- Lernhilfe
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- Ivaylo Ivanov
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- 09.11.2012
Biochemie für Einsteiger - Vitamin C
In unserer Artikelreihe stellen wir dir jeden Monat prüfungsrelevante Themen aus den Fächern Biochemie und Chemie vor. Egal, ob es sich um Atome, Moleküle oder Isomere handelt – wir erklären dir alles Wissenswerte zu den Themen, die dir unter den Nägeln brennen. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit dem Vitamin C, als Vertreter der wasserlöslichen Vitamine.
Vitamin C
Wir möchten uns zuerst etwas genauer mit der chemischen Nomenklatur der Verbindung auseinandersetzen. In Bezug auf die vorhandenen funktionellen Gruppen springen auf den ersten Blick einige "Classics" ins Auge: ein paar OH-Gruppen, eine Doppelbindung, ein (wegen der Doppelbindung ungesättigter) Zyklus. Diese Besonderheiten wollen wir nun etwas genauer unter die Luppe nehmen.
Die OH-Gruppen sollte den meisten bekannt sein. Es handelt sich um die so genannte Alkoholfunktion. Ihre wichtigsten Redoxeigenschaften (Oxidation zu Aldehyd/Keton und ggf. zu einer Säure) wurden im letzten Artikel behandelt, in Bezug auf die Beziehung Retinol/Retinal/Retinsäure. Insofern sind die beiden OH-Gruppen in der Seitenkette (also diejenigen außerhalb des Zyklus) eher uninteressant für uns.
In Bezug auf die beiden Hydroxygruppen im Zuklus gibt es allerdings eine Besonderheit: jede davon sitzt an jeweils einem Kohlenstoffatom einer Doppelbindung. Es handelt sich dabei um keinen "gewöhnlichen" Alkohol, sondern um einen Enol. In der Chemie kann man sich relativ vieles anhand des Namen herleiten: "en" im Enol steht für die Alkenfunktion, also die Doppelbindung zwischen den zwei C-Atomen; "ol" ist das übliche Suffix für Alkohole. Ein Enol ist also ein Alkohol, in dem wenigstens eine OH-Gruppe am C-Atom einer Doppelbindung sitzt. Gäbe es in einer Verbindung eine Doppelbindung und eine OH-Gruppe, würde aber die OH-Gruppe nicht an der Doppelbindung sitzen, wäre dies kein Enol. Enole haben wesentliche Eigenschaften (so genannte Keto-Enol-Tautomerie, also ein spezielles Gleichgewicht zwischen den beiden Formen) für viele biologische Systeme, Stichwort: Mutationen im genetischen Programm.
Der Zyklus der Ascorbinsäure ist insofern ungewöhnlich, weil er nicht ausschließlich aus Kohlenstoffatomen besteht. Es handelt sich hierbei um ein zyklisches Ester, also ein Lactam. Lactam-Strukturen beobachtet man bei vielen wichtigen Vertretern der Biomoleküle - also nicht nur bei Vitamin C, sondern auch bei z.B. der Stoffklasse der ersten und immer noch bedeutsamen Antibiotika, den Penizillinen.
Krankheiten und Biofunktionalität
Vitamin C gehört mit Sicherheit zu den bekanntesten Vitaminen. Merken sollte man sich an dieser Stelle (und vor allem die Kölner Medizinstudenten, da dies häufig in der Biochemie-Klausur abgefragt wird), dass Vitamin-C-Mangel zum Krankheitsbild Skorbut führt. Generell werden wenigstens ca. 100 mg Vitamin C pro Tag empfohlen, wobei die besten Quellen sicherlich nicht Zitronen und Orangen (ca. 50 mg Vitamin C pro 100 g Obst) sind, wie man meinen würde. Sehr viel mehr am Vitamin enthalten z.B. Grünkohl, Brokkoli und Paprika (ca. 100-150 mg Vitamin C pro 100 g Gemüse). Auf Molekularebene ist Vitamin C bei der Kollagenbiosynthese an der Hydroxylierung von Lysyl- und Prolylresten beteiligt - diese Tatsache ist ebenfalls häufig Gegenstand von Prüfungen in Biochemie.
Vitamin C gehört zu den wichtigsten Antioxidantien im menschlichen Körper. Der menschliche Organismus - im Gegensatz zu vielen Tierarten - ist allerdings nicht in der Lage, selbst diese Verbindung herzustellen. Deswegen sind wir auf die exogene Zufuhr angewiesen. Als wasserlösliche Verbindung sollen Ascorbinsäure-Überdosierungen praktisch unmöglich sein - man meint, dass die komplette überschüssige Menge mit dem Urin ausgeschieden wird.
Der Chemiker und Biochemiker Linus Pauling (Nobelpreis in Chemie und Weltfrieden) hat sich aktiv mit der Wirkung von Vitamin C beschäftigt. In einem seiner Werke "How to live longer and feel better" empfiehlt er Überdosen von Vitamin C. Menschen, die an einer Calciumstoffwechselstörung leiden, sollten aber vorsichtig sein: Mit erhöhten Dosen an Ascorbinsäure säuern sie den pH-Wert ihres Urins an und können damit die Bildung von Calcium-Oxalat-Steinen fördern – also Nierensteinen. In der heutigen Medizin geht man ohnehin von rationaleren Dosierungen aus. Jedenfalls steht fest, dass Ascorbinsäure ihren wohlverdienten Platz in der täglichen Nahrung hat.