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  • Dr. med. Niklas Thilo
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  • 11.11.2015

Laborparameter: Elektrolyte – Stromleiter unter der Lupe

Spätestens beim Thema Niere beginnt man im Physiologie-Praktikum, die Elektrolyte zu hassen. Es ist hart, liebe Vorkliniker, aber das ist erst der Anfang! Egal, ob im Pharmakologie- Testat oder in der Stationsroutine – K, Na und Ca begleiten einen Mediziner auf Schritt und Tritt.

 

Labor - Foto: Alexander_Raths./Fotolia.com

Foto: Alexander_Raths./Fotolia.com

 

Während du diese Zeilen liest, arbeiten in deinem Gehirn unermesslich viele „Stromleiter“, übersetzt:
Elektrolyte“. Für Mediziner sind Elektrolyte kleine, im Blutplasma nachweisbare Ionen, die eine große Rolle bei elektrophysiologischen Vorgängen spielen. Am wichtigsten sind sie an den Zellgrenzen: Sie erhalten das Ruhemembranpotenzial aufrecht und ermöglichen Aktionspotenziale. Störungen der Elektrolyte beeinträchtigen deshalb vor allem die Arbeit von Nervenzellen und Muskelzellen, auch am Herzen

 

Kalium fürs Herz

Am häufigsten ist bei Patienten der Kaliumhaushalt gestört, deshalb gilt diesem auch der erste Blick, wenn ein Mediziner Elektrolytwerte beurteilt. Einen Patienten mit Kaliummangel bedrohen in erster Linie Herzrhythmusstörungen – er benötigt rasch ein EKG und je nach Schweregrad auch eine Monitorüberwachung. Wenn im EKG bereits Zeichen einer Kaliumentgleisung zu sehen sind, ist die Situation immer kritisch.

Sehr genau sollte man sich die T-Welle anschauen: Bei einer Hypokaliämie < 3 mmol/l flacht sie ab (a Tabelle). Ein EKG zu schreiben ist bei fast allen Elektrolytentgleisungen eine gute Idee (auch bei Störungen des Kalzium- und Magnesiumhaushalts). Einen Patienten mit Hypokaliämie sollte man auf jeden Fall nach seinen Medikamenten fragen. Der häufigste Grund für einen Kaliummangel sind Diuretika, aber auch durch andere Medikamente, etwa Laxantien, verlieren die Patienten Kalium. Bei jüngeren Frauen mit unklarer Hypokaliämie spielen Abführmittel häufig eine Rolle. Generell gilt: Hinter fast allen Elektrolytstörungen können Medikamente stecken, oft zählen sie zu den Hauptverdächtigen. 

 

Bei Hyperkaliämie hyperkritisch sein

Wird im Blutserum oder Blutplasma ein zu hoher Kaliumwert gemessen, kann es sich um eine Hyperkaliämie handeln – noch häufiger steckt aber eine Pseudohyperkaliämie dahinter. Hohe Kaliumwerte beurteilt ein Laborarzt deswegen immer kritisch. Die Probleme beginnen schon bei der Blutentnahme: Sind die Venenverhältnisse ungünstig, muss länger als üblich gestaut werden. Manchmal fordert der Arzt den Patienten auch zum „Pumpen“ auf und nimmt dann aus einer kleinen Vene mit einer dünnen Kanüle unter starkem Sog Blut ab. Durch all diese Faktoren hämolysieren die Erythrozyten, und Kalium strömt aus ihnen heraus. Die nächste Hürde ist der Transport. Zwar erreichen im Krankenhaus fast alle Proben innerhalb von zwei Stunden das Labor mit der rettenden Zentrifuge. Doch im ambulanten Bereich unternimmt so manches Röhrchen eine Odyssee bevor es im Labor eintrifft. Wie bei der schwierigen Blutentnahme kommt es dabei unweigerlich zur Hämolyse und damit zur Pseudohyperkaliämie.

 

Auf einen Blick: Störungen des Elektrolythaushalts

Störungen des Kaliumhaushalts

 

EKG-Veränderungen bei Hypokalimäie
Störungen des Natriumhaushalts
Störungen des Kalziumhaushalts




  • Schwann-Zellen

    Schwann-Zellen (rot) isolieren die Axone von peripheren Nerven (lila). An den Membrangrenzen läuft ohne Elektrolyte gar nichts: Sie geben die Impulse weiter – je dicker die Schwann-Isolierschicht, umso schneller.

     

Laborparameter: Elektrolyte – Stromleiter unter der Lupe

Vermeiden lässt sich das nur, indem man das Blut noch in der Praxis zentrifugiert und den Blutkuchen von Serum oder Plasma trennt. Den Fehler erkennt der Labormediziner manchmal schon mit bloßem Auge: Wenn Serum oder Plasma rötlich verfärbt – also hämolytisch – sind, kann der daraus bestimmte Kaliumwert gar nicht korrekt sein. Dies gilt auch dann, wenn der Wert normal oder niedrig ausfällt – in Wahrheit zirkuliert im Blut des Patienten dann noch weniger Kalium.

Das Kalium im Serum kann nicht nur aus Erythrozyten, sondern auch aus Thrombozyten stammen. Bei einer extremen Thrombozytose ist der Kaliumwert im Serum deshalb erhöht. Im Heparinplasma ist er dagegen normal, da das Plasma keine Inhaltsstoffe der Thrombozyten enthält – das Blut ist ja nicht geronnen.

Bei einer echten, schweren Hyperkaliämie > 7,5 mmol/l findet man immer EKG-Veränderungen (überhöhte T-Wellen). Da die häufigste Ursache für eine Hyperkaliämie die Niereninsuffizienz ist, hilft als Therapie manchmal nur die Hämodialyse.

 

Ca und Mg: gefesselt an Albumin

Um niedrige Kalziumwerte korrekt zu beurteilen, muss man ebenfalls Klippen umschiffen: Ein Teil des Kalziums ist im Blutplasma an Albumin gebunden. Biologisch aktiv ist aber nur das freie Kalzium, das sich leider nur mit viel Aufwand messen lässt. Deshalb sollte man zu jedem Kalziumwert immer das Albumin mitbestimmen. Anhand einer Formel, die locker auf einem Spickzettel in der Kitteltasche Platz hat, kann man den Kalziumwert dann korrigieren (Tabelle).

Da bei schweren Erkrankungen die Albuminwerte oft erniedrigt sind, tut man gut daran, auf Intensivstationen jeden unkorrigierten Kalziumwert auf diese Weise zu hinterfragen. Hinter einem zu hohen Kalziumwert steckt dagegen meistens eine „echte“ Hyperkalzämie. Auch hier sollten Mediziner die Diuretika im Auge behalten: Thiazide vermindern die Kalziumausscheidung, wogegen Schleifendiuretika wie Furosemid sie erhöhen. Magnesium ist der neurophysiologische Antagonist des Kalziums, trotzdem ähneln sich die beiden in vielerlei Hinsicht: Bei beiden können niedrige Werte beim Patienten Krämpfe auslösen, weil die Muskeln übererregbar werden. Ein Mangel ist bei beiden häufig durch Schleifendiuretika bedingt, und weil sie an Albumin binden, muss bei beiden der Wert auf dem Laborzettel vorsichtig interpretiert werden.

 

Natrium, ein Elektrolyt für Endokrinologen

Auf den gemessenen Natriumwert kann man sich zwar in der Regel verlassen, dafür ist es hier oft knifflig, die Ursache für Hypo- oder Hypernatriämie zu finden. Man kann und sollte sich mit der Interpretation und auch der Therapie Zeit lassen und dafür eventuell sogar ein Buch zur Hand nehmen.

Bei einer Hyponatriämie ist es wichtig, das Wechselspiel von Wasserhaushalt und antidiuretischem Hormon (ADH) verstanden zu haben: Ist das ADH inadäquat hoch, etwa bei schwerer Herzinsuffizienz, kommt es zu einer Hyponatriämie – und umgekehrt. Die Steroidhormone spielen ebenfalls eine Rolle: Sowohl Mineralokortikoide (z. B. Aldosteron) als auch Glukokortikoide (z. B. Cortisol in hoher Dosis) bewirken in der Niere eine Natriumretention und sorgen für eine Kaliumausscheidung. Korrigiert man eine Hyponatriämie (klinisch relevant bei < 120 mmol/l) zu hastig und lässt die Natriumkonzentration um mehr als 1 mmol/l stündlich steigen, kann die Folge für den Patienten bitter sein: Gerade bei Alkoholikern tritt in diesem Fall die sogenannte „zentrale pontine Myelinolyse“ auf, die bis zu Tetraparese und „Locked-in-Syndrom“ führen kann.

Eine Hypernatriämie muss statt einem Blick ins Buch zunächst einen Blick auf den Patienten auslösen: Hat man im Eifer des Aufnahmegefechtes womöglich Zeichen eines Flüssigkeitsmangels übersehen? Eine hochbetagte, somnolente Frau aus dem Pflegeheim sollte man sich dann sehr genau anschauen.

 


Autor:

Dr. med. Niklas Thilo Facharzt für Laboratoriumsmedizin Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie

Fachlicher Beirat: Dr. med. Kai Lüthgens, Facharzt für Laboratoriumsmedizin; Labor Enders & Partner, Stuttgart

 


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