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  • Marcel Akdenizli
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  • 11.02.2019

Medizinstudium im Ausland: Mehr als nur Plan B

Wer in Deutschland keinen Studienplatz ergattert, geht oft ins europäische Ausland fürs Studium. Was nach einer Notlösung klingt, ist für viele die beste Entscheidung ihres Lebens.

Wer in Deutschland Zahnmedizin studieren möchte, braucht ein sehr gutes Abi oder viel Geduld für die Wartezeit. Wer beides nicht hat, kann auch innerhalb der Europäischen Union studieren, denn der Studienabschluss der Human- oder Zahnmedizin ist innerhalb der EU in allen Mitgliedstaaten anerkannt.

Mittlerweile studieren über 1.000 Deutsche Human- oder Zahnmedizin an Universitäten in nahezu allen Europäischen Mitgliedsstaaten auf Englisch oder Deutsch.

Einer von ihnen bin ich, Marcel, gebürtig in Stuttgart. Ich studiere Zahnmedizin im 6. Semester auf Englisch an der Medizinischen Universität Sofia, in der Hauptstadt Bulgariens. Mittlerweile sind wir an die 500 deutsche Studierende an der Mu Sofia. Die Europäische Kommission tagt ca. 50 Meter von unserem Campus entfernt. Die Zahnmedizinische Fakultät wurde nach deutschem Vorbild gegründet, von Bulgaren, die in Deutschland Zahnmedizin studiert haben. Wir werden in Kleingruppen von maximal 10 Personen pro Dozent unterrichtet, welche bunt gemischt sind, mit Studenten aus über 40 verschiedenen Ländern. Anders als in Deutschland ist das Studium nicht umsonst, die Studiengebühren betragen 8.000 Euro pro Studienjahr. Instrumente und Materialien werden jedoch weitestgehend von der Universität gestellt. Die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Bulgarien sind zudem halb so hoch wie in Deutschland und setzen die Studiengebühren in Relation.

Studieren im Ausland als Notlösung?

Wenn in den Medien über uns berichtet wird, fällt oft das geflügelte Wort „NC-Flüchtling“.
Sind wir also Hilflose die einen Leidensweg gehen? Ist die sogenannte „Flucht ins Ausland“ nur eine Notlösung? Oder ist das Medizinstudium im Ausland mehr als nur ein Plan B? 

Um Antworten zu finden, habe ich mir die Frage gestellt, warum man überhaupt studiert. Zu studieren bedeutet für mich folgendes: Ein großes Maß an Fachwissen zu erlangen, aber auch Fachkompetenz zu erwerben. Die Möglichkeit sowohl ein berufliches als auch ein soziales Netzwerk aufbauen zu können und die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Und genau hier, also in der Fachkompetenz, dem Netzwerk und der Persönlichkeitsentwicklung liegen meiner Meinung nach die Vorteile eines Human- oder Zahnmedizinstudiums im Ausland.

Weiter Gründe, warum ein Studium im Ausland Vorteile bringt:

  • In Bulgarien gibt es viele Patienten, die für eine Behandlung an der Universitätsklinik dankbar sind, und so können wir bereits im Studium viele praktische Erfahrungen sammeln. Die medizinische Versorgung eines anderen Landes zu kennen hilft mir auch dabei, die heimatliche Versorgung besser beurteilen zu können. Desweiteren studieren wir in der internationalen Fachsprache der Medizin und setzen uns von Anfang an mit Englisch-sprachiger Fachliteratur auseinander.
  • Weit weg von Freunden, Familie und Bekannten zu leben und auf sich alleine gestellt zu sein, fördert die Persönlichkeitsentwicklung, stärkt den Charakter und erweitert den eigenen Horizont. In einem fremdenden Land muss man sich auch anpassen können und man entwickelt automatisch seine sozialen Kompetenzen. So entstehen wertvolle Freundschaften zwischen den Studierenden aus aller Welt.
  • Ein Studium im Ausland bereitet einen sehr gut auf die globalisierte Welt vor. Die Englischkenntnisse werden perfektioniert und oft lernt man auch eine weitere Sprache, wie in meinem Fall die bulgarische Sprache und Kyrillisch, die bulgarische Schrift. Vor dem Hintergrund, dass nicht nur ein tendenziell wachsender Teil der Wirtschaft, sondern auch das Gesundheitssystem weitestgehend auf EU-Ebene organisiert ist und sich der Arbeitsmarkt stetig internationalisiert, ist all das für mich besonders interessant. Auch in der Zahnmedizin hat die Globalisierung Einzug genommen. Zahnärztliche Versorgungszentren internationaler Unternehmen haben sich in Deutschland und Europa ausgebreitet, der Gesundheitstourismus in der Zahnmedizin ist weltweit zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor herangewachsen, Zahnersatz wird international produziert und geliefert.
  • Ein englischsprachiges Studium bereitet optimal für die Tests zur Tätigkeit in der USA oder den Common-Wealth Ländern vor und ermöglicht Zugang zum weltweiten Arbeitsmarkt.

Und wer später vor hat, in Deutschland als Zahnarzt tätig zu werden, kann sich dank neuer deutschsprachiger Online-Fortbildungsplattformen sowie mittels Praktika und Famulaturen neben dem Studium auf die deutsche Arbeitswelt vorbereiten.

Die beste Entscheidung meines Lebens

Tatsache ist, dass die meisten Studenten aus der Not heraus im Ausland studieren, da sie in Deutschland keinen unmittelbaren Studienplatz erhalten hatten. Tatsache ist auch, dass das Studium im Ausland mit ganz anderen Herausforderungen verbunden ist.

Doch viele von uns, einschließlich mir, reden von der besten Entscheidung ihres Lebens, wenn es um ihren Schritt ins Ausland geht. Ein steigender Anteil der Studenten möchte sogar erst nach Studienabschluss wieder zurück nach Deutschland, auch wenn ein Wechsel ohne Zeitverlust nach dem Physikum unter Umständen möglich ist.

Obwohl der Weg ins Ausland für die meisten Mediziner der Plan B war, so wird für viele aus der Not eine Tugend.

Wer weitere Eindrücke von meinem Zahnmedizin-Studium im Ausland gewinnen möchte, findet mehr von mir in Text, Bild und Video im Internet auf meinem Blog und diversen Social Media Kanälen. Dort dokumentiere ich meinen Weg zum Zahnarzt.

Blog: www.marcel-in-bulgarien.de
Instagram: marcel_in_bulgarien
Youtube: Marcel in Bulgarien

 

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