015
So ist das Medizinstudium in Pécs (Ungarn)
Pécs ist eine gute Alternative zum Medizinstudium in Deutschland, findet Lisa. Hier erzählt sie, wie es sich in Ungarn studiert, wie das Studium strukturiert ist und wie die Zulassungsbedingungen sind.
Pécs © Lisa
Wer Medizin studieren möchte, braucht ein Einser-Abitur. Leider hat das bei mir damals nicht hingehauen. Dennoch, mit meinem Abiturschnitt von 1,8 und dem Gefühl, nach der Schule alles erreichen zu können, bewarb ich mich für einen Studienplatz der Humanmedizin. Die Ernüchterung folgte prompt: der Ablehnungsbescheid flatterte ins Haus.
Aber ich hatte einen Plan B. Ich absolvierte im folgenden Jahr mein dreimonatiges Pflegepraktikum im örtlichen Kreiskrankenhaus und anschließend ein Freiwilliges Soziales Jahr im Altenheim. Nebenbei lernte ich für den TMS und bewarb mich auf diverse Ausbildungsplätze.
Dazu schickte ich Bewerbungen an ausländische Universitäten: nach Graz, Brünn, Prag, Pilzen, Budapest und eben nach Pécs.
„Aber warum denn ins Ausland?“ Diese Frage bekam ich oft zu hören. Ich wollte Medizin studieren und ich wollte Arzt werden. Ich wusste nun nach einem Jahr praktischer Erfahrung, dass ich mit Menschen arbeiten konnte und es von Herzen auch in Zukunft wollte. Aber ich hatte wenig Lust, 6 bis 7 Jahre auf einen Platz zu warten, um dann noch mal genauso lang zu studieren und meinen Facharzt zu machen. Dann wäre ich Ende 30 oder gar schon Anfang 40. Was wäre mit der Familienplanung?
Eine Klage kam mir auch nicht in den Sinn und alle Boni über das AdH-Verfahren hatten auch im zweiten Bewerbungsjahr wenige Chancen für mich eröffnet.
Es blieb also nur noch der Sprung ins Ausland und gerade auf Pécs hoffte ich am allermeisten.
Denn ich hatte schon von Pécs und der Universität einiges gehört. Und die Stadt war nicht zu groß, ich wollte nicht unbedingt in eine riesige Metropole.
Die Chancen auf eine Zulassung waren in Pécs nicht schlecht. Pécs berücksichtigt neben dem Abiturzeugnis die Belegung von naturwissenschaftlichen Fächern in der Oberstufe oder Universität und legt Wert auf Erfahrungen auf Praktika oder Ausbildungen im medizinischen Bereich.
Als ich die Zulassung bekam, war die Freude freilich riesengroß. Nun musste ich vieles in die Wege leiten: Finanzen, Versicherungen, Unterkunft und Anreise.
Dazu plagten mich noch einige Zweifel: Wird es schwer sein? Wirst du so fern von all deinen Lieben das Pensum durchhalten?
Jetzt, zwei Jahre später, halte ich mein Physikums-Zeugnis in den Händen und habe mit keiner Sekunde an meiner Entscheidung gezweifelt. Es war für mich der richtige Weg, den Sprung ins Ausland zu wagen und alle Zweifel hatten sich sehr schnell in Luft aufgelöst. Ich habe die Stadt und auch das Land lieb gewonnen und fühle mich hier wohl.
Die Medizinische Fakultät der Universität Pécs
Seit 25 Jahren existiert an der Uni Pécs ein englischsprachiger und seit 8 Jahren ein deutschsprachiger Studiengang für Human- und Zahnmedizin. Das macht das Zusammenleben sehr spannend, denn hier treffen junge Menschen aus einer Vielzahl an Ländern zusammen: Ungarn, Deutschland, Skandinavien, USA, Spanien, Iran oder Pakistan.
Das Studium ist dem in Deutschland sehr ähnlich. Die ersten zwei Jahre bilden die Vorklinik, bei deren Abschluss man sein Physikumszeugnis erhält. Darauf folgen drei Jahre Klinik mit dem anschließenden Praktischen Jahr (PJ), das wie alle anderen Praktika auch in Deutschland absolviert werden kann. Nach der erfolgreichen Abschlussprüfung erhält man dann den Titel „Dr.med.“, denn wer in Pécs zu Ende studiert, der muss eine wissenschaftliche Arbeit abgeben, die äquivalent zur Doktorarbeit ist.
Berwerbung an der Medizinischen Fakultät Pécs
Der Bewerbungszeitraum für das erste Studienjahr startet am 1. Februar und endet am 31. Mai des voraussichtlichen Immatrikulationsjahres. Die Anmeldung erfolgt erst online und alle benötigten Unterlagen werden dann per Post nachgeschickt. Wer sich bewirbt, muss 200 Euro Bewerbungsgebühr bezahlen.
Benötigte Unterlagen sind:
1. Bewerbungsformular der Online-Anmeldung mit Passbild
2. beglaubigte Kopie der Hochschulzugangsberechtigung
3. Kopie der Personalausweises oder Reisepasses
4. Tabellarischer Lebenslauf
5. Motivationsschreiben
6. Beleg der eingezahlten Bewerbungsgebühren
7. Nachweis über absolvierte Praktika oder Studien im naturwissenschaftlichen Bereich
Der Eingang der Unterlagen wird dann per E-Mail bestätigt und mit einer Information kann man bis Mitte Juli, bei Nachreichung des Abiturzeugnisses auch bis Anfang August rechnen.
Bei einer Zulassung müssen dann innerhalb von 14 Tagen das Rückmeldeformular und der Beleg über die eingezahlten Studiengebühren und die Immatrikulationsgebühr online und per Postweg eingereicht werden. Für alle organisatorischen Dinge wie Wohnung, Visum oder Versicherung gibt das Studierendenbüro Auskunft und über die uni-eigene Wohnungsagentur findet man auch sehr schnell ein Dach über dem Kopf.
Vor dem eigentlichen Studienstart wird das „Freshman- Camp“ von den älteren Jahrgängen für alle neuen Studenten am Balaton angeboten. Hier kann man schon seine Kommilitonen kennenlernen. Und dann geht los mit dem Medizinstudium in Pécs.
Akademisches Jahr in Pécs und Studienablauf
In Pécs ist das Studium wie auch in Deutschland in Semester unterteilt. Offiziell beginnt das Wintersemester Anfang September und endet Ende Januar. Ein Semester gliedert sich in 14 Wochen Vorlesungszeit, in der sowohl alle Vorlesungen, Seminare, Praktika als auch Testate stattfinden. Anschließend hat man 7 Wochen Zeit, all seine Prüfungen zu absolvieren.
Da es keine Semesterferien zwischen Winter- und Sommersemester gibt, startet das Sommersemester dann schon Anfang Februar und endet Ende Juni wieder im 14 zu 7 Rhythmus. Dann hat man bis September frei.
Im ersten Semester beginnt man mit Allgemeiner Anatomie, Histologie und Embryologie, Molekularer Zellbiologie, Physik und Statistik, Chemie und Terminologie. Das klingt schon recht ordentlich und in der Tat hat man schon recht schnell gut zu tun. Aber am Anfang werden gerade in Chemie und Biologie die Wissensstände angeglichen. Also keine Angst.
Im zweiten Semester ändert sich nicht viel an den Fächern, außer dass man einen erste Hilfe- Kurs absolviert und Biometrie lernt.
Im zweiten Jahr kommen dann die Fächer Biochemie, Physiologie, Psychologie und Soziologie, Immunologie und Klinische Berufsfelderkundung. Die Allgemeine Anatomie und Histologie samt Embryologie werden zusammengenommen und bilden das Fach Neuroanatomie. Und schon sind die ersten 2 Jahre der Vorklinik um.
In der Klinik hat man dann im dritten Studienjahr die interessanten Fächer wie Pathologie, Pathohistologie, Pathophysiologie, Pharmakologie, Neuropsychologie, Präventivmedizin und Einführungen in die Innere Medizin und Operative Propädeutik. Hier kommt man dann auch mit Patienten in Kontakt und muss erste Anamnesen miterstellen.
In den folgenden zwei Jahren wird man dann mehr und mehr mit den einzelnen Fachbereichen der Medizin vertraut gemacht, arbeitet und lernt in den Kliniken. So hat man jeden Fachbereich einmal kennengelernt und dort eine Prüfung gemacht, bevor man dann nach 12 Semestern seine Abschlussprüfung macht.
Prüfungen in Pécs
Es herrscht das hartnäckige Gerücht, dass das Medizinstudium gerade in Pécs enorm schwierig sein soll.
Ja, die Medizinische Fakultät hat nicht umsonst den Leitspruch von Louis Pasteur übernommen, der da heißt: „Das Glück begünstigt nur diejenigen, die darauf vorbereitet sind!“
Das heißt aber auch nur, dass man von den Studenten erwartet, dass sie für ihre Ausbildung und spätere Profession gut lernen und sich für die Examen gut vorbereiten sollen. Denn die Prüfer wollen schon wissen, ob man die Materie beherrscht oder ob man sich nur versucht durchzumogeln.
In Pécs gibt es keine terminlich fixen Prüfungen mehr. Dank dem uni-eigenen An- und Abmeldeverfahren über Internet kann sich jeder Prüfling entsprechend der einzelnen Prüfungen in gewissen Fristen an- und abmelden und so seinen ganz persönlichen Prüfungsplan erstellen. Die Termine der einzelnen Fächer sind zwar meist an einen Wochentag gebunden, aber man kann eben entscheiden wann man in eine Prüfung geht. So wird jeder Student dazu angehalten, sein eigenes Lerntempo zu entwickeln und gut vorbereitet eine Prüfung zu bestehen. Das erfordert viel Disziplin und Organisation, denn das berüchtigte „Schieben“ einer Prüfung kann einen in Zeitnot bringen.
Zudem sind sehr viele Prüfungen mündlich, was erst einmal für viele sehr abschreckend klingt, so auch für mich damals. Aber die Prüfer sind fair und wer gut vorbereitet ist, kommt gut durch jede Prüfung. Mittlerweile habe ich viel lieber mündliche Prüfungen, weil man für diese anders und intensiver lernt als für eine schriftliche.
Die Benotung in Ungarn ist etwas irreführend. Denn die Notenskala geht von 5-1 und dabei ist eine 5 die Bestnote. Diese Verdrehung sorgt manchmal für panische Reaktionen bei den Daheimgebliebenen, aber man selbst findet sich damit schnell zurecht.
Freizeitmöglichkeiten
Pécs ist eine Studenten- und Touristenstadt. Eine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten und Festivals werden rund ums Jahr geboten und wer einfach abends einmal ausgehen mag, findet garantiert einen Platz in den zahlreichen Bars, Kneipen oder Clubs.
Auch außerhalb von Pécs kann man viel unternehmen und entdecken. Wenn man schon einmal in Ungarn ist, sollte man auch das Land und die Leute etwas kennenlernen.
Der EGSC (Englisch-Deutscher Studentenausschuss) organisiert etliche Events rund um das Jahr. Besonders der International Evening ist das Großereignis in Pécs, wo sich alle Studenten, Dozenten und Ehemaligen zusammenfinden.
In Pécs muss man in den ersten beiden Jahren eine Sportart belegen, nur dann erfüllt man auch das Curriculum. Die Möglichkeiten sind vielfältig: von Fußball, Volleyball oder Handball bis hin zu Hallenklettern, Tanzen und Karate wird sehr viel geboten. Zwar sind nicht alle Sportanlagen hochmodern, aber dieser indirekte Zwang zum Sport tut bei Lernstress gut und birgt die Möglichkeit, außerhalb der Kurse Freunde zu finden.
Ungarische Sprache
Die größte Angst für mich war die so fremd klingende Sprache. Wie sollte das funktionieren? Wie soll ich nebenbei die Sprache lernen?
Aber die Fakultät weiß zu helfen. Schon ab dem ersten Semester belegt man das Fach Ungarisch und hat so vier Stunden Seminar pro Woche. Die Dozenten und Dozentinnen sind sehr nett und hilfsbereit. Bei kleinen Problemen, die durch Sprachbarrieren entstehen, helfen sie auch außerhalb der Unterrichtszeiten gerne weiter. So beispielsweise bei amtlichen Briefen oder Rechnungen.
Anfangs ist der Fokus auf den alltäglichen Sprachgebrauch ausgerichtet, gegen Ende des zweiten Jahres rückt dann aber mehr und mehr die medizinische Fachsprache in den Mittelpunkt. Denn dieses Fach bereitet einen auf die Klinik vor. Nach zwei Jahren sollte man soweit sein, eine Patienten-Anamnese erheben zu können. Wer keine abgeschlossene Ungarisch-Sprachprüfung vorweist für die Klinik, darf dann nicht das Fach Innere Medizin belegen, was vollkommen korrekt ist. Denn wer möchte schon mit Pantomime seine Beschwerden vorführen? Während der Seminare darf man Patienten in der Klinik auf Ungarisch ausfragen, um so für die Praxis zu üben.
Zwar kann ich mich nach zwei Jahren nicht rühmen, fließend Ungarisch zu sprechen, aber es braucht auch seine Zeit eine Sprache zu lernen, die dem Deutschen oder Englischen so fern ist.
Auch ohne Kenntnis der Landessprache kommt man sehr gut über die Runden, die meisten Ungarn sprechen gutes Deutsch oder Englisch. Das ist zwar praktisch, aber leider zwingt es einen zu selten, wirklich Ungarisch im Alltag zu gebrauchen und zu lernen.
Von meinen Dozenten kann ich sagen, dass sie alle sehr gutes Deutsch sprechen. Jeder Dozent, der im deutschen Programm unterrichtet, absolviert vorher eine Sprachprüfung.
Kosten für ein Medizinstudium in Pécs
Das Medizinstudium in Pécs ist teuer. Fast 15.000 Euro kostet momentan ein Studienjahr bis zum Physikum. Danach kann man einige Ermäßigungen bekommen, sei es wegen guter Leistungen, Fächerbelegung oder soziale Umstände.
Trotzdem ist dies der Hauptgrund, warum so viele deutsche Studenten wieder zurück nach Deutschland wechseln.
Ein Vorteil sind Unterkunft und Lebenskosten, denn die sind in Ungarn wesentlich niedriger als in Deutschland. Wer sich gut informiert, bekommt locker für 150-200 Euro eine Wohnung samt Unterhaltskosten und für Verpflegung und anderes bezahlt man ebenso wenig.
Mein Fazit
Wer Medizin studieren möchte, wird in Pécs eine gute Medizinische Fakultät finden. Sie bietet eine gute Vorklinik und ein von Deutschland anerkanntes Physikum, so dass man gut gewappnet ist für den klinischen Teil des Studiums. Ich fühle mich hier sehr wohl und könnte mir durchaus vorstellen, noch ein wenig länger zu bleiben, denn die Ungarn sind ein nettes und gastfreundliches Volk, die es verstehen, einem etwas beizubringen.
Ein Nachteil sind die hohen Studiengebühren. Zudem sollte man natürlich die Entfernung nach Deutschland nicht unterschätzen. Ich fahre selbst mit dem Auto 9 bis 10 Stunden von Pécs nach Deutschland, Flüge gehen nur von Budapest und mit der Bahn ist man meist noch länger unterwegs.
Was die Nachteile aufwiegt sind die kleinen Lerngruppen in Praktika und Seminaren sowie die Dozentennähe. Viele komplexe Dinge werden wiederholt erklärt und man wird immer unterstützt. Das Niveau ist hoch und Ausbildung ebenfalls.
Mehr Infos
In meiner Freizeit blogge ich über mein Medizinstudium in Pécs. Auf der Seite www.559miles-medabroad.de findest du meinen Blog – ich freue mich über zahlreiche Besucher.
Weitere Informationen
Universität Pécs Medizinische Fakultät
Szigeti ut 12.
7624 Pécs
Ungarn
Homepage der Fakultät
Homepage der Fakultät für Bewerbungsinformationen