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  • Beyza Saritas
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  • 20.09.2021

In die Lernhölle und zurück

Beyza hat vor kurzem ihr Physikum, die ärztliche Zwischenprüfung, bestanden. Nun erzählt sie, wie sie diese stressige Zeit empfunden hat und was sie rückblickend lieber anders gemacht hätte.

 

Es schwebt wie ein Damoklesschwert über der gesamten Vorklinik: das Physikum. Die Mauer zwischen Vorklinik und Klinik, die erste große Hürde auf dem Weg zum Arztsein. Nach drei Jahren Medizinstudium war es diesen Sommer soweit, ich habe das Physikum absolviert: Knapp sechs Wochen Lernzeit, ein schier unbewältigbarer Berg an Lernstoff und zahlreiche Nervenzusammenbrüche – die Vorbereitung auf die ärztliche Zwischenprüfung war wahrlich nicht ohne.

Aufgrund des Modellstudiengangs gestaltet sich das Physikum in Düsseldorf etwas anders als an den meisten Universitäten. Es besteht aus einem schriftlichen Teil, der kumulativ durch die Blockabschlussklausuren der ersten drei Studienjahre erworben wird, einem praktischen Teil in Form eines OSCE-Formats und einer mündlichen Prüfung, die neben den drei klassischen Fächern Anatomie, Biochemie und Physiologie ein klinisches Fach (Pharmakologie/Pathologie/Mikrobiologie) beinhaltet.

Wann ist es an der Zeit, mit der Physikumslernerei zu beginnen?

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass man seit Tag 1 des Medizinstudiums auf das Physikum vorbereitet wird. Daher stellt sich eher die Frage, wann man sich gezielt auf den Stoff für die Physikumsprüfung vorbereiten sollte. Ich kenne einige Studierende, die sich monatelang neben dem regulären Semester darauf vorbereitet haben. Ich selbst habe erst nach „Scheinfreiheit“, d.h. meiner letzten Vorklinikklausur, mit dem Lernen angefangen. Damit hatte ich knapp 45 Tage, um den Stoff der letzten drei Studienjahre aufzufrischen – in meinem Fall glich es aber eher einem Neulernen, da ich sehr viel vergessen hatte. Daher habe ich 45 Tage als recht wenig empfunden, und hatte oft das Gefühl, die Menge an Lernstoff niemals in dieser kurzen Zeit bewältigen zu können. Zwei Wochen mehr Lernzeit hätten mir sicher nicht geschadet, vor allem da ich durch die Vorbereitung auf die OSCE (= Objective Structured Clinical Examination) auch ein paar Tage Lernzeit verloren habe. Im Großen und Ganzen ist das Physikum in knapp sechs Wochen Zeit dennoch gut zu bewältigen. Natürlich kommt es dabei auch auf dein individuelles Vorwissen und deinen persönlichen Anspruch an – für das Bestehen muss man sicherlich weniger wissen, als für eine Glanznote.

Womit bereite ich mich auf das Physikum vor?

Die Frage nach dem richtigen Lernmaterial sollte man sich am besten schon stellen, bevor die ganze Physikumslernerei beginnt. Ich war hin- und hergerissen, ob ich mit meinen eigenen Unterlagen aus den letzten drei Studienjahren lernen soll, oder auf populäre Möglichkeiten wie die Endspurt- oder Medilearn-Skripte zurückgreifen soll. Letztendlich habe ich mich dazu entschieden, den Stoff der drei großen Fächer Anatomie, Biochemie und Physiologie mit den Endspurt-Skripten zu lernen – zumindestens so lange ich noch keine Einladung zum mündlichen Physikum hatte und meine Prüfer nicht kannte. Ursächlich dafür war, dass ich das Gefühl hatte, ich würde mich mit meinen eigenen Materialien zu sehr auf Details versteifen. Das vierte, klinische Prüfungsfach, das einem zugelost wird – in meinem Fall Pharmakologie – habe ich dann aber mit meinen eigenen Unterlagen gelernt. Letztlich kann man für das Physikum in Düsseldorf auch mit seinen eigenen Materialien lernen, da die IMPP-Fakten aus den Endspurt-Skripten für das mündliche Physikum zweitrangig sind. Dennoch bin ich froh, mit den Endspurt-Skripten gelernt zu haben, da ich sonst gefühlt gar keinen Überblick über die Fülle an Themen gehabt hätte.

Wie lernt man eigentlich für das Physikum?

Wenn es etwas gibt, was ich für reguläre Klausuren niemals erstelle, ist das ein Lernplan. Eigentlich wollte ich mich also auch für das Physikum an keinen Lernplan halten, einfach weil mir hierbei die Flexibilität fehlt und ich keinen Schwerpunkt auf individuelle Schwächen legen kann. Nichtsdestotrotz bin ich froh, dass ich mit einer Freundin einen Lernplan erstellt und mich auch an diesen gehalten habe, weil ich sonst noch verzweifelter angesichts der Menge an Lernstoff gewesen wäre. Fertige Lernpläne von Thieme und Amboss kamen für mich nicht in Frage, da diese auf das schriftliche Physikum zugeschnitten sind. Letztlich habe ich mir also die Lernpakete aus den Endspurt-Skripten Anatomie, Biochemie und Physiologie herausgeschrieben und auf etwa 35 Tage verteilt, sodass ich am Ende knapp ein Endspurt-Skript zum Wiederholen pro Tag hatte. Das vierte Prüfungsfach habe ich erst ab Bekanntwerden der Prüfer gelernt und daher an jedem Tag wiederholt, einfach weil Pharmakologie ein sehr lernintensives Fach ist.

Tja, wie lernt man nun eigentlich fürs Physikum? Um ehrlich zu sein habe ich die Endspurt-Skripte nur herauf und herunter gelesen. Oft habe ich angefangen, mir die Inhalte vorzusprechen und versucht auswendig zu lernen, aber nach einer Zeit habe ich gemerkt, dass ich nur noch gelesen habe. Ich habe mir selten etwas aus den Skripten herausgeschrieben, einfach weil es zu zeitintensiv gewesen wäre. Leider hatte ich, mit einem Tag pro Lernpaket, am Ende der 35 Tage die Inhalte der ersten Tage selten noch parat, sodass ich mich ständig zwischen Lernen und Vergessen bewegt habe.

Was ändert sich am Lernen nach Einladung zum mündlichen Physikum?

Die Einladung zum mündlichen Physikum, in der man seine vier Prüfer erfährt, hat mich ca. drei Wochen vor meinem Prüfungstermin erreicht. Danach habe ich erst einmal zwei Tage gebraucht, um die Altprotokolle durchzuarbeiten, mir häufig gefragte Themen herauszuschreiben und meine Prüferkombi zu verarbeiten. In meinem Fall konnte ich durch die Altprotokolle kaum etwas ausschließen, aber dennoch boten sie einen guten Überblick über den Prüfungsstil der Prüfer. Einige Prüfer bieten auch mündliche Vorbesprechungen an, in denen sie Themen ausschließen oder besonders wichtige Themen hervorheben. Leider war ich nach Bearbeitung der Altprotokolle und den Vorbesprechungen genauso schlau wie vorher, da ich nichts ausschließen konnte – nur habe ich danach angefangen mit den Vorlesungen zu lernen, um mir nun Detailwissen anzueignen. Ein gutes Fundament hatte ich in den drei Wochen zuvor ja mehr oder weniger mit den Endspurt-Skripten geschaffen.

Fazit

Die Vorbereitungszeit für die bisher größte Prüfung meines bisherigen Lebens war eine unbeschreibliche Berg- und Talfahrt mit einem Ziel: der Klinik. Während gefühlt die halbe Welt im Urlaub war, habe ich im stillen Kämmerlein gehockt und mich täglich zwischen Angst und Schrecken, Erkenntnis und Zweifel gefunden.

Rückblickend war es machbar und halb so schlimm wie gedacht, aber rückblickend wirkt auch alles einfacher als es dann tatsächlich gewesen ist. Die erste große Hürde zum Arztsein ist ein Marathon: Irgendwann ist die Luft raus, die Tage ziehen sich zum Prüfungstermin hin wie ein klebriges Kaugummi und man will es endlich hinter sich bringen, egal wie es ausgeht.

Ich glaube, ich habe mich in meinem Leben noch nie derart unvorbereitet für eine Prüfung gefühlt. So erging es aber allen meinen Freunden, daher kann ich mit Gewissheit sagen, dass dieses Gefühl des Unvorbereitetseins völlig normal ist. Auch wenn man denkt, dass man gar nichts kann, und gefühlt mehr vergessen als gelernt hat, entwickelt man in der Prüfung ungeahnte Kräfte und weiß Dinge, von denen man nicht wusste, dass man sie weiß. Daher lautet die Devise: Auf Lücke lernen, das Beste hoffen und ganz wichtig, ruhig bleiben!

Lernen muss jeder alleine, aber ohne meine Freunde hätte ich diese Zeit nicht durchmachen wollen. Zu wissen, dass man diesen Weg nicht alleine gehen muss, erleichtert einem vieles. Der Weg war steinig, endete manchmal in einer Sackgasse und war auch nicht immer zielbringend – aber es hat sich gelohnt!

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