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  • Ivaylo Ivanov
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  • 16.12.2013

Biochemie für Einsteiger - Antioxidantien

Was sind Antioxidantien? Warum sind sie wichtig in unserem Körper? Und: In welchen Lebensmitteln sind sie enthalten?

 

Thieme Verlagsgruppe

©Thieme Verlagsgruppe

 

In diesem Artikel geht es um eine Gruppe von chemischen Stoffen, die in den letzten Jahrzenten an Bedeutung gewonnen hat – die Antioxidantien. Bevor wir uns ihnen aber widmen, möchte ich erst einmal erklären, was freie Radikale sind. Hierbei handelt es sich um Atome oder ganze Moleküle, die in der äußersten Schale (wenigstens) ein ungepaartes Elektron besitzen. Als solche Strukturen sind sie generell extrem reaktionsfreudig. Dies liegt daran, dass ihr ungepaartes Elektron gerne ein Elektron von einer anderen Struktur sucht und es dann bindet. Somit wird das Radikal stabilisiert.  

 

Radikalische Reaktionen sind im chemischen Labor sehr wichtig, weil auf diese Weise zahlreiche Produkte hergestellt werden, z.B. unterschiedliche Polymere. Da diese Prozesse im wahrsten Sinne des Wortes nicht sonderlich „lebendig“ sind, möchten wir die freien Radikale aus biologischer Perspektive betrachten. Freie Radikale sind in lebenden Organismen schädlich, denn sie greifen aufgrund ihrer Instabilität und Reaktionsfreudigkeit andere essenzielle Biomoleküle an – am häufigsten DNA und verschiedene (Zellmembran-)Lipide. Zwar werden die Radikale im Laufe dieses Prozesses stabilisiert, da sie sich Elektronen „wegschnappen“. Das Problem ist aber, dass die angegriffenen Strukturen selbst dann strukturell geschädigt werden und ihre Funktionen nicht mehr ausführen können. Noch schlimmer ist es, dass diese Moleküle dann selbst zu freien Radikalen werden, da ihnen jetzt Elektronen weggenommen wurden. Dies funktioniert also mehr oder weniger nach dem Domino-Prinzip.

Die Gruppe der sogenannten „reaktiven Sauerstoffspezies“ (reactive oxygen species) umfasst unter anderem Teilchen, die aus chemischer Sicht als freie Radikale anzusehen sind. Aber auch andere Strukturen wie z.B. das Wasserstoffperoxid H2O2 oder das Ozon zählen zu dieser Kategorie.

Zum Glück hat der Körper die Möglichkeit, freie Radikale zu neutralisieren. Diese Aufgaben übernehmen die Antioxidantien. Im Körper weisen u.a. die Vitamine A, C und E solche Aktivität. Strukturell interessant an dieser Stelle ist das Vitamin E. Auch wenn der Begriff im Singular steht, handelt es sich eigentlich viel mehr um eine ganze Gruppe von Substanzen, die als Vitamin E bezeichnet werden – die Tocopherole und Tocotrienole (und Tocomonoenole).

 

Das Vitamin E

Alle zur Gruppe des Vitamin E zählenden o.g. Substanzen enthalten in ihrer Strukturformel ein Chroman-Grundgerüst. Indem dieser Ring chemisch leicht modifiziert wird, ergeben sich die jeweiligen Unterklassen:

 

Allgemeine Strukturformel der Tocopherole

Abb. 1: Allgemeine Strukturformel der Tocopherole

 

Die Seitenkette der Tocopherole ist gesättigt, das heißt, dass es keine Doppelbindungen in ihr gibt. Die Reste R1 und R2 stehen entweder für ein H-Atom oder für eine Methylgruppe. Je nach Kombination ergibt sich ein spezielles Tocopherol, das man mit einem Buchstaben kenntlich macht, nämlich alpha-, beta-, gamma- und delta-Tocopherol. Prinzipiell hat man bisher das alpha-Tocopherol als DAS Vitamin E bezeichnet. Neuere Studien zeigen allerdings, dass z.B. das gamma-Tocopherol stärker als Antioxidans wirkt als sein alpha-„Bruder“ und somit effizienter arbeitet.

 

Allgemeine Strukturformel der Tocotrienole

Abb. 2: Allgemeine Strukturformel der Tocotrienole

 Die Gruppe der Tocotrienole enthält in der Seitenkette, wie der Name schon sagt, drei Doppelbindungen und ist somit ungesättigt. Hierbei werden wieder vier Vertreter (alpha- bis delta-Tocotrienol) unterschieden, je nachdem, wie es mit den beiden Resten (R1 und R2 stehen für H-Atom oder Methylgruppe) aussieht.   

Allgemeine Strukturformel der Tocomonoenole

Abb. 3: Allgemeine Strukturformel der Tocomonoenole

   Die Tocomonoenole unterscheiden sich von den Tocotrienolen insofern, dass ihre Seitenkette lediglich eine Doppelbindung aufweist. Die Nomenklatur stimmt mit derjenigen der Tocotrienole und Tocopherole aber überein, es sind vier Tocomonoenole bekannt – alpha- bis delta-Tocomonoenol.

Alle Substanzen, die zur Vitamin E-Familie gehören, weisen antioxidative Eigenschaften auf. Besonders interessant ist, dass sie aufgrund ihrer Struktur lipophile Eigenschaften haben, sich also gut in Lipiden lösen. Deswegen sind sie wichtiger Bestandteil zellulärer Membranen, wo sie die Lipidschicht vor Oxidation durch freie Radikale schützen. Das Vitamin C zum Beispiel wäre gar nicht in der Lage dies an diesem speziellen Ort zu tun, da es hierfür zu lipophob ist.

 

Vitamin E und C arbeiten synergistisch

Auch wenn Vitamin E und Vitamin C auf dem ersten Blick komplett unterschiedlich sind, werden sie von ihrem gemeinsamen Ziel, den Organismus vor Schädigung zu schützen, vereint. Sie arbeiten synergistisch – das heißt, dass sie sich im Laufe ihrer „Arbeit“ gegenseitig unterstützen. Was heißt das? Im Körper entstehen vor allem nach einer Mahlzeit freie Radikale durch die Nahrung, z.B. künstlich erzeugt, noch im Essen enthalten durch gebratenes Öl. Diese Radikale werden vom Vitamin E neutralisiert. Vitamin E gibt ihn quasi eines seiner Elektronen und macht sie somit unschädlich. Leider wird es aber seinerseits auf diese Weise „abgenutzt“, da es so Elektronen verliert und selbst zu einem Radikal wird. Seine Funktion als Antioxidans käme irgendwann zum Erlöschen. Abhilfe schafft Vitamin C. Es „doniert“ dem Radikal des Vitamin E ein Elektron und dieses wird wieder zu einem funktionstüchtigen Antioxidans. Was passiert nun aber mit dem Vitamin C, das selbst nun ein Radikal ist? Nun, die Ascorbinsäure ist in diesem Bezug eine sehr bewanderte Substanz. Sie kann aufgrund ihrer speziellen Struktur ihr ungepaartes Elektron sehr geschickt innerhalb des Moleküls so positionieren, dass es als ganzes Gebilde einigermaßen stabil ist und keine großen Schaden wie die echten freien Radikale anrichtet. Trotzdem wird aber funktionsfähiges Vitamin C als Antioxidans gebraucht und es ist dies in seiner Radikal-Form leider nicht. Hierbei wird das Radikal des Vitamin C durch Glutathion wieder regeneriert, das heißt, es bekommt vom Glutathion ein Elektron.

 

Gesättigt oder ungesättigt?

Da das Thema Antioxidantien eigentlich kein Ende hat, wird es in einem nächsten Artikel fortgesetzt. Vor dem Abschluss möchte ich aber auf ein anderes Aspekt eingehen, der leider für sehr viel Verwirrung unter Studenten (und Ärzten ... ) in der Biochemie sorgt. Ungesättigte Fettsäuren, also solche mit Doppelbindungen in ihren Molekülen, sind überwiegend in pflanzlichen Ölen wie z.B. Olivenöl enthalten. Dazu gehören die sehr bekannten Omega-3-Fettsäuren, von dem jeder der Medizin studiert, sehr häufig gehört hat. Es handelt sich hierbei zweifellos um sehr wichtige Substanzen, die im Organismus zahlreiche positive Funktionen haben. Manche davon sind sogar essenziell und können somit nicht im Körper synthetisiert werden, sondern müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Es muss allerdings eindeutig gesagt werden, dass ungesättigte Fettsäuren keineswegs antioxidantive Eigenschaften besitzen. Im Gegenteil – sie werden aufgrund ihrer Doppelbindung(en) viel leichter als gesättigte Fettsäuren im Körper oxidiert. Die entstehenden Produkte sind an sich auch Prooxidantien und führen zu weiterer Oxidation im Körper. Dies ist eine befremdliche Vorstellung. Normalerweise werden diese Prozesse strengstens kontrolliert, damit der Organismus im Gleichgewicht bleibt. Hoffentlich verdeutlichen aber diese Ausführungen, dass Butter (überwiegend gesättigte Fettsäuren) auf jeden Fall dem Olivenöl (überwiegend ungesättigte Fettsäuren) und anderen pflanzlichen Ölen beim Anbraten vorzuziehen ist. Ich rate natürlich ohnehin niemandem, sein Essen in der Pfanne zuzubereiten, da auf diese Weise der Gehalt der meisten Vitamine signifikant reduziert wird. Stattdessen empfehle ich vorwiegend frische Produkte. Leider lässt sich aber dies nicht immer vermeiden und dann sollte man darauf achten, die Bratzeit zu reduzieren, bei möglichst niedrigen Temperaturen zu arbeiten und gesättigte Fette dafür zu benutzen.

 


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