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  • Stephanie Beil
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  • 24.02.2015

Das Medizinstudium in Wien – Studieren ohne NC-Hürde

Für alle, die kein 1,0 Abi haben, bietet das Medizinstudium in Österreich eine gute Alternative. Warum das so ist und wie es sich in Wien studiert, erzählen drei Medizinstudenten.

 

Einst war das Josephinum in Wien eine medizinisch-chirurgische Akademie. Heute ist es unter anderem Sitz des Institutes für Geschichte der Medizin der Medizinischen Universität Wien.

 

Wien gehört zu den beliebtesten Städten weltweit: Im vergangenen Jahr wurde der Stadt zum wiederholten Mal die höchste Lebensqualität bescheinigt. Damit steht Wien in einer Reihe mit Melbourne, Vancouver und Toronto und hat dementsprechend eine hohe Zuwanderungsquote. Mittlerweile sind 12.5 % der Gesamtbevölkerung ausländischer Staatsangehörigkeit – darunter auch viele deutsche Human- und Zahnmedizin Studenten.

 

MedAT: Der Schlüssel zum Glück

Warum wollen so viele Deutsche gerade in Österreich studieren? Ganz einfach: Weil die Zulassungshürde nicht die Abinote ist, sondern das österreichische Aufnahmeverfahren MedAT. Dieser Test prüft in vier verschiedenen Bereichen: Basiskenntnis für medizinische Studiengänge, Textverständnis, kognitive Fähigkeiten, sowie akademisches Denken. Um daran teilnehmen zu können, muss man sich zunächst online anmelden, Studienrichtung und Studienort verbindlich auswählen und einen Kostenbeitrag von 110 € zahlen. Der Test findet jeden Juli zeitgleich in Graz, Innsbruck und Wien statt. Anhand der Testergebnisse wird eine Rangliste erstellt, die dann über die Zulassung entscheidet. Interessant aus deutscher Sicht ist die prozentuale Aufteilung der Studienplätze: Die Medizinische Universität in Wien vergibt ihre 660 Plätze zu 75% an EU-Bürger mit österreichischem Reifezeugnis, zu 20% an EU-Bürger mit einem Reifezeugnis aus EU-oder EWR-Staaten und zu 5% an Angehörige sogenannter Drittstaaten. Bewerben kann sich prinzipiell jeder, der über ausreichend Deutschkenntnisse verfügt und ein Reifezeugnis vorweisen kann.

Dieses Zulassungsverfahren sorgt immer wieder für heftige Diskussionen: Während die einen darin die Möglichkeit für kulturellen Austausch sehen und sich über Diversität freuen, bemängeln andere die dadurch entstehende Konkurrenz um die Universitätsplätze. Grund genug, einmal genau nachzufragen: Wie sieht das Verhältnis zwischen österreichischen und deutschen Studenten aus? Finden die Österreicher tatsächlich, dass ihnen die Deutschen die Studienplätze wegnehmen und sich auf Kosten des österreichischen Staates ausbilden lassen? Oder herrscht nicht doch viel mehr ein freundschaftliches Zusammenleben ohne negative Ressentiments?

 

Grantigkeit und Großstadtfeeling

 

Medizinstudent Philipp - Foto: privat

Philipp Kaiser ist Deutscher und studiert in Wien

Die Medizinstudenten Philipp Kaiser und Falk Preißing haben sich nach dem Abitur für Österreich entschieden, da bei beiden der Notendurchschnitt nicht für ein Medizinstudium in Deutschland ausreichte. Wie gefällt es ihnen in Wien? „Es ist immer eine Frage, wie man selbst auf die Menschen zugeht“, meint Philipp. Er kommt ursprünglich aus Jena und lebt nun seit über drei Jahren in Wien. „Ich bin von Anfang an gut aufgenommen worden und habe mittlerweile sogar mehr österreichische als deutsche Freunde.“ Das einzige Problem sei zu Beginn der Dialekt der Professoren und die typische Wiener Grantigkeit gewesen. Aber daran hat er sich schnell gewöhnt. „Wien ist vor allem eine besonders schöne Stadt, die einem nahezu alles bietet: Großstadtfeeling mit Business- und Shoppingmeilen, Kunst und Kultur, Freizeit- und Sportmöglichkeiten oder grüne Naherholungsgebiete; genau diese Vielseitigkeit mag ich so sehr. Hinzu kommt die lange Historie der Stadt und das internationale Renommee der Medizinischen Universität. Ich würde mir wünschen, nach dem Studium in Wien eine Stelle als Herzchirurg zu bekommen um hier wohnen bleiben zu können.“

 

Medizinstudent Falk - Foto: Privat

Der Deutsche Falk Preißing fühlt sich in Wien zuhause

 

Etwas anderer Meinung ist da Falk, der ursprünglich aus Kiel stammt. Auch wenn er in Wien sehr gerne studiert, kann er sich nicht vorstellen, später auch hier zu arbeiten. „Das liegt vor allem an der österreichischen Gesundheitspolitik. Ich würde gerne eine Familie gründen und diese mit meinem Job vereinbaren. Die derzeitige Arbeitszeitregelung für Ärzte macht so etwas jedoch fast unmöglich. Viele Österreicher verstehen das nicht und behaupten, die Deutschen nutzen das kostenlose Studium aus und kehren danach wieder nach Hause zurück.“

Falk lebt nun schon seit drei Jahren in Wien und hat auch viele österreichische Freunde. Trotzdem macht er nach wie vor Erfahrungen mit kleinen Sticheleien in Bezug auf seine Herkunft: „Daran hat die starke Position der FPÖ („Freiheitliche Partei Österreich“) mit ihrem rechtspopulistischen Programm sicher auch einen großen Anteil.“
Die meisten Österreicher legten zudem besonderen Wert auf ihren Dialekt: Sagt man „Tüte“ statt „Sackerl“, „Quark“ statt „Topfen“ oder „Abfalleimer“ statt „Mistkübel“, werde man schnell als „Piefke“ ausgelacht. Letztendlich sei dies aber selten wirklich ernst gemeint und man könne ja oft genug zurückschlagen. Beispielsweise wenn Deutschland Fußballweltmeister wird und Österreich nicht einmal die Qualifikation schafft.

 

Was sagt der Wiener?

 

Medizinstudent Lukas - Foto. privat

Lukas Smerda ist Wiener und hat viele deutsche Kumpels.

 

„Mich hat es noch nie gestört, dass so viele Deutsche zum Studieren nach Österreich kommen“, meint der Wiener Medizinstudent Lukas Smerda. „ Es hat mich nur nervös gemacht, als ich am MedAT Testtag auf die deutschen Bewerber traf, die so gut vorbereitet waren. Ich selbst hatte auf den Test nämlich gar nicht gelernt.“ Mittlerweile ist der 24-Jährige im klinisch praktischen Jahr und schreibt an seiner Diplomarbeit über alternative Antikoagulationstherapien. „Das ist gewiss einer der Vorteile am österreichischen Medizinstudium: Wir müssen nicht eigens promovieren, sondern bekommen den Dr. med. univ. am Ende des Studiums mit Abgabe der Diplomarbeit.“

Die hohe Anzahl an Pflichtveranstaltungen störe ihn dagegen sehr. „Der Stundenplan ist jedes Semester fest vorgegeben und die wenigsten Kurse gewähren einen Fehltermin. Dies schränkt die Flexibilität stark ein und macht es schwierig, nebenher zu jobben und Geld zu verdienen.“ Auch das Prüfungssystem sei verbesserungsfähig. Bis auf wenige mündliche Tests während den Semestern werde jeweils nur am Jahresende in sechs großen Blöcken geprüft. Dies bemängelt auch Falk: „Für die Tests lernen wir an die 4000 Altfragen auswendig, die wir innerhalb kürzester Zeit wieder vergessen haben. Nachhaltiges Lernen sieht anders aus.“ Die Österreichischen Hochschülerschaft konnten hier jedoch einen Erfolg verbuchen: Die Prüfung am Ende des ersten Jahres wurde nun auf die beiden ersten Semester aufgeteilt.

Andererseits haben die Studenten so unter dem Jahr weniger Prüfungen im Vergleich zu anderen Studiengängen. Philipp erzählt: „Die Semesterkurse bieten genug Plätze für alle Studenten, sodass niemand befürchten muss, auf eine Warteliste zu kommen. Für die Übungs- und Arbeitsaufträge werden wir in Kleingruppen eingeteilt, wodurch man sich untereinander sehr schnell kennenlernt. Toll finde ich auch, dass sich hier Auslandsaufenthalte so leicht verwirklichen lassen.“ Durch ihr historisches Renommee verfügt die Medizinische Universität Wien über ein sehr gut ausgebautes internationales Netzwerk, das die Organisation von Famulaturen oder Praktika im Ausland sehr erleichtert. Sein sechstes Studienjahr möchte Philipp gerne in Texas oder Boston verbringen. Auch Lukas kann Auslandserfahrung vorweisen. Er ist zwei Monate durch Indien gereist und hat mehrere Wochen davon in einem Krankenhaus gearbeitet.

 

Medizin ist der Hammer 

Einig sind sich die drei Studenten jedoch darin, dass Medizin ein mega interessantes Fach ist. „Der Lernstoff ist zwar sehr umfangreich, aber es geht dabei ja um den eigenen Körper. Das macht es so greifbar“, meint Lukas. Er könne sich nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu studieren und in Wien fühle er sich wirklich wohl. Um eine Stelle als Allgemeinchirurg zu bekommen, wäre er aber auch bereit, ins Ausland zu gehen. Falk wirft ein: „Das Faszinierende ist die Tatsache, dass der menschliche Körper ganz alleine funktioniert.“ Und fügt hinzu: „Wir haben über die Jahrtausende zwar viel an medizinischem Wissen angehäuft. Aber letztendlich verstehen wir bisher ja nur einen Bruchteil davon.“ Später in die Forschung zu gehen, wäre aber trotzdem nichts für ihn. „Die Forschung wäre mir zu weit weg vom Menschen. Ich möchte später gerne in die Anästhesie oder Intensivmedizin. Dort habe ich wenige Patienten, die aber allesamt sehr schwierige Fälle darstellen. Genau diese Herausforderung suche ich!“

 

Weitere Infos

Falls du jetzt auf den Wiener Geschmack gekommen bist und dich ebenfalls für ein Medizinstudium in Wien interessierst, haben wir einige nützliche Links zusammengetragen:

Umfangreiche Informationen zu Anmeldung und Ablauf des medizinischen Aufnahmetests: http://medizinstudieren.at

Tipps von der MedUni Graz zur Vorbereitung auf den Aufnahmetest: http://vmc.medunigraz.at/add-on/login/index.php

Die Homepage der Medizinischen Universität Wien mit Informationen zu Studium und Lehre: http://www.meduniwien.ac.at/homepage/

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