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- Sebastian Kuhnen
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- 02.08.2011
Studienplatztausch
Die Stadt, in der man sein Studium oft als Fremder begann, ist einem nach einigen Semestern vertraut geworden. Die zunächst noch anonyme Universität lässt sich inzwischen mit Erinnerungen und Geschichten füllen. Aus Kommilitonen sind Freunde geworden, verbunden durch gemeinsame Erlebnisse.
Für Felix Langhoff war es schon vor seinem Studium klar, dass er seine Universität einmal wechseln würde, um mehrere Orte kennenzulernen und "sich ein bisschen umzuschauen". Der Wechsel erschien ihm vor dem Studium als selbstverständlich und bereitete ihm zum Physikum auch noch keine größeren Sorgen. Als sich kurz nach dem ersten Staatsexamen für ihn dann tatsächlich die Möglichkeit bot zu wechseln, erlebte er diese Entscheidung doch als sehr folgenreichen Schritt.
Viele Studenten bekamen von der ZVS einen Studienplatz in einer Stadt zugewiesen, die ganz und gar nicht ihren Wünschen entsprach. Die Vorurteile, die sie zunächst hatten, haben sich nicht unbedingt bestätigt. Allerdings bleibt die große Entfernung nach Hause, oder die Entfernung bis zu Freund oder Freundin ein sehr wichtiges Argument, sich nach einem anderen Studienort umzusehen.
Kai Störing hatte sich Freiburg gewünscht und Rostock erhalten. Das Meer überzeugte ihn davon, sich auf die Stadt im ehemaligen Osten einzulassen – "für einen Lebensabschnitt, nicht für das ganze Leben". Doch die Entfernung bis ins heimatliche Köln blieb, Rostock "liegt einfach etwas am Ende der Welt". Im Sommer davon überzeugt, dort zu "studieren, wo andere Urlaub machen", hätte Kai im Herbst und Winter die Stadt manchmal ganz gerne zusammen mit den Touristen verlassen. Windstärke 10, eisige Temperaturen und ein sehr später Frühlingsbeginn ließen die Winter hart und lang werden. Hinzu kamen Stress und Druck des Studiums. "Das projiziert man dann so ein bisschen auf den Studienort, obwohl der Ort ja gar nichts dafür kann", gibt Kai Störing zu. Nach Physikum und erstem Staatsexamen wechselten sehr viele, so daß für Kai der Eindruck entstand: "Ich muss auch weg!".
Welche Möglichkeiten bieten sich für jemanden, der seine Uni wechseln möchte?
Die Möglichkeiten reduzieren sich auf Tausch und Direktbewerbung, da Medizin auch in den klinischen Semestern ein zulassungsbeschränkter Studiengang bleibt.
Per Direktbewerbung vergeben die Universitäten freigewordene Studienplätze. Je nach Uni und Semester können sie in unterschiedlicher Zahl verfügbar sein. Auskünfte erteilen in der Regel die Studentensekretariate, die auch Bewerbungsunterlagen ausgeben und über Einzelheiten des Bewerbungsverfahrens informiert sind. Die Bewerber werden durch Zufall oder aufgrund bestimmter Kriterien ausgewählt. Sind die Bewerbungsfristen der einzelnen Universitäten abgelaufen, besteht keine Möglichkeit mehr einen Platz zu erhalten, erinnert sich Kai Störing. Für Sandra Riess blieb nur noch Nordrhein-Westfalen übrig, da es für alle anderen Bundesländer schon zu spät war. So nahm sie nach dem 1. Staatsexamen einen Studienplatz in Aachen an.
Wer sich frühzeitig informiert, ist bei einem geplanten Studienortwechsel auf jeden Fall im Vorteil.
Tauschbörsen
Die größte Chance einen Tauschpartner zu finden, bieten vermutlich die Tauschbörsen von RCDS und VSB. Nachdem man sich mit seinen Wünschen angemeldet hat, werden die Datenbanken nach passenden Partnern durchsucht. Dabei ist auch ein Ringtausch möglich (AàB, BàC, CàA). Wenn sich ein passender Partner gefunden hat, müssen die Tauschwilligen alle weiteren Einzelheiten unter sich klären. Eine Garantie für einen erfolgreichen Wechsel erhält man allerdings nicht, da jeder Partner durch nicht bestandene Prüfungen doch noch ausscheiden kann. Da auch ein geringer Kostenbeitrag zu zahlen ist, kann man jedoch davon ausgehen, dass sich nur diejenigen beteiligen, die ernsthaft an einem Wechsel interessiert sind.
Weniger verlässlich sind unverbindliche Tauschlisten (Unicum) oder Aushänge an schwarzen Brettern.
Von Universität zu Universität ist die Zahl der Studenten, die wechseln, sehr unterschiedlich. In einigen Städten wie Mannheim oder Regensburg muss ein Teil der Studenten die Uni zum klinischen Studienabschnitt verlassen. An anderen Universitäten kann ein Wechsler der Einzelfall bleiben.
Neue Stadt, neue Lebensumstände
Ist die Entscheidung gefallen und die Zusage der Uni da, kommen noch so manche Belastungen auf einen zu. Conny Finnbrock versuchte, alles möglichst leicht zu nehmen: "Wenn man sich zu viele Gedanken macht, traut man sich hinterher nie". Sie wechselte nach dem 1. Staatsexamen von Gießen nach Aachen. Abmelden, Zimmersuche und Umzug empfand sie als besonders aufreibend.
In der neuen Stadt ist man zunächst ein Fremder. Gelingt die räumliche Orientierung noch relativ schnell, ist die Kontaktaufnahme zu anderen Studenten oft mühsam. Freundschaften und Cliquen im neuen Semester bestehen schon seit langer Zeit. "Es ist nicht so wie im ersten Semester, das Jungfräuliche ist nicht mehr da", beschreibt Kai Störing die Situation. Das Interesse an Neuankömmlingen ist eher gering. Es kostet Überwindung, immer wieder andere anzusprechen, sich vorzustellen und nachzufragen. "Wenn man es nicht von sich aus probiert, spricht einen keiner an." musste Conny feststellen. Zudem sind Studienablauf und Veranstaltungen häufig anders strukturiert als in der verschulten Vorklinik. Ein Zusammenhalt in den Kursen entsteht dabei nur selten.
Für die erste Zeit kann es eine große Hilfe sein, andere Wechsler kennenzulernen, die sich in der gleichen Situation befinden.
Man nimmt sich selbst mit
Dr. Albert Fersching, Leiter der Psychotherapeutischen Beratungsstelle der Uni Freiburg sieht neben dem "Orientierungsstress" noch weitere Belastungen: "Viele erleben plötzlich, dass man sich überallhin selbst mitnimmt. Obwohl sie dachten, es wird äußerlich anders, hat man die gleichen Ängste und Probleme", erläutert er.
Er rät Studenten, sich genau darüber klar zu werden, welche Ziele und Hoffnungen sie mit einem Wechsel verbinden. Jeder sollte sich vorher genau informieren, was ihn an dem neuen Studienort und der neuen Universität erwartet. Ein Wechsel ist seiner Ansicht nach eine Chance, bringt aber auch immer eine gewisse Depressivität mit sich. Um neu zu beginnen, muss etwas anderes aufgegeben werden, das man bisher hatte. Wer sich jedoch damit abfinden kann und auch bereit ist, einige Zeit zu investieren bis er sich in der neuen Stadt und im Studium eingelebt hat, sollte vor einem Wechsel nicht zurückschrecken.
Gezielt außeruniversitäre Betätigung suchen
Für Kai war der Wechsel ein Impuls um in einen Chor einzutreten. Mit seiner musikalischen Aktivität schuf er sich eine regelmäßige Betätigung außerhalb des Uni-Lebens. Durch andere Gruppen außerhalb des Studiums, wie z.B. Sport, fand auch Sandra Riess leichter Anschluss.
"Man braucht ein Jahr bis man sich wieder wohlfühlt in einer Stadt" sieht Conny Finnbrock ihren Neuanfang im Rückblick. Eine gewisse Zeit wird sich jeder eingestehen müssen, bis er in der neuen Umgebung auch wirklich "angekommen" ist. Eine Erholungsphase nach der harten Zeit der Prüfungen kann einem durch den Wechsel verloren gehen. Denn der Alltag ist zunächst noch kein Alltag.
"Ich habe am Anfang schon ziemlich Bammel davor gehabt, aber es hat sich trotzdem alles ganz gut gegeben.", kann Conny im Nachhinein sagen.
Neue Kontakte konnte jeder mit der Zeit wieder knüpfen. Doch viele Freundschaften, die sich gebildet haben, sind nicht mehr so wie in der Vorklinik. Die engeren Kontakte beschränken sich auf einige wenige.
Altes hinter sich lassen, Neues entdecken
Den Zusammenhalt seines alten Semesters konnte Felix Langhoff in Ulm nicht wiederfinden. Dafür sind die Skipisten für ihn in erreichbare Nähe gerückt. Sandra Riess kann nun weniger Zeit auf der Autobahn verbringen und hat eine gut bezahlte HiWi-Stelle gefunden. Conny Finnbrock sieht in ihrem Wechsel eine wichtige persönliche Erfahrung. Der Neuanfang war für sie eine Aufgabe, an der sie wachsen konnte. Auch Kai Störing bereut seinen Wechsel im Nachhinein nicht. Er freut sich über die Nähe zu Köln und das große kulturelle Angebot des Ruhrgebietes.
Bedeutung für die Bewerbung
Chefärzte interessiert es in den wenigsten Fällen, ob ein Bewerber den Studienort gewechselt hat, wie eine eigene Kurzumfrage zeigte. Auch eine aktuelle Studie belegt dieses Ergebnis. Ebenso spielt der Ruf der jeweiligen Uni nur eine untergeordnete Rolle. Wer eine wissenschaftliche Laufbahn anstrebt, sollte sich jedoch sehr früh orientieren und entsprechende Zentren aufsuchen. Das rät Oberärztin PD Dr. Geibel von der Klinik für Innere Medizin der Uni Freiburg. Doch auch hier variieren die Ansichten und es bleibt zu hoffen, dass sich viel Chefärzte der Meinung von PD Dr. Rückauer, Oberarzt an der chirurgischen Uni-Klinik Freiburg anschließen: "Letztlich kommt es auf den Menschen an, den man einstellt!"
Tauschbörsen im Internet
Im Internet zu tauschen ist sicher die beste Strategie. Für ein bisschen Geld bekommen Sie auf manchen Seiten die Möglichkeit eines Ringtausches. Dadurch steigen Ihre Chancen!
Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS)
Über den RCDS ist auch ein Ringtausch möglich.
Der Verein für studentische Belange betreibt die Seite www.studienplatztausch.de
Mehr Informationen gibt's auf dieser Via medici Seite.