• Bericht
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  • Lisa Weber
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  • 11.01.2018

Pflegepraktikum auf der Onkologie

Drei Monate, 40 Stunden die Woche für eine Essensmarke im Wert von 3.50 € zumeist ungeliebte Arbeiten verrichten. Wie vermutlich die meisten (zukünftigen) Medizinstudenten startete ich mit gemischten Gefühlen in mein Pflegepraktikum. Die Station durfte ich mir nicht selbst aussuchen und landete auf einer onkologisch, hämatoonkologischen und gynäkologischen Station. Eine interessante Mischung wie sich herausstellen sollte.

© M.Dörr & M.Frommherz - Fotolia.com


Ohne jegliches Vorwissen startete ich in den Schichtdienst. Die ersten Tage waren hart: Ich wusste nichts, hatte keine Antworten auf die Fragen der Patienten, musste bei jeder Kleinigkeit erst einmal suchen oder nachhaken, wo ich es finde, und sogar das Blutdruckmessen war zunächst eine Herausforderung. Ich begleitete einen Pfleger von Zimmer zu Zimmer und hatte überhaupt keinen Durchblick. Aber mit jedem Tag lernte ich etwas Neues, fand mich besser im Krankenhausdschungel zurecht und konnte immer mehr Aufgaben selbstständig übernehmen. Die Pfleger nahmen sich Zeit, mir alles genau zu erklären und mir meine Fragen zu beantworten. 

Auf der onkologischen Seite der Station variierte der Zustand der Patienten sehr stark. Von bettlägerigen, kaum anwesenden Patienten, teilweise mit schwerer Atemnot, bis hin zu vollständig selbstständigen Patienten war alles dabei. Die gynäkologische Situation war wesentlich konstanter, die meisten Patienten versorgten sich selbstständig, lediglich direkt nach den Operationen benötigten sie etwas mehr Hilfe.

Deshalb war ich meistens in einem der onkologischen Bereiche eingeteilt. Insbesondere in der Frühschicht, bei der Grundpflege der Patienten, gab es hier wesentlich mehr zu tun. Obwohl ich jeden Tag einem Bereich zugeteilt war, hatte ich eigentlich täglich mit allen Patienten zu tun, sei es beim Essen austeilen oder wenn ich auf die Klingel lief.

Mit der Klingel war das so eine Sache, gerade am Anfang konnte ich den Patienten meist nicht helfen und lediglich ein: „Ich bin leider nur Praktikantin und kann Ihnen nicht helfen, aber ich gebe der Schwester Bescheid, kleinen Moment“ anbieten. Für beide Seiten ist das nicht besonders zufriedenstellend. Außerdem hatte ich am Anfang immer Angst, dass es einen Notfall gibt oder ein Patient gerade stirbt und ich als Erste den Raum betrete und nicht weiß, was ich tun muss. 

Es dauerte jedoch nicht lange, bis ich zuverlässig einschätzen konnte, welche Maßnahmen ein Vorfall erforderte und konnte auch in kritischen Situationen richtig handeln - ein gutes Gefühl. Bereits in meiner zweiten Woche war ich tatsächlich bereits mit meiner ersten Leiche konfrontiert: Die Schwester schickte mich in das Zimmer, um schon mal die Vitalzeichen zu messen. Der 94-Jährige Mann war nur wenige Minuten vorher friedlich gestorben. Ich holte meine Kollegin hinzu, sie bestätigte meine Vorahnung, wir brachten den Toten in ein Einzelzimmer und richteten ihn noch ein letztes Mal her.

Der Tod war in der Realität wesentlich weniger schlimm, als ich es mir vorgestellt hatte und ich kam überraschend gut damit zurecht. Meist ging es den Patienten kurz bevor sie starben wirklich schlecht und der Tod wirkte eher wie die gerechte Erlösung von einem langen Kampf. Schlimmer war es zu sehen, wie Patienten, die sich anfangs noch selbstständig versorgen konnten und mit denen man normal kommunizieren konnte innerhalb kürzester Zeit aufgequollen durch Wassereinlagerungen, beinahe reglos im Bett lagen, unfähig zu sprechen oder eigenständig zu essen und trinken. Das Thema Tod und Sterben war auch beim gemeinsamen Essen mit den Kollegen sehr präsent. Die Heilungschancen der meisten unserer Patienten sind äußerst schlecht, nicht selten erzählten Kollegen bei der gemeinsamen Frühstückspause von Patienten in den Todesanzeigen. 

Neben den alltäglichen Aufgaben, wie Vitalzeichen erfassen, Patienten bei der Körperpflege helfen, Nachtstühle leeren, Essen verteilen und Betten machen, erlaubte es mir meine Station auch bei Untersuchungen mitzugehen. Die Stationsärzte wussten, dass ich Medizin studieren möchte und haben mich als Assistentin mitgenommen, wenn es etwas Interessantes zu tun gab. Sie haben sich wirklich Zeit genommen mir alles genau zu erklären und meine Fragen zu beantworten und das, obwohl sie selbst an den wenigsten Tagen pünktlich den Arbeitsplatz räumen konnten. Wenn es mal etwas weniger zu tun gab, durfte ich bei der Visite mitgehen und unter ärztlicher Anleitung Blut abnehmen.

Als kleines Highlight durfte ich bei einer Gebärmutterentfernung mit in den OP. Die Operation wurde laparoskopisch durchgeführt, sodass ich auf einem Bildschirm alle Schritte gut verfolgen konnte. Die operierende Ärztin war sehr nett und hat mir immer erklärt, was ich gerade sehe, was sie macht und warum sie das macht. Am Schluss hat sie mir noch eine kleine Führung durch die sichtbaren Organe im Bauchraum gegeben, sehr spannend und ein beeindruckendes Erlebnis!

Als Pflegepraktikantin hatte ich den Luxus, mir viel Zeit für die Patienten nehmen zu können. Dabei kamen viele interessante Gespräche zustande. In dieser Art werde ich vermutlich nie wieder Zeit für die Patienten haben, eine kostbare Erfahrung, die mich darin bestärkt, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Insgesamt schaue ich auf drei schöne Monate zurück, neben vielen Erfahrungen habe ich auch gleich einen Job für die Zeit bis zum Studium und die Semesterferien gefunden. Ich bin meiner Station sehr dankbar für die Gestaltung des Praktikums und freue mich schon darauf, bald zurückzukehren. 

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